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Der China-Crackdown

Das „chinesische Jahrhundert“, titelt die Welt. Dreißig Jahre nach dem Wegfall der bipolaren Welt schickt sich eine neue Regionalmacht an, nach alter Größe, Geltung und Weltrang zu greifen – oder sogar nach Weltführung? Eine neue Ära des geopolitischen Dualismus scheint angebrochen.

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Prolog

China ist die offensichtliche Antwort auf viele aktuelle wirtschaftliche Fragen. Dabei ist China selbst die größte Frage, die sich im 21. Jahrhundert aus westlicher Perspektive stellen wird.

„Ich sage nur China, China, China!“

Kurt Georg Kiesinger, Rede bei der Wahlkampferöffnung der CDU am 31. August 1969 in der Dortmunder Westfalenhalle.

Doch warum ist das überhaupt von Interesse? Alle sind doch aktuell zufrieden, es gibt lediglich einen nach Trumps Abgang abgekühlten Handelskrieg, aber nicht so recht einen kalten Krieg, glücklicherweise erst recht keinen heißen, der chinesische Markt bietet Unternehmen aus aller Welt riesige Chancen, China ist die Werkbank der Welt und stützt die Weltkonjunktur selbst in Pandemiezeiten, der Aktienmarkt wird immer noch gerade erst entdeckt und die Kurse gehen teilweise durch die Decke. Wo also ist das Thema, mit dem man sich beschäftigen könnte?

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Der Hintergrund ist ganz einfach die Frage, ob chinesische Aktien für uns selbst investierbar sind. Und zwar nicht aus der handelstechnischen Perspektive, sondern vor dem Hintergrund des politökonomischen Systems in der Theorie und seinen vielfältigen und für uns oft ungewohnten Facetten in der Praxis.

Zwar hatten wir bislang – ungeprüft und unreflektiert – Alibaba im Depot, und vor Corona auch Tencent und trip.com. Wir haben uns aber bisher noch nie im Detail damit auseinandergesetzt, ob wir uns mit diesem Investment wirklich wohlfühlen oder wohlfühlen können oder wohlfühlen können sollten. Skepsis gegenüber China-Investments haben wir hier im Blog schon gelegentlich zum Ausdruck gebracht.

Im Kern soll die Frage beantwortet werden, ob die besseren Argumente für oder gegen ein China-Investment sprechen. Hier wird man auch am Thema Moral nicht vorbeikommen. Moral ist für uns nicht das primäre Entscheidungskriterium, und alleine über diesen Satz könnte man schon wochenlange Diskussionen führen. Inwieweit Moral bereits ein bewusstes oder unbewusstes Entscheidungskriterium ist, auch damit haben wir uns noch nicht auseinandergesetzt. Bei China haben wir jedoch ein signifikantes Störgefühl, das wir bei anderen anerkannten Investmentregionen nicht im gleichen Ausmaß verspüren.

China beobachten wir schon seit einigen Jahren intensiver, nicht erst seitdem die Medien im Uiguren-Kontext ab 2017/2018 auf dieses Thema draufgesprungen sind, anschließend maßgeblich befeuert von der China-Kontroverse Donald Trumps. Mittlerweile ist China auch des Öfteren – oder sogar oft – allgemein in den deutschen Medien vertreten. So ging dann wohl auch an nur noch vergleichsweise wenigen vorbei, wie China etwa auf die Einlassungen von Alibaba-Chef Jack Ma reagierte, Chinas traditionelle Banken betrieben ein Kreditsystem mit Pfandhausmentalität. Dies war natürlich nur eine der vielen Spitzen des Eisbergs und finaler Auslöser, diesen – schon lange geplanten und bereits in 2020 begonnenen – Blogartikel zu einem Ende zu bringen.

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Was ist China?

China ist ein natürlich ein enorm großes Thema. Das wirft die Frage auf, wie wir uns dem nähern wollen. Wichtig erscheinen uns aus der Investmentperspektive vor allem folgende Punkte: die Eigentumsfrage im Kontext des politischen Systems. Das wirtschaftliche System unter Berücksichtigung des politischen Systems. Die geopolitische Strategie Chinas und deren Implikationen. Die Frage nach der Hegemonie. Wir wollen betrachten, wie weit die globale Neugewichtung bereits vorangeschritten ist. Wir wollen zum anderen aber auch betrachten, welche Anhaltspunkte wir ausmachen können, die uns bei der Frage „Sollten wir in China bzw. chinesische Aktien investieren?“ weiterhelfen können.

Bei dieser Art Betrachtung scheint es wichtig zu sein, sich der Perspektive bewusst zu machen, die man einnimmt. Ein oft vorgebrachter Einwand bei China-Diskussionen ist der, dass die westliche Welt die unzulässige Auffassung vertritt, dass die von ihr regelmäßig als universell geltend vertretenen Werte überall auf der Welt geteilt werden und allgemeingültig sein sollten. Die klassisch westliche Perspektive geht dabei insbesondere von einem individuell geprägten Freiheitsbegriff aus, der in Deutschland und Teilen Europas – durch Kant beeinflusst – durchaus auch Gemeinwohlaspekte einbezieht, während anderen Weltregionen wie z.B. China ein stärker kollektiv geprägter Freiheitsbegriff zugeschrieben wird.

Es erscheint uns wichtig, diesen Passus voranzustellen, denn mit Max Weber formuliert, kann eine Analyse nur seriös sein, wenn der Versuch unternommen wird, die Fakten im ersten Schritt werturteilsfrei darzustellen, also die Frage „Was ist in der Welt der Fall?“ von der Frage „Was sollte in der Welt der Fall sein?“ zu trennen. Ein Anspruch im Übrigen, an dem man bei Lichte betrachtet nur scheitern kann, deshalb sollte auch niemand „die eine“ abschließende Antwort in diesem Artikel erwarten oder dass es uns gelingen wird, diesem Anspruch gerecht zu werden. Dennoch ist es wichtig, vorab zu verstehen, dass die hier vertretene Sichtweise nur eine Sichtweise unter vielen verschiedenen möglichen ist und wir keinen missionarischen Wahrheitsanspruch propagieren.

Also gehen wir in medias res. Es beginnt letztlich schon mit dem Wort China. Chinesen nennen ihr Land selbst so nicht. Die heutige Landesbezeichnung China ist eine nichtchinesische Wortschöpfung und geht sprachlich mutmaßlich auf die Qin-Dynastie oder auf den Staat Jin, jeweils in vorchristlicher Zeit, zurück. Chinesen bezeichnen ihr Land als Zhōngguó, was wörtlich etwa Reich der Mitte bedeutet. China wird noch bis voraussichtlich 2022 mit 1,4 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichstes Land der Welt sein, bis Indien daran vorbeizieht. Da verwundert es nicht, dass China auch über eine um über 50 % größere (allerdings aktuell noch nicht: stärkere) Armee als die USA verfügt. Es ist außerdem nach Kanada, den USA und Russland das viertgrößte Land der Erde. Je nach Sichtweise (kaufkraftbereinigt oder nicht) ist China bereits jetzt weltgrößte Volkswirtschaft, oder zieht voraussichtlich 2028 an den USA auf Platz 1 vorbei. China ist weltweit die einzige größere Volkswirtschaft, die in 2020 den offiziellen Zahlen zufolge gewachsen ist. In allen Kategorien sticht China immer mit einem: mit Größe.

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Chinas Geschichte ist nicht nur Jahrtausende alt. Wie überall in der Welt hat Europa auch in China historische Verbrechen begangen. So wurde in den Opiumkriegen des 19. Jahrhunderts der chronische Außenhandelsüberschuss Chinas durch massenhafte militärisch durchgesetzte Opium-Importe aufgebrochen und Millionen Chinesen wurden in die Drogenabhängigkeit getrieben. Dies ist als abgrundtiefe Kränkung durch den Westen tief im chinesischen Kollektivbewusstsein verankert und mit maßgeblich für den unbedingten Willen der Chinesen, qua Größe und eigener Machtstellung nie wieder in eine ähnliche Situation getrieben werden zu können. Der Anspruch besteht in der Herstellung von Abschreckung durch Macht.

Seit 2012 regiert nun Xi Jinping, seines Zeichens Sohn eines verstoßenen Parteimitglieds (der Vater galt in der Zeit Maos als Verräter), dessen Akte deshalb gefälscht werden musste, damit er überhaupt selbst Parteimitglied werden konnte. Xi Jinping hat einen selbst für chinesische Verhältnisse beispiellosen Aufstieg zum allmächtigen Diktator hingelegt. Nachdem selbst die Chinesen nach Maos Tod erkannten, dass verschiedene Sicherungsmechanismen in den Staat eingezogen werden müssen, um zukünftig ähnlich katastrophale Alleingänge zu verhindern, hat Xi Jinping sämtliche Mechanismen wieder außer Kraft setzen lassen. Die Begrenzung der Amtszeit auf zwei mal fünf Jahre wurde aufgehoben und es ist ihm jetzt offiziell möglich, unbegrenzt auf Lebenszeit zu regieren. Alleinherrschaft sozusagen, wer sollte ihn stürzen? Insbesondere ist Xi Jinping glühender Marxist und tut alles dafür, damit der Marxismus wieder überall Einzug hält. Abgesehen davon, dass vieles in China bisher auf einen erbarmungslos freien Markt hindeutete – Beispiel Immobilienmarkt – und das nur schwer mit „dem“ Sozialismus zusammenzubringen ist.

China und seine Rolle in der Welt

Ebendieser allmächtige chinesische Präsident Xi Jinping hat in seiner Videoansprache zum Weltwirtschaftsforum 2021 vor einem neuen ‚Kalten Krieg‘ gewarnt und für mehr globalen Handel und Multilateralismus geworben. Besonders bemerkenswert: Er beklagte, dass Bedrohungen und Einschüchterungen nur die Teilung der Welt vorantreiben würden. Sprachs, und schickte währenddessen zwölf Kampfflugzeuge in den taiwanesischen Luftraum.

Ein hektischer Funkspruch über der Taiwanstraße: Ein Pilot der taiwanischen Luftwaffe fordert eindringlich chinesische Kampfflugzeuge zur Umkehr auf. 88 Mal drangen Chinas Flugzeuge in Taiwans Luftraumüberwachungszone ein – allein im April dieses Jahres (Stand 20.04.2021) – so rechnet es der Inselstaat vor. Flugmanöver, die provozieren sollen, deren Überwachung Taiwan jährlich fast eine Milliarde US-Dollar kostet und die seit 2016 stetig zunehmen.

deutschlandfunk.de

Zu Taiwan später noch mehr.

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China verfolgt unter Xi Jinping die Strategie, bis zum 100-jährigen Bestehen der Volksrepublik im Jahr 2049 die weltgrößte Volkswirtschaft zu werden, die in jeder Hinsicht an der Weltspitze stehen soll. Zwischenschritte auf dem Weg dahin wurden mit der Strategie Made in China 2025 formuliert und mit dem Anspruch, bis 2035 ins Mittelfeld der Industrienationen aufzuschließen.

Doch nicht erst in den kommenden Jahrzehnten ist China die Speerspitze der Entwicklung, sondern bereits heute. Mag es bis vor einigen Jahren noch opportun gewesen zu sein, China althergebracht als bloße verlängerte Werkbank der Welt mit Spezialisierung auf Kopierprodukte zu betrachten, so ist dieses Weltbild heute zwingend zu korrigieren. China forscht bereits an 6G, als in Deutschland noch nicht einmal 5G eingeführt war. China ist bereits auch führend in der Entwicklung der abhörsicheren Quantenkommunikation, einer Schlüsseltechnologie, wenn herkömmliche Verschlüsselungsverfahren durch Quantencomputer gefährdet sind, während Deutschland mit großem Tamtam die erste quantengesicherte Videokonferenz zwischen zwei staatlichen Behörden feiert.  Auch beim Quantencomputer führt China. China arbeitet auch bereits an stromproduzierenden Fusionsreaktoren, während Europa noch lange Zeit im Experimentierstadium sein wird.

Dies zeigt: die Welt kommt an China nicht mehr vorbei. Zu bedenken ist auch, dass eine 1,5-Milliarden-Nation einer 330-Millionen-Nation wie den USA schlicht die fast fünffache Manpower gegenüberstellen kann. Aus unserer Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis China in der Lage ist, eine höhere Schlagzahl in der technologischen Entwicklung vorzulegen als die USA, und von Europa braucht man wegen in fast jeder Hinsicht akut drohender Bedeutungslosigkeit gar nicht mehr sprechen. „Der Osten steigt auf, der Westen steigt ab.“ lautet die offizielle Formel von Xi Jinping und als Europäer weiß man angesichts des politischen Zustands der Europäischen Union nicht, was man antworten sollte.

China weitet seit langem seinen Einflussbereich überall auf der Welt aus. So eröffnete es etwa 2017 eine Militärbasis in Djibouti an der Einfahrt zum Roten Meer und damit an einer der neuralgischen Punkte der Weltwirtschaft.

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Neben Djibouti haben Tadschikistan, Kirgistan, Laos, die Malediven und die Mongolei Schulden bei China, die ein Drittel ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung überschreiten. Auch diesen Ländern droht die chinesische Schuldenfalle.

deutschlandfunkkultur.de

Der Stützpunkt wurde eröffnet, obwohl man nach offiziellen vorherigen Verlautbarungen eigentlich nicht „das amerikanische Modell“ der Auslandsmilitärbasen fahren wollte, sondern offiziell eine reine Logistik- und Unterstützungsbasis geplant war.

Wie die New York Times heute berichtet, hat Pekings Präsident Xi Jinping die USA erstmals öffentlich als die größte Bedrohung Chinas bezeichnet. Die Zeit nach der Pandemie sei eine Zeit großer Gelegenheit die gezeichnet sei vom Aufstieg Chinas und dem Abstieg des Westens.

news.guidants.com vom 03.03.2021

Zwar wird Djibouti regelmäßig als „einzige“ chinesische Auslandsmilitärpräsenz bezeichnet. Dies lässt aber außer Acht, dass China im südchinesischen Meer, unterstützt von der zwischenzeitlich größten Marine der Welt, auf von Anrainerländern beanspruchten Gebieten Militärbasen baut, somit also eine militärische Präsenz ganz unzweifelhaft auch im Ausland ausbaut.

Bei einem Besuch im Weißen Haus versprach Xi 2015, China habe nicht die Absicht, die Inseln zu militarisieren – eine Lüge. Heute unterhält China Raketenbasen, Militärhäfen und -flughäfen auf den Inseln, immer wieder kommt es zu gefährlichen Begegnungen chinesischer und amerikanischer Kriegsschiffe und Kampfjets. Pekings Vorstöße im westlichen Pazifik waren indes nur der Auftakt einer beispiellosen Reihe politischer Konflikte, von denen manche bis an den Rand des Abbruchs diplomatischer Beziehungen führten.

Spiegel.de

Dazu passt, dass die USA entdeckt haben, dass China bereits in Tadschikistan militärisch präsent sind – verdeckt.  Daneben drängt es strategisch auch in den Weltraum. Da Staat und Unternehmen in China in der Praxis nicht getrennt betrachtet werden können, muss auch davon ausgegangen werden, dass China die von chinesischen Unternehmen betriebenen ausländischen Häfen der Neuen Seidenstraße ebenfalls im Zweifel militärisch zu nutzen weiß.

Die Neue Seidenstraße ist ein 900-Milliarden-Dollar-Infrastrukturprojekt, das sich über ganz Eurasien und Afrika erstreckt. Sie besteht aus zwei Komponenten: der besseren Erschließung des Landwegs von China bis nach Duisburg auf dem Schienenweg sowie aus der sogenannten maritimen Seidenstraße, die über den Indischen Ozean und Afrika sowie das Rote Meer bis ins Mittelmeer zu Schlüsselhäfen vor allem in Griechenland führt. So lobenswert der Grundgedanke auch ist, ganze Kontinente für die bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit erschließen zu wollen, so viel Kritik schlägt China entgegen.

Im Wesentlichen funktioniert der Deal für die angeschlossenen Länder in der Weise, dass China mit eigenen Leuten ins Land kommt, Infrastrukturprojekte aufbaut und wieder abzieht. Bezahlt wird die Infrastruktur durch Kredite aus China, was regelmäßig zu signifikanter wirtschaftlicher Abhängigkeit von China führt. Anders formuliert handelt es sich um eine Art Neofeudalismus. Zum Teil werden chinesische Arbeiter wie am Baikalsee auch angesiedelt. Bei derartigen Ansiedlungsprojekten drängt sich bei einer in die Zukunft gerichteten Einschätzung offensichtlich die Erinnerung an die russische Eroberung der ukrainischen Krim mit dem vorgebrachten „Argument“ einer vorwiegend vorhandenen russischstämmigen Bevölkerung auf.

Diese Art Schuldenabhängigkeitsdiplomatie wird China auch regelmäßig in anderem Kontext zum Vorwurf gemacht. So wurde während der Corona-Krise bspw. die „Impfdiplomatie“ kritisiert, mittels derer China sich die Gunst der Länder sicherte, die teure westliche Impfstoffe nicht kaufen konnten. Dies zum Teil auch wieder gegen chinesischen Kredit, also gegen Abhängigkeit von China. China arbeitet hart daran, sich wirtschaftlich schwache Länder als Vasallenstaaten untertan zu machen. Impfdiplomatie kann auch so aussehen: China erleichterte die Einreise für geimpfte Ausländer nach Hongkong. Dies gilt aber nur für solche, die chinesische Impfstoffe erhalten haben. Das ist natürlich ebenfalls Geopolitik. Aus den wesentlichen westlichen Ländern hat wohl niemand ernsthaft einen chinesischen Impfstoff erhalten. Gleichzeitig ist Biontech in China im September 2021 immer noch nicht zugelassen. Anders als durch politische Motive ist das nicht erklärbar und die chinesische Propaganda verklärt die Biontech-Impfung gar zur Giftspritze.

China geht aber nicht nur wirtschaftliche schwache Staaten an, sondern nutzt auch politische und geostrategische Schwächen gnadenlos aus. China-nahe Medien sprachen etwa das Afghanistan-Debakel konkret als das an, was es ist: ein geopolitisches Ereignis mit geostrategischen Konsequenzen. So wurde von chinesischen Medien verbreitet, dass taiwanische Medien nun fürchten, dass Taiwan die nächste „Schachfigur“ ist, die vom Westen, konkret von den USA, fallen gelassen wird.

Geheimdienstbericht dürfte Beziehungen zwischen den USA und China weiter belasten. „Es gibt Hinweise darauf, dass China nicht-staatlichen Akteuren in Afghanistan Geld für Angriffe auf US-Soldaten in dem Land angeboten haben soll“, wie die Nachrichtenseite „Axios“ und der TV-Sender CNN unter Berufung auf hochrangige Regierungsmitarbeiter berichten.

news.guidants.com vom 31.12.20

Derzeit ist nicht ersichtlich, dass die US-amerikanische Außenpolitik zu Vorteilen für die westliche Welt oder auch nur für die USA führen. Die Außenpolitik seit Trump führte eine Zersplitterung des Westens und auf eine Schwächung des weltweiten Einflusses der westlichen Staatengemeinschaft herbei. Demgegenüber ist bei jedem chinesischen Auslandsengagement ein Schachzug erkennbar, der immer zum Ergebnis hat, dass China einen Vorteil erlangt.

Wie eine neue Studie zeigt, hat China im letzten Jahr mit einer Cyberattacke in Indiens Metropole Mumbai das Stromnetz lahmgelegt, während es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen indischen und chinesischen Truppen im Grenzgebiet im Himalaja kam. Der Weg des Angriffs konnte nun nachverfolgt werden. Experten interpretieren das Vorgehen Pekings als Warnung an Indien.

news.guidants.com vom 31.08.2020

Und Schach spielt China nach der faktischen Eingemeindung von Macau und der eher unfreiwilligen von Hong Kong in 2020 auch mit Taiwan:

Im Falle einer offiziellen Unabhängigkeitserklärung droht China mit Angriff: Über 1.000 chinesische Kurzstreckenraketen sind schon heute auf die Insel 130 Kilometer vor Chinas Südküste gerichtet. Taiwan war früher Teil des Kaiserreichs, gehörte aber nie zur 1949 gegründeten Volksrepublik. Die Insel wurde seitdem regiert von den Verlierern des Chinesischen Bürgerkrieges – der KMT – aus deren Einparteienherrschaft sich in den 1990er-Jahren eine florierende Demokratie entwickelte.

[…] Die Frage ist nur, wann könnte ein Angriff auf Taiwan erfolgen? Wichtig sei dabei der Blick auf die 100-Jahr-Feierlichkeiten der Volksrepublik 2049, sagt Ex-„Navy Captain“ Fanell.

„Sie werden es nicht erst 2048 tun, und dann erwarten, dass im nächsten Jahr alle nach China kommen, um mit ihnen das 100-jährige Jubiläum der Volksrepublik China zu feiern. Es muss also vorher passieren. Und da gibt es ein historisches Beispiel: 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Jeder auf der Welt hat das gesehen und war schockiert über die Barbarei der Kommunistischen Partei, die Panzer gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Die Welt hat das verurteilt. Und dann – 19 Jahre später – im Vogelnest in Peking zur Eröffnung der Olympischen Spiele – guckt das Polit-Büro in klimatisierten Logen runter auf die schwitzende Menge. Darunter auch George W. Bush. Der Anführer der freien Welt.

Und das hat eine Botschaft an die Leute in der KP gesendet: Der Westen ist dekadent, der Westen hat eine kurze Aufmerksamkeitsspanne und ein kurzes Gedächtnis. Sogar der Präsident der USA kommt und guckt sich in einem heißen Stadion diese Zeremonie an. Nimmt man diese Analogie, kommt man zum Jahr 2030. Deswegen nenne ich das jetzt das Jahrzehnt der Besorgnis, weil wir wissen: Das Militär der Volksrepublik ist entsichert und geladen.“

deutschlandfunk.de

„„Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt“, hieß es in einem Kommentar der „Volkszeitung“, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei. Der gleiche Satz fiel 1962 kurz vor dem Chinesisch-Indischen Grenzkrieg und 1978 kurz vor dem Chinesisch-Vietnamesischen Krieg.“ Gemeint ist Taiwan, das China als abtrünnige Provinz betrachtet. „Eine Unabhängigkeit Taiwans bedeutet Krieg.“ führt das chinesische Verteidigungsministerium fort. Seit 20 Jahren probt die Volksbefreiungsarmee die „Wiedervereinigung“ mit Taiwan.

FAZ.net

Also ein eindeutig aggressives, imperialistisches, übergriffiges China. Dass es Krieg geben wird, scheint damit beinahe absehbar und unausweichlich. Taiwan wird sich nicht einfach China ergeben. Die USA können nicht einfach zuschauen. Sie werden dies aber vermutlich in allerletzter Konsequenz dennoch tun, wenn es um die Frage geht, ob die USA gegen China wirklich Krieg führen sollen. Bis dahin wird es eine ganze Reihe Appeasement-Politik wie in den Jahren vor 1939 geben. Wir würden wie schon angedeutet davon ausgehen, dass sich China von Russland auch die überaus erfolgreiche Krim-Strategie sehr genau angesehen hat und primär einen ähnlich unkonventionellen Kriegsführungsweg beschreiten wird. Eine Kriegsführung, die unzweifelhaft China zuzuschreiben wird, die es aber Außenstehenden schwer macht, nachzuweisen, dass das so ist. Einen offenen, einen konventionellen Krieg erwarten wir als Arbeitshypothese nicht.

Für die Börse wird das sicherlich ein schwarzes Kapitel, allerdings kein schwarzer Schwan: denn schwarze Schwäne zeichnen sich durch das unbekannte Unbekannte aus, nicht durch das, was absehbar ist (vgl. auch Nassim Taleb zur Corona-Pandemie). China hat für diesen finalen Akt der „Wiedervereinigung“ allerdings nur einen Schuss frei. Denn schon heute wächst in allen Teilen der Welt das Misstrauen gegenüber China. Nach einem konventionellen oder unkonventionellen Erstschlag auf Taiwan würde sich sofort eine globale antichinesische Allianz bilden. Der Schuss muss also sitzen, oder aber die Lösung muss auf nichtmilitärischem Wege erfolgen.

Xi Jinping hat bereits auf dem Parteitag 2017 klargestellt, dass sein „Chinesischer Traum“ die Vereinigung mit Taiwan umfasse. Seither hat er in zwei Reden unterstrichen, diese Aufgabe dürfe nicht „von Generation zu Generation weitergereicht“ werden.

spiegel.de

In der Taiwan-Frage wird also offen mit Krieg gedroht und dieser sollte noch unter Xi Jinpings Amtszeit – er ist 68 Jahre alt – zu erwarten sein. Doch ist Taiwan schutzlos ausgeliefert? Aus heutiger Sicht könnte beispielsweise der weltgrößte und weltsystemrelevante Chipfertiger TSMC als Begründung dienen, warum Taiwan nicht direkt angreifbar ist. Die USA haben Taiwan zwar Reagans Sechs Zusicherungen gewährt. Allerdings ergibt sich daraus keine militärische Beistandspflicht. Andererseits machen die USA aber klar, dass sie eine chinesische Vorherrschaft über Taiwan nicht akzeptieren werden. Die Frage ist aber, wie der Konflikt dann anders als militärisch gelöst werden sollte.

Wie schon angedeutet, beschränkt sich China nicht darauf, im Inneren stärker zu werden, sondern sucht aktiv die Ausweitung des Einflussbereichs nach außen überall in der Welt. Das beschränkt sich nicht auf den wirtschaftlichen Einfluss über die Seidenstraße und über die Rohstoffprojekte in Afrika und Lateinamerika oder auf die Ausweitung der militärischen Präsenz in nicht allgemein anerkannt chinesischem Staatsgebiet.

Sondern China bemüht sich – wie die USA andererseits auch – um Ausweitung des Soft-Power-Einflusses. Dazu zählen beispielweise die 19 Konfuzius-Institute allein in Deutschland, die dem chinesischen Bildungsministerium unterstehen und die zur Aufgabe haben, das Bild Chinas im Ausland zu verbessern – im Zweifel entgegen der Faktenlage.

Seit 2018 sollen sich die Konfuzius-Institute auf Order von Staatschef Xi Jinping auf den „Aufbau einer sozialistischen Kultur“ fokussieren und die „Diplomatie chinesischer Prägung“ unterstützen – auch durch eine stärkere ideologische Vorbereitung des entsandten Lehrpersonals.

tagesspiegel.de

China bezahlte deutsche Professuren, die folglich entsprechend beeinflusst waren. China beeinflusst deutsche Buchläden:

Wie genau das aussehen kann, konnte man kürzlich in einigen Buchläden der Thalia-Kette in Deutschland beobachten. Plötzlich wurden in ausgewählten Läden mehrere Regalmeter prominent mit chinesischer Literatur bestückt. Im Zentrum des Arrangements standen die Werke von Partei- und Staatschef Xi Jinping. Bücher die sich kritisch mit der Kommunistischen Partei auseinandersetzen, fehlten dagegen vollständig. Thalia räumte auf Anfrage ein, dass die Regale von der Firma China Book Trading bestückt worden waren, der deutschen Tochtergesellschaft der parteieigenen China International Publishing Group. Ob die China Book Trading für die prominente Ausstellungsfläche bezahlt hatte, wollte Thalia nicht verraten.

dw.com

China beschäftigt eine eigene Internet-Troll-Armee, um auch dort chinesischen Ansichten durchzusetzen. Schließlich ist auch Chinas Vorgehen bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung über den Ursprung der Corona-Pandemie verstörend:

Im vergangenen Mai wollte ein amerikanischer Journalist im Süden Chinas eine Höhle besuchen. Chinesische Wissenschaftler hatten dort in der Vergangenheit Fledermäuse mit Sars-CoV-2-ähnlichen Coronaviren untersucht. Der Journalist arbeitete an einem Bericht über die Suche nach dem Ursprung der Pandemie. Während eines Zwischenstopps wurden zwei Reifen seines Mietwagens zerstochen, nach dem Besuch in der Höhle drangen dann Unbekannte in sein Hotelzimmer ein und zerstörten alle Bildaufnahmen auf seinen Kameras.

Reuters.com

Denn schon in 2003 bei der ersten SARS-Pandemie wusste China wochenlang, dass es ein Problem gibt und erst als eine Verschleierung nicht mehr möglich war, deckte China das Virus auf. Das gleiche Muster bei der SARS-2-Pandemie: China lässt keine ernsthaften Nachforschungen zum Ursprung des Corona-Virus zu. Nur wer etwas zu verbergen hat, verhält sich so. Es scheint also so zu sein, dass China erneut wochenlang Bescheid wusste und Beweise vernichtet hat. China hat sogar versucht, in Deutschland Beamte dazu zu „überreden“, eine kontrafaktisch positive China-Darstellung zu vertreten. Der Hang zu Geschichtsumschreibung und Geschichtsfälschung bringt mittlerweile einen Zirkel an Querulanten hervor, der vertritt, dass der Westen nur eine schlechtgemachte Kopie Chinas ist und die gesamte Geschichtsschreibung des Westens ein Märchen.

Ende Dezember 2019 lagen die ersten Laborergebnisse von Patienten aus Wuhan vor. Der Befund: ein Sars-ähnliches Coronavirus. Das Diagnostikunternehmen Vision Medicals aus Guangzhou war darüber so alarmiert, dass es sofort einen führenden Mitarbeiter nach Wuhan entsandte. Doch die nationale Gesundheitsbehörde in Peking wies das Labor an, die Proben zu zerstören oder den lokalen Behörden auszuhändigen und sich über die beunruhigende Diagnose öffentlich nicht zu äußern.

FAZ.net

Und die Frage ist erneut: warum wurden so lange Flugverbindungen ins Ausland zugelassen? Muss man das als gewollt interpretieren? Das grenzt an absichtliche Infektion der Weltbevölkerung. Wer also heutzutage meint, China hätte die Pandemie „gut im Griff“, verkennt, dass es erst das autoritäre chinesische System war, das maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Pandemie so schwerwiegend ausfällt und damit gewissermaßen das Tschernobyl des 21. Jahrhunderts verursachte.

Laut einer Studie der University of Southampton wäre die anfängliche Zahl der Infektionen in China um 86 Prozent geringer ausgefallen, wenn die Gegenmaßnahmen nur zwei Wochen früher ergriffen worden wären. […] Vielleicht wäre das Jahr 2020 anders verlaufen, wenn China ein Angebot der Vereinigten Staaten angenommen hätte. Schon in der ersten Januarwoche bot der Leiter der amerikanischen Seuchenschutzbehörde, Robert Redfield, seinem chinesischen Amtskollegen Gao Fu an, dass Amerika 20 Fachleute nach Wuhan entsenden könne, um die Lage zu untersuchen und unter Kontrolle zu bringen. Die Spezialisten waren bereits ausgewählt und hätten sofort losfliegen können. Doch die Beziehungen beider Länder waren durch den Handels- und Technologiekonflikt schwer belastet. China ging auf das Angebot nicht ein.

FAZ.net

China besetzte beginnend in 2006 die Führung in der Weltgesundheitsorganisation WHO und hob nach und nach chinafreundliche Funktionäre in Schlüsselpositionen. So auch 2017 mit Tedros Ghebreyesus, der der Wunschkandidat der Chinesen war. Das westliche Vorhaben, China durch Integration in internationale Organisationen zu domestizieren, ist kläglich gescheitert. Der Rückzug der Amerikaner unter Trump aus dem internationalen Multilateralismus nutzte China zu seinen Gunsten aus und besetzte vier weitere Institutionen der Vereinten Nationen.  So führt China etwa mit dem Huawei-nahen Zhao Houlin die UN-Fernmeldeunion, die global Mobilfunkstandards setzt. Deutlich wird also, dass China seinen Soft-Power-Einfluss nicht nur bilateral mit einzelnen Staaten, sondern auch im zwischenstaatlichen Bereich massiv ausbaut.

„China hat das bestehende multilaterale System sehr stark zu seinem eigenen Nutzen in Anspruch genommen“, sagt Bütikofer der F.A.Z. Zum einen habe das Land von der Mitgliedschaft in der WTO, der es 2001 beigetreten ist, profitiert. Zum anderen stelle es heute „einen größeren Einflussfaktor in den Vereinten Nationen und den Nebenorganisationen dar, als es vom Gesichtspunkt multilateraler Teilhabe plausibel wäre“. Von 15 UN-Sonderorganisationen stehen vier unter chinesischer Leitung. Kein anderes Land stellt mehr als einen Direktor in irgendeiner dieser Organisation.
Darüber hinaus hat China knapp ein Dutzend Vizedirektoren bei den Vereinten Nationen positioniert. „China nutzt die multilateralen Institutionen aus.“ Für Bütikofer gibt es drei weitere Indizien, wie Peking seinen Machtbereich vergrößert: „Das eine ist der Versuch, diese multilateralen Organisationen von innen her umzubauen. Im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen versucht China zum Beispiel konsequent eine neue KP-gefällige Definition von Menschenrechten durchzusetzen.“

[…]

Zweitens gelinge es China, „seine eigenen multilateral erscheinenden Organisationen zu erschaffen“. Die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), an der sich Deutschland und Großbritannien beteiligen, ist laut Bütikofer ein „Paradebeispiel“. Die Bank versteht sich als Gegenentwurf zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds. China stellt den Vorsitz, kann gegen Vorhaben ein Veto einlegen und habe nun angefangen, „von innen heraus dieses Institut umzubauen“, sagt der Politiker. Drittens beobachtet Bütikofer die Verwandlung der multilateralen Strukturen in einen „seriellen Bilateralismus“. Vor allem mit Belt and Road, der „Neuen Seidenstraße“, versuche China nur mit einzelnen Staaten zu verhandeln statt mit allen zusammen. Dadurch sei das Gewicht Chinas viel größer. Die 120 Länder, die eine Kooperation mit China geschlossen haben, würden bei dem Projekt eher als Gäste denn als Partner wahrgenommen. Darunter sind nicht nur Länder in Asien und Afrika, sondern auch in Europa: unter anderen Italien, Griechenland, Portugal und Luxemburg.
FAZ.net

China koppelt sich auch aus dem herkömmlichen US-dominierten Finanzsystem ab. Es hat eine Alternative zum SWIFT-System entwickelt und drängt seine Banken dazu, auf die chinesische Variante umzusteigen.  Hierzu muss man wissen, dass die USA Zugriff auf die SWIFT-Daten haben und diese – offiziell – zur Terrorbekämpfung auswerten. China verschwindet somit auch finanziell vom Radar, was insbesondere aufgrund der chinesischen Zusammenarbeit mit Nordkorea kontrovers sein dürfte.

China stellt sich nach den Worten Xi Jinpings auf eine „langanhaltende Schlacht“ mit Amerika ein. Das schlägt sich in seiner neuen Wirtschaftsstrategie der „zwei Kreisläufe“ nieder. Das Land soll sich so weit wie möglich von amerikanischer Technologie unabhängig machen, um seine strategische Verwundbarkeit zu verringern. Zugleich strebt Peking an, durch globale technische Standards eine eigene technologische Einflusssphäre zu schaffen, zum Beispiel einen zweiten Cyberraum nach chinesischem Vorbild. Den Bemühungen Bidens, Amerikas Allianzen in Asien und Europa zu stärken, versucht China mit eigenen Initiativen zu begegnen: mit Impfdiplomatie, Handelsverträgen, Investitionen.

Spiegel.de

Eine Chronik der Ereignisse bringt der Spiegel:

Die ersten Signale dieser neuen Politik setzte Peking bereits während der Obama-Jahre – zuerst mit der Ausrufung der Flugüberwachungszone über dem Ostchinesischen Meer, dann mit der Aufschüttung von Inseln im Südchinesischen Meer. Die meisten dieser Inseln werden auch von anderen Staaten der Region beansprucht. Bei einem Besuch im Weißen Haus versprach Xi 2015, China habe nicht die Absicht, die Inseln zu militarisieren – eine Lüge. Heute unterhält China Raketenbasen, Militärhäfen und -flughäfen auf den Inseln, immer wieder kommt es zu gefährlichen Begegnungen chinesischer und amerikanischer Kriegsschiffe und Kampfjets. Pekings Vorstöße im westlichen Pazifik waren indes nur der Auftakt einer beispiellosen Reihe politischer Konflikte, von denen manche bis an den Rand des Abbruchs diplomatischer Beziehungen führten.

2017 bestrafte China sein Nachbarland Südkorea mit einem massiven Wirtschaftsboykott. Seoul hatte zum Schutz gegen Drohungen aus Nordkorea ein amerikanisches Raketenabwehrsystem stationieren lassen.

2018 ließ Peking zwei Kanadier festnehmen, die bis heute in Isolationshaft sitzen. Angeblich haben sie gegen Chinas nationale Sicherheit verstoßen, tatsächlich gelten sie als Faustpfand für die in Kanada unter Hausarrest stehende Finanzchefin des Netzwerkausrüsters Huawei.

2019 eskalierte ein Streit zwischen China und Schweden, dessen PEN-Club dem in chinesischer Haft sitzenden Verleger Gui Minhai den Tucholsky-Preis verliehen hatte. Chinas Botschafter in Stockholm kommentierte das mit dem Satz: »Unseren Freunden kredenzen wir guten Wein, aber für unsere Feinde haben wir Schrotflinten.« Er drohte Stockholm mit Konsequenzen; der Verleger Gui wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Im Frühjahr 2020 kam es an der unmarkierten Himalaja-Grenze zu Schlägereien zwischen chinesischen und indischen Truppen, im Juni starben bei Auseinandersetzungen mindestens 20 indische Soldaten.

Als die australische Regierung eine unabhängige Untersuchung zum Ursprung der Coronakrise forderte, untersagte Peking binnen Tagen die Einfuhr von australischem Rindfleisch und belegte Gerste und Wein aus dem Land mit hohen Strafzöllen. Kohleschiffe blieben auf Reede liegen; im Dezember stellte Peking den Import australischer Kohle ein.

Drittens – und wohl entscheidend: die Insubordination, die sich Jack Ma erlaubt hatte. Mit seiner Rede in Shanghai hatte er die politische Führung herausgefordert. Staatschef Xi Jinping soll Berichte über Mas Rede gelesen haben und »wütend« geworden sein. Er habe angewiesen, Ermittlungen zu eröffnen und den Börsengang der Ant Group zu stoppen. Kurz nach Xis Amtsantritt 2013 hatte die Kommunistische Partei verkündet, Chinas Wirtschaft zu öffnen, den Einfluss des Staates zu beschränken und den Privatsektor zu stärken. Unternehmer und Investoren in aller Welt waren beglückt. Mit Chinas neuem Führer, so dachten sie, reguliere bald der Markt die Wirtschaft. Sie haben sich getäuscht. In China reguliert die Partei die Wirtschaft, sitzt in vielen Betrieben mit am Tisch, und Xi Jinping regiert die Partei. Widerspruch wird nicht geduldet. Das musste selbst Jack Ma zur Kenntnis nehmen.

Spiegel.de

Manche vergleichen das Verhalten der chinesischen Führung mit dem eines Schlägers, der glaubt, sich mit Gewalt und Einschüchterung Respekt verschaffen zu können. So könnte man beschreiben, wie China derzeit mit Australien umgeht. Mit Handelsbarrieren und Strafzöllen führt Peking dem Land erbarmungslos seine wirtschaftliche Abhängigkeit vom großen chinesischen Markt vor Augen. Hinzu kommt eine Rhetorik, die darauf ausgerichtet ist, Australien zu demütigen.

An Canberra wird ein Exempel statuiert, mit dem Peking allen Verbündeten der Amerikaner deutlich machen will, dass es wirtschaftlich am längeren Hebel sitzt und nicht länger bereit ist, sich von anderen für seine Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong kritisieren zu lassen.

FAZ.net

Kommen wir an dieser Stelle zu den 2012 von der KP Chinas entworfenen zwölf Grundwerten des Sozialismus chinesischer Prägung: Wohlstand, Demokratie, Zivilisiertheit, Harmonie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Vaterlandsliebe, Engagement, Integrität, Freundlichkeit. Dass darunter Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind, ist leider kein Scherz.

Demgegenüber steht das dankenswerterweise geleakte interne Strategiepapier „Dokument Nr. 9“ der Kommunistischen Partei aus 2012, wofür die Veröffentlicherin zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und welches zusammengefasst das Folgende aussagt:

Eine Demokratie nach westlichem Vorbild mit Gewaltenteilung, Mehrparteiensystem, allgemeinen Wahlen und einer unabhängigen Justiz würde den Sozialismus chinesischer Prägung untergraben.

Die Verbreitung universeller Werte wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie könnten das theoretische Fundament der KP China herausfordern und untergraben.

Die Stärkung der Zivilgesellschaft als einem Gegengewicht zum Staat, welche gegenüber diesem die Rechte des Individuums verteidigt, zerstört das Fundament der Partei.

Die Verbreitung des Neoliberalismus untergräbt durch Liberalisierung, Privatisierung und Marktprinzip das ökonomische System Chinas.

Die westliche Vorstellung des Journalismus, Pressefreiheit und ein freies Internet steht dem chinesischen Prinzip der Parteidisziplin entgegen, das verlangt, dass Medien die Auffassung der Partei kommunizieren.

Eine kritische Geschichtsschreibung unterminiert die von der KP festgelegte Interpretation und moralische Bewertung von Ereignissen in der chinesischen Geschichte und der Geschichte der Partei sowie der geschichtlichen Notwendigkeit des chinesischen Sozialismus.

Kritik an der Art der Durchführung der Reform- und Öffnungspolitik und dem Sozialismus chinesischer Prägung, welche das chinesische System als „kapitalistischen Sozialismus“ oder „Staatskapitalismus“ bezeichnet, führt zu Verwirrung und hindert den weiteren Fortschritt.

Kurzum: im Wesentlichen alle sogenannten Grundwerte des Chinesischen Sozialismus werden ad absurdum geführt. Die New York Times sieht im Dokument Nr. 9 „die unverwechselbare Handschrift Xi Jinpings“. So sehen Anspruch und Wirklichkeit in China aus.

Auch in Afrika wütet China bekanntlich im Rohstoffbereich, aber nicht nur dort, sondern auch bereits mitten in Europa. Serbien ist abhängig von China, das mitten in Europa in einer Weise (Umweltverschmutzung, Luftverunreinigung mit Arsen und Schwefel) wirtschaftet, wie man es nur aus China selbst kennt.  Die besondere Rücksichtslosigkeit, mit der China handelt, wird auch im Inland beispielsweise bei dem gigantischen Süd-Nord-Wassertransferprojekt deutlich, mit dem China den trockenen Norden über 1.200 Kilometer lange Kanäle mit Wasser aus dem Süden versorgen möchte. China hat den griechischen Hafen von Piräus gekauft und Griechenland profitiert stark von den Handelsbeziehungen mit China. In der Folge blockierte Griechenland China-Sanktionen, EU-Menschenrechtsratsresolutionen und europäische Gesetzgebung, die sich gegen die Ausweitung chinesischen Einflusses richtete. Als erstes G7-Land will sich Italien an der Neuen Seidenstraße beteiligen. Hieran wird deutlich, dass zweifelhaft ist, ob das 750-Mrd.-Euro-Wiederaufbaupaket für Europa wirklich die europäische Integration stärkt oder ob die mutmaßlichen Hauptleistungsempfänger nicht trotzdem opportunistisch den Türöffner für China spielen, wenn nur das Geld stimmt. Viel dramatischer ist jedoch, dass Europa über viele Jahre und bis heute keine Antwort auf die Neue Seidenstraße zustande gebracht hat. Im Gegenteil vergibt Deutschland ähnlich einer Entwicklungshilfe (aber laut BMZ nicht „als“ Entwicklungshilfe) jährlich Hunderte Millionen Euro Förderkredite nach China, knapp 840 Mio. Dollar in 2019, an die einzige große Volkswirtschaft, die im Coronajahr 2020 weitergewachsen ist, aus dem Deutschland, das voraussichtlich nach der Wahl an der Steuerschraube drehen will, weil angeblich nicht genug Geld beim Staat ankommt.

Xi Jinping pflegt mittlerweile einen Personenkult, der bei einem Rückblick in die Geschichte nichts Gutes erahnen lassen kann. Er herrscht über 2,3 Millionen Soldaten und damit über die personell stärkste Armee der Welt. China ist der zweitgrößte Waffenhersteller, baut mittlerweile Flugzeugträger. China hat die totale digitale Überwachung seines Volkes und ein Sozialkreditpunktesystem institutionalisiert. Ein George Orwell würde noch neue Ideen bekommen können. So denn auch der offizielle Titel: Überragender Führer. „Xi Jinpings Gedankengut über den Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära“ wird in der Schule gelehrt, Mao Reloaded kommentiert die FAZ und nicht nur das, sein Gedankengut hat mittlerweile Verfassungsrang. Die KP Chinas hat 95 Millionen Mitglieder. Die obligatorische kommunistische Jugendorganisation (der Sozialismus fängt immer schon bei den Jüngsten an) hat 75 Millionen Mitglieder, als eine Teilorganisation des allchinesischen Jugendbundes mit 300 Millionen Mitgliedern. Politiker, Beamte und Lehrer müssen die Gedanken Xi Jinpings spielerisch in einer App lernen:

„Liu Yan öffnet einen Text mit dem Titel „Xi Jinping und andere Parteikader besuchen alte Genossen“. Dafür bekommt er einen Punkt. Nun hat er 329. Liu legt das Handy zur Seite. Vier Minuten muss er auf der Seite bleiben, um einen weiteren Punkt zu erhalten. Lesen oder scrollen muss er dafür nicht. 330. Als Nächstes klickt Liu Yan auf ein Video über den Parteikongress vor zwei Jahren, bei dem Xi Jinping endgültig zum mächtigsten Führer seit Mao aufgestiegen war. Dafür gibt es einen Punkt. Das Video fünf Minuten laufen zu lassen gibt einen weiteren. Vorspulen geht nicht. „Sehr gut, wunderbar, bemerkenswert“, schreibt Liu Yan in die Kommentarspalte unter das Video. Wieder ein Punkt. Er kopiert den Kommentar und fügt ihn unter vier weiteren Beiträgen ein. Vier Punkte. Liu tut das nicht nur, um möglichst wenig nachzudenken, sondern auch weil es ihm Genugtuung verschafft, dem System mit Sarkasmus zu begegnen.

FAZ.net

Und es ist nicht lediglich ein kultureller Völkermord im Gange, sondern ein tatsächlicher, demographischer Völkermord und mit der selektiven Geburtenverhinderung der Uiguren wird mindestens eine Fallvariante der UN-Völkermordkonvention erfüllt. Die USA werten das Vorgehen Chinas bei den Uiguren in Xinjiang als Völkermord. Die Briten werten es als Völkermord. Die Kanadier werten es als Völkermord. Die Niederlande werten es als Völkermord. Deutschland? Legt sich außenpolitisch traditionell nicht unnötig fest. Die Absatzmärkte der Autohersteller sind zu wichtig. Dafür erhält China aber einen Platz im UN-Menschenrechtsrat. Das kommt dem Muammar al-Gaddafi-Preis für Menschenrechte unter Tragikomikgesichtspunkten schon recht nahe, oder dem „Aktionsplan für Menschenrechte“ vom türkischen Präsidenten Erdogan. Nach chinesischer Auffassung wurde die über 5.000-jährige chinesische Geschichte „nie von Phasen der Barbarei unterbrochen“.

Wer sich aber je gefragt haben sollte, wie es sein konnte, dass in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts alle zugeschaut haben und nichts gewusst haben wollen: hier ist live zu sehen, wie es abläuft. Kocht das Wasser langsam hoch, springt der Frosch nicht aus dem Topf. Aber auch der Aktionär bleibt hieran nicht unbeteiligt. So gab etwa Alibaba zu, Gesichtserkennungstechnologie zur Erkennung von Uiguren geliefert zu haben. Zwangsarbeit, Zwangssterilisationen, Massenvergewaltigungen, Zwangsabtreibungen, über eine Million politische Gefangene in Arbeitslagern. Die über 5.000-jährige chinesische Geschichte wird offenbar derzeit eher doch von einer Phase der Barbarei unterbrochen.

Es bleibt aber nicht bei dem Völkermord an den Uiguren. Ein kultureller Völkermord wird durch die Auslöschung der mongolischen Sprache in der Inneren Mongolei durchgeführt. China hat das Lehren der mongolischen Sprache in den Schulden abgeschafft. Schulbücher wurden ausgetauscht, der Schulunterricht findet auf Chinesisch statt. In der Theorie verfügen mehrere Landesteile, die fast der Hälfte von Chinas Landfläche entsprechen, darunter Tibet, Xinjiang und die Innere Mongolei, über den Autonomiestatus. In der Realität werden die dort lebenden kulturellen Minderheiten aber von der Zentralregierung in Peking rücksichtslos assimiliert. Ein China.

Nationalismus, „Wiedergeburt der chinesischen Nation“, der „chinesische Traum“, mit der weltweit stärksten Armee. „Ein China“ heißt nichts anderes als ein Zwang zur Konformität. Hong Kong musste dies lernen, die Uiguren mussten dies lernen, Tibet musste dies lernen und Taiwan wird es aller Voraussicht noch lernen müssen. Wer mit dem Nationalismus zündelt, kann am Ende aber möglicherweise daran scheitern, den Brand zu löschen.

„Wir müssen der patriotischen Unterweisung junger Menschen mehr Aufmerksamkeit schenken und die Idee der Chinaliebe im Herz jedes Kindes verankern“

Xi Jinping, September 2019, zdf.de

Im ganzen Land schwelen nationalistische Tendenzen und Xi Jinping wird wissen, dass vergangene Regierungen bereits darüber gestolpert sind, dass sie sich gegenüber ausländischen Einflüssen als nicht stark genug erwiesen haben. Aus dem Vielvölkerstaat China mit seinen 55 anerkannten Ethnien wird aber wahrscheinlich aus politischer Notwendigkeit perspektivisch ein ethnisch homogener Staat, da viele Völker politische Instabilität begünstigen und China nicht enden möchte wie die zerfallene Sowjetunion mit ihren autonomen Teilrepubliken.

Es stellt sich natürlich die Frage, was in einem Orwell’schen High-Tech-Überwachungsstaat eigentlich passiert, falls nun doch mal jemand in Regierungsverantwortung kommt, der eben damit nicht umgehen kann? Der über die weltweit stärkste Armee verfügt und sie möglicherweise auch einsetzen möchte? Ein chinesisches Sprichwort sagt „Wer den Tiger reitet, kann schwer absteigen.

US-Behörden haben Hinweise auf Zwangsarbeit, Versklavung durch Verschuldung, Einbehaltung von Löhnen, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Einschüchterung, Bedrohung sowie Missbrauch in Unterkünften und an Arbeitsplätzen von Arbeitern in der chinesischen Region Xinjiang aufgedeckt. Importeure von Waren aus China müssen sicherstellen, dass sie keine Waren erwerben, die durch Zwangsarbeit entstanden sind.

news.guidants.com vom 14.01.2021

Die Ausführung über Barbarei abschließend wäre hier nun ein in Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ zitierter Satz von Hitler passend: „Nationalsozialismus und Marxismus sind im Grunde dasselbe.“ Wir gehören ja nun leider zu der homöopathischen Gruppe von Internetnutzern, die Zitate noch nachprüfen, anstatt sie einfach als wahr zu übernehmen, nur weil sie ja im Internet stehen. Hayek selbst muss das Zitat selbst aus einer unzuverlässigen Sekundärquelle übernommen haben, denn schaut man sich die Herkunft einmal näher an, so wird klar, dass dieser Satz nie gesagt wurde. Das macht uns nun leider den Kapitalabschluss kaputt, denn es hätte durchaus gut gepasst.

In China investieren?

Im Hinblick auf Aktieninvestitionen stellt sich nun die Frage, inwieweit in einem vorgeblich den Sozialismus anstrebenden Land Eigentum überhaupt gewährt wird. In diesem Zusammenhang taucht oft der Begriff VIE für variable interest entity auf. Der Terminus kommt aus dem US-amerikanischen Bilanzrecht und beschreibt grundsätzlich eine Unternehmensstruktur, bei dessen rechtlichem Eigenkapitalgeber und damit Eigentümer der wirtschaftliche Gesellschaftsanteil signifikant abweicht. Beispiele dafür sind etwa Gesellschaften mit einem Mehrheitsgesellschafter, der sämtliche Rechte und Pflichten aus seinem Anteil an eine andere Person abgetreten hat.

In dieser Weise werden nun die bekannten chinesischen Aktiengesellschaften wie Alibaba, Pinduoduo, Baidu, JD.com oder wie zuletzt Didi Global strukturiert. Hintergrund ist, dass viele chinesische Wirtschaftsbereiche von Auslandsbesitz ausgeschlossen werden. Deshalb haben sich Umgehungsgestaltungen etabliert. Dabei wird die operative chinesische Gesellschaft (die VIE) von chinesischen Gesellschaftern gehalten. Ausländische Investoren investieren in eine vorzugsweise auf den Kaimaninseln domizilierte Gesellschaftshülle, die börsennotiert wird. Die Kaiman-Gesellschaft investiert direkt oder indirekt über weitere zwischengeschaltete Zweckgesellschaften (bspw. in Hong Kong) in eine sogenannte WFOE, eine chinesische Gesellschaft in vollständigem Auslandsbesitz. Diese WFOE, die nach herkömmlichem westlichen Gesellschaftsrechtsverständnis in keiner Weise gesellschaftsrechtlich mit der operativen chinesischen Firma verbunden ist und deshalb rein gesellschaftsrechtlich keinerlei Rechte und Pflichten ausüben kann, schließt nun eine Reihe von Verträgen mit der VIE.

  • Das Geld der ausländischen Investoren wird über einen Darlehensvertrag von den Kaimaninseln an die WFOE weitergereicht.
  • Diese wiederum gibt das Geld zur Kapitalisierung der VIE an die rechtlichen Eigentümer der VIE, also der operativen chinesischen Gesellschaft, und lässt sich als Darlehenssicherheit die Anteile an der VIE verpfänden.
  • Ergänzt wird das Darlehen durch eine exklusive Kaufoption der WFOE für die Anteile an der VIE. In Kombination mit der Anteilsverpfändung wird dadurch – zumindest nach den amerikanischen Rechnungslegungsregeln – eine wirtschaftliche Eigentümerstellung erreicht, die dazu führt, dass das Unternehmen von der börsennotierten Kaiman-Gesellschaft vollkonsolidiert werden kann. Außerdem können die rechtlichen Eigentümer der VIE gegenüber den chinesischen Behörden belegen, dass das Eigentum nicht in ausländische Hand liegt.
  • Gleichzeitig wird ein Managementvertrag zwischen WFOE und VIE abgeschlossen, wonach WFOE an VIE Beratungs- und Verwaltungsdienstleistungen erbringt und dafür eine Vergütung in Höhe des Jahresgewinns erhält.

Im Ergebnis gibt es zwei Gesellschafterstränge: einen, der bei den ausländischen Investoren beginnt, über die Kaimaninseln (oder äquivalente Standorte) geht und bei der chinesischen WFOE endet und zum anderen die chinesische VIE, die rechtlich in chinesischer Hand ist. Die Verbindung zwischen den beiden Gesellschaftssträngen wird über die oben genannten Verträge hergestellt.

Man muss nicht viel Fantasie aufbringen, um sich vorstellen zu können, wie brüchig dieses Konstrukt ist. Am unproblematischsten ist dabei noch, dass für eine vermeintliche Service-Leistung der wohl im wesentlichen leeren WFOE eine Vergütung in Höhe des Jahresgewinns genommen wird. Problematischer wird, dass hiermit natürlich offensichtlich versucht wird, eine nicht legale Gestaltung (verbotener Auslandsbesitz) zu legalisieren. Und dramatisch wird es dann, wenn eine Durchsetzung von Gesellschafterinteressen mal akut werden sollte. Denn zwar hat die WFOE eine Kaufoption für die Anteile an der VIE. Dennoch darf sie diese Anteile nach chinesischem Recht aber nicht erwerben. Die Kaufoption ist folglich wertlos. Auch die Verpfändung der Gesellschaftsanteile als Kreditsicherheit ist folglich wertlos, da rechtlich nicht durchsetzbar.

Dazu kommen die ganz praktischen Risiken, wenn der chinesische Anteilseigner „es sich einfach anders überlegt“ (https://www.chinaaccountingblog.com/weblog/2019-03-vie-gillis.pdf, S. 6 und 7), zum chinesischen Geschäftsgebaren sei auch die Netflix-Doku The China Hustle empfohlen, aber auch ein Verweis auf das in China verbreitete Guanxi-System aus persönlichen Gefälligkeiten und Korruption. Ganz zu schweigen natürlich von der chinesischen Führung und den Regulatoren, die von heute auf morgen die Regeln ändern können.

Neuerdings gehen Xi Jinping die Folgen marktwirtschaftlicher Entfaltung zu weit. Reichtum soll umverteilt werden, damit alle Chinesen gemeinsam reich werden können (dazu unten noch mehr). Um sich die Gnade der KP zu erkaufen, „spendete“ Tencent 13 Milliarden US-Dollar – Aktionärsgeld, und fast ein ganzer Jahresgewinn. Alibaba spendet sogar fast 16 Milliarden. Ganz ehrlich: bei solch einem mafiösen Geschäftsumfeld, bei dem man Geld abdrückt – wenig freiwillig -, um Schutz zu erkaufen, kann man Investitionen in chinesische Unternehmen gleich sein lassen. Auch die „Spende“ im Sozialismus ist natürlich nicht gänzlich ohne historisches Vorbild. Online-Spiele sind politisch nicht mehr opportun, es gibt eine zeitliche Begrenzung für Online-Gaming und unter 18 darf man unter der Woche nicht spielen. Fraglich, ob Brot und Spiele als Regierungspolitik weiter funktioniert, wenn man die Spiele wegnimmt.

Der potenziell weltgrößte Börsengang von Ant Financial wurde kurz vorher gekippt, Jack Ma war monatelang verschwunden. Vier Tage nach dem Börsengang von Didi Global drohte China mit der Verhängung eines Bußgelds wegen angeblichen Datenschutzverstößen beinahe in Höhe des Emissionserlöses. Lange gehypte Bildungsunternehmen verloren bis zu 90 % ihres Wertes, nachdem die Gewinnorientierung gekippt werden sollte. Bloomberg meldete vorgestern, dass nun auch Online-Gaming-Anbieter wie Tencent dazu gedrängt werden, in diesem Bereich die Profitorientierung aufzugeben.

Er habe angewiesen, Ermittlungen zu eröffnen und den Börsengang der Ant Group zu stoppen. Kurz nach Xis Amtsantritt 2013 hatte die Kommunistische Partei verkündet, Chinas Wirtschaft zu öffnen, den Einfluss des Staates zu beschränken und den Privatsektor zu stärken. Unternehmer und Investoren in aller Welt waren beglückt. Mit Chinas neuem Führer, so dachten sie, reguliere bald der Markt die Wirtschaft. Sie haben sich getäuscht. In China reguliert die Partei die Wirtschaft, sitzt in vielen Betrieben mit am Tisch, und Xi Jinping regiert die Partei. Widerspruch wird wicht geduldet. Das musste selbst Jack Ma zur Kenntnis nehmen.

Spiegel.de

Wir müssen verstehen, dass chinesische Grosskonzerne wie Huawei, Alibaba oder China National Petroleum allesamt profitorientierte Organisationen sind, die von Peking nur solange als unabhängige, «private» Unternehmen toleriert werden, wie sie den Bedürfnissen des chinesischen Staats dienen – Bedürfnisse, die zunehmend eine globale Dimension annehmen.

Mit dem Versuch, diese Realität zu ändern, haben sich die amerikanischen Verhandlungsführer im Konflikt mit China komplett deklassiert: Sie verstehen nicht, mit was sie es zu tun haben.

The Market, NZZ

Im Ergebnis ist jede Investition in eine börsennotierte Kaiman-Gesellschaft, die nur den Namen der chinesischen Gesellschaft gemein hat, eine Wette darauf, dass China das Treiben überhaupt gewähren lässt. Man sollte sich aber von dem Gedanken verabschieden, dass man mit einer Investition in eine chinesische Aktie eine chinesische Aktie kauft. Kurzum: niemand in der westlichen Hemisphäre, der bei klarem Verstand ist und eine gewisse finanzielle Vorbildung hat, würde in eine solche Konstruktion investieren, in der der Geldgeber im Wesentlichen keine Sicherheiten hat, in einem dermaßen unsicheren politischen Umfeld. Dennoch werden auf diesem Weg Milliarden nach China transferiert, ohne dass man die üblichen einklagbaren Gesellschaftsrechte hätte.

Weitere lesenswerte Quellen zur VIE:
https://www.cii.org/files/publications/misc/12_07_17%20Chinese%20Companies%20and%20the%20VIE%20Structure.pdf
https://www.chinaaccountingblog.com/weblog/2019-03-vie-gillis.pdf
https://www.nber.org/system/files/working_papers/w26855/revisions/w26855.rev0.pdf
https://asia.nikkei.com/Business/Markets/Crackdown-on-US-listings-Will-China-close-1.6tn-VIE-loophole

Wie hoch ist aber das Risiko, dass China hier tatsächlich aktiv wird und gegen die Umgehung des Auslandsbesitzverbots chinesischer Gesellschaft vorgeht? Im kleinen Maßstab, also im Einzelfall sicherlich immer groß. Ob man den großen Move gegen VIE-Strukturen insgesamt gehen wird, würden wir aus heutiger Sicht aber infrage stellen. Denn China betreibt mit allem Machtpolitik und Geopolitik, spielt also Schach – und will gewinnen. China profitiert eher davon, viele starke Figuren auf dem Feld zu haben und geschickt zu positionieren, als dem Gegner die Figuren wegzunehmen und sich damit möglicherweise angreifbar zu machen.

China hätte also ein Interesse daran, immer mehr Anlegergelder anzuziehen (während die Unternehmensprofite aber gleichzeitig aus China abfließen). Zum einen, weil dadurch schlicht Geld (harte Devisen) ins Land kommt. Zum anderen wird durch die Erhöhung des Geldeinsatzes durch ausländische Investoren aber auch eine Bindungswirkung erreicht, durch die die Investoren faktisch erpressbar werden oder zumindest „zu Zugeständnissen bereit“, nach chinesischer Lesart. Wie bei dem oben genannten Tencent-Beispiel.

Einfluss durch Abhängigkeit lautet das immer wieder aufzufindende Grundmuster in Chinas Geostrategie, wie auch im inneren, wenn statt Eigentumsrechte nur (jederzeit widerrufbare) Nutzungsrechte gewährt werden.

Das andere Grundmuster lautet: China gewinnt immer.

Ideologie und Eigentum

Das ist aber nur der eine Aspekt bei einer Investition in China, nämlich der rechtliche, rein tatsächliche Aspekt. Der andere ist der ideologische Aspekt, das heißt, die höhere Ebene, auf die letztlich alles zurückzuführen ist. Zwar nahm Marx für sich in Anspruch, ein induktiv errichtetes Theoriegebäude erstellt zu haben, alle Marx-Epigonen leiten ihr Handeln aber deduktiv aus „dem“ Marxismus bzw. Marxismus-Leninismus ab.

Mit der Machtübernahme Mao Tse-Tungs 1949 wurde die Volksrepublik Chinas ausgerufen, die – unter Bezugnahme auf den Marxismus-Leninismus – eine tiefgreifende gesellschaftliche Umgestaltung mit dem Ziel des Kommunismus anstrebt, Artikel 1 und 24 der Verfassung Chinas. Es sei in Erinnerung gerufen, dass nach der klassischen Marxschen Lehre der Kapitalismus an seinen inneren Widersprüchen zugrunde geht und der Sozialismus unter der Diktatur des Proletariats die Vorstufe zum Kommunismus als klassenloser Gesellschaft mit den Produktionsmitteln in Gemeinschaftseigentum bilden soll.

Artikel 1 der chinesischen Verfassung sagt:

Die Volksrepublik China ist ein sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht.

Zwar taucht der Begriff Kommunismus in der chinesischen Verfassungtatsächlich äußerst sparsam auf; welches andere Ziel aber sollte eine „Kommunistische Partei“ haben, als den Kommunismus?

Die maoistischen Kampagnen der Kommunistischen Partei Chinas forderten bekanntlich etwa 70 Millionen Todesopfer und brachten damit das Kunststück fertig, mindestens so verheerend zu sein wie der Nationalsozialismus. Seit 1984 wird nun versucht, den „Sozialismus chinesischer Prägung“ aufzubauen, der unter anderem die Entwicklung einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ und einer „sozialistischen Demokratie“ enthält. Kurioserweise erfordert der Sozialismus nach Marx‘ historischem Materialismus erst den vorangegangenen Kapitalismus, um die Produktionsgrundlagen einer „sozialistischen“ Gesellschaft zu schaffen. Lenin war hier anderer Ansicht, weshalb man sich bei chinesischer Berufung auf den Marxismus-Leninismus schon fragen muss, ob man nicht auf ein Oxymoron Bezug nimmt – das sich aber auch schon bei „sozialistischer Marktwirtschaft“ und „sozialistischer Demokratie“ unmittelbar aufdrängt.

Die vom modernen Sozialismus erstrebte Umwälzung ist, kurz ausgedrückt, der Sieg des Proletariats über die Bourgeoisie und die Neuorganisation der Gesellschaft durch Vernichtung aller Klassenunterschiede. Dazu gehört nicht nur ein Proletariat, das diese Umwälzung durchführt, sondern auch eine Bourgeoisie, in deren Händen sich die gesellschaftlichen Produktionskräfte soweit entwickelt haben, daß sie die endgültige Vernichtung der Klassenunterschiede gestatten. Auch bei Wilden und Halbwilden bestehn häufig keine Klassenunterschiede, und jedes Volk hat einen solchen Zustand durchgemacht. Ihn wiederherzustellen, kann uns schon deswegen nicht einfallen, weil aus ihm, mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte, die Klassenunterschiede notwendig hervorgehn. Erst auf einem gewissen, für unsere Zeitverhältnisse sogar sehr hohen Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Produktivkräfte wird es möglich, die Produktion so hoch zu steigern, daß die Abschaffung der Klassenunterschiede ein wirklicher Fortschritt, daß sie von Dauer sein kann, ohne einen Stillstand oder gar Rückgang in der gesellschaftlichen Produktionsweise herbeizuführen. Diesen Entwicklungsgrad haben die Produktivkräfte aber erst erhalten in den Händen der Bourgeoisie. Die Bourgeoisie ist demnach auch nach dieser Seite hin eine ebenso notwendige Vorbedingung der sozialistischen Revolution wie das Proletariat selbst. Ein Mann also, der sagen kann, daß diese Revolution in einem Lande leichter durchzuführen sei, weil dasselbe zwar kein Proletariat, aber auch keine Bourgeoisie besitze, beweist damit nur, daß er vom Sozialismus noch das Abc zu lernen hat.

Friedrich Engels, Soziales aus Rußland

Bis heute gibt es nirgends auf der Welt einen Sozialismus, den man als demokratisch bezeichnen könnte. Mehr Klarheit für die äußere westliche Perspektive auf China liefern die reinen Schlagworte also jedenfalls nicht. Xi Jinping hält Marx jedoch für „den größten Denker der menschlichen Geschichte„. Auch hier kann man aus westlicher Perspektive geteilter Meinung sein.

„Es ist völlig richtig, dass die Geschichte und das Volk den Marxismus gewählt haben. Es ist völlig richtig, dass die KP Chinas das Banner des Marxismus hochhält. Es ist völlig richtig, an einer Verbindung zwischen den grundlegenden Prinzipien des Marxismus und der Realität in China festzuhalten und eine Integration des Marxismus in Chinas Gegebenheiten im neuen Zeitalter zu fördern. Es ist ein Trost für Karl Marx, dass der Marxismus China erfolgreich auf den glorreichen Weg zum Aufbau eines sozialistischen, modernisierten und starken Staates geführt hat. Als treue Gläubige und feste Praktiker des Marxismus bemühen sich chinesische Kommunisten unerschütterlich um die Fortsetzung und Entwicklung des Marxismus.“

Xi Jinping zum 200. Geburtstag von Karl Marx

Generalkonsulat Chinas in Düsseldorf

Niemand sollte sich in China bezüglich Eigentums und fundamentalen Rechten etwas vormachen: ein privatnütziges Eigentum nach westlichem Maßstab wird es in China unter der Führung der KP nicht geben; es ist offen, ob es eine Gemeinnützigkeit geben wird; allein klar ist, dass der Staat in Form der Kommunistischen Partei profitieren wird. Unter diesen Bedingungen seriöse Investitionen zu tätigen ist wie Lotto spielen. Zwar steht mittlerweile eine Privateigentumsgarantie in der chinesischen Verfassung. Allerdings ist doch fraglich, wie Privateigentum in einer „sozialistischen“ Gesellschaft anders ausgestaltet sein soll als de facto Nichtprivateigentum. Ausgeschlossen erscheint uns, dass exzessive Aktiengewinne wie im Westen dauerhaft privat bleiben können. Dann ist aber ja fraglich, warum man chinesischen Aktien überhaupt kaufen sollte, zumal es in der nichttotalitären Sphäre ein reichhaltiges Angebot gibt.

Eher unbekannt dürfte auch sein, dass in China Grund und Boden generell dem Staat gehören. Es gibt also kein Individualeigentum an Grundvermögen. Privatpersonen und Firmen können sich vom Staat lediglich ein bis zu 70 Jahre laufendes Nutzungsrecht einräumen lassen. Zwar kann das Haus auf dem Grund tatsächlich gekauft werden; was aber ist ein Haus wert, wenn einem der zugehörige Grund und Boden nicht gehört? Vielmehr gibt es in China also eine Art Langfristmietvertragskauf und Erbbaurechtskauf. Ebenso vergibt der Staat für eine Reihe privatwirtschaftlicher Betätigungen Konzessionen, also Betriebserlaubnisse, die ebenfalls auf eher undurchsichtige Weise entziehbar sind – was bereits auch alles historisch evident ist.

Die Beispiele dafür sind zahlreich: Von Mittelgrossen Banken wie China Minsheng Banking und Shanghai Pudong Development Bank sowie privaten Fluggesellschaften wie Hainan Airlines und Spring Airlines über Zahlungsdienstleister wie Alipay von Ant Financial und WeChat Pay von Tencent bis hin zu Retail-Konglomeraten wie Beijing Jingkelong und Logistikkonzernen wie SF Holding: Sie alle wirtschaften mit limitierten Lizenzen, die de facto provisorisch vergebenen Konzessionen vom Staat an private Vertreiber entsprechen.

Diverse Unternehmen, die zuvor als vollkommen privat erachtet worden waren, sind derweil von den Regierungsbehörden ohne ein ordentliches Rechtsverfahren verstümmelt worden. Beispiele sind die Assekuranzgruppe Anbang Life Insurance, das in Hainan domizilierte Konglomerat HNA oder der Immobilienentwickler Dalian Wanda. Der Staat vergab ihre Assets an andere Unternehmen, ohne dass es zu einer öffentlichen Auktion kam.

The Market, NZZ

Neuerdings wird von Xi Jinping generell mehr Wert auf den „gemeinsamen Wohlstand“ gelegt.

„Wir können einigen Menschen erlauben, zuerst reich zu werden, die dann andere anleiten und ihnen helfen, um gemeinsam reich zu werden“, lautet einer der Schlüsselsätze von Staats- und Parteichef Xi Jinping. „Gemeinsam reich werden“, der „gemeinsame Wohlstand“, auf Chinesisch „gongtong fuyu“, darum geht es und auch um die Macht der chinesischen Digitalkonzerne, die die Führung in Peking seit Monaten zurechtstutzt. Der Begriff des gemeinsamen Wohlstands ist beinahe so alt wie die Kommunistische Partei selbst, bereits in den Fünfzigerjahren sprach Staatsgründer Mao Zedong davon. Nach dem Ende der Kulturrevolution verwendete Reformpatriarch Deng Xiaoping die Formulierung, als er Chinas Wirtschaft öffnete und die ersten privaten Unternehmen entstanden. Auch Xi Jinping redet immer und immer wieder vom gemeinsamen Wohlstand – in den ersten acht Jahren seiner Amtszeit noch sporadisch, inzwischen aber regelmäßig. Alleine in diesem Jahr haben Parteistatistiker „gongtong fuyu“ mindestens 65 Mal in seinen Reden ausgemacht.

Süddeutsche.de 

Das verwundert nicht, hat China doch aufgrund der von außen eher raubtierkapitalistisch anmutenden Wirtschaft eine der höchsten Vermögensungleichheiten der Welt: ein Gini-Koeffizient von 0,61 und damit über der Schwelle, die revolutionäres Potenzial indiziert. Das Ergebnis eines gemeinsamen Wohlstands im Sinne Xi Jinpings kann aber kein anderes sein, als dass alle ungefähr gleich viel haben, was letztendlich bedeutet, dass alle gleich wenig haben. Klassischer Sozialismus eben.

„Das dem Kapitalismus innewohnende Laster ist die ungleiche Verteilung des Segens. Die dem Sozialismus innewohnende Tugend ist die gleichmäßige Verteilung des Elends.“ – Winston Churchill

Im Ergebnis ist jede Investition in eine börsennotierte Kaimaninseln-Gesellschaft, die nur den Namen mit einem chinesischen Unternehmen gemein hat, eine Wette darauf, dass China das Treiben gewähren lässt. Man sollte sich aber von dem Gedanken verabschieden, dass man mit einer Investition in eine chinesische Aktie eine chinesische Aktie kauft. Des Weiteren erscheint es völlig abwegig, in Unternehmensanteile unter einem System zu investieren, das glaubhaft qua Verfassung und qua Parteinamen die Vergesellschaftung der Produktionsmittel – Arbeit, Kapital, Boden; nichts anderes heißt Sozialismus bzw. Marxismus – anstrebt und damit zwangsläufig aus systemischen Gründen langfristig kein individuelles Eigentum an Unternehmen gewähren kann.

Das Volkseigentum ist schließlich aus unserer Sicht in den westlichen Systemen wesentlich besser umgesetzt, denn nichts anderes sind Aktien natürlich: das Volk kann sich jederzeit – oder auch ausdrücklich nicht – an öffentlich gehandelten Unternehmen beteiligen und die Eigentumsrechte ausüben. Der einzige Haken ist, dass nicht sämtliche Firmen börsennotiert sind.

Es mag also sein, dass China Auslandsaktionäre in Zukunft tatsächlich nicht in der einen oder anderen Art und Weise enteignet. Der Marxismus müsste dafür „weiterentwickelt“ werden, wie es in der Funktionärssprache heißt, wenn das Theoriegebäude nicht zur Praxis passen will. Wie auch immer: eine solide Investitionsbasis ist das nicht.

Eine Investition in China kann es folglich im eigentlichen Sinne aufgrund der erheblichen Risiken gar nicht geben; eine „Investition“ in China ist de facto immer lediglich eine Spekulation in China. Investoren sollten angesichts des unprognostizierbaren Auftretens der KP Chinas sowie des völlig unzureichend abgesicherten Rechtssystems einen großen Bogen um chinesische Aktien machen.

Epilog

Klar ist, dass wir im Rahmen dieses Artikels bestenfalls punktuell an der Oberfläche kratzen können, damit der Artikel auch mal zu einem Ende kommt. Klar ist, dass China das große Thema im 21. Jahrhundert wird. Klar ist, dass wir in diesem Artikel nur eine Auffassung unter verschiedenen möglichen vertreten und keinen Absolutheitsanspruch an unsere Ausführungen stellen. China ist etwas, das man permanent aufs Neue erst beobachten, dann erkennen und schließlich erlernen muss.

Das aus westlicher Perspektive Verstörende an China ist letztlich die produzierte Unsicherheit darüber, wie die zukünftige Zusammenarbeit der Weltregionen ablaufen wird, wie die zukünftigen Machtverhältnisse verteilt sein werden. Unsicherheit mag niemand und da China nicht ausdrücklich deeskaliert, muss die Möglichkeit der jederzeitigen Eskalation in Betracht gezogen werden.

Aus westlicher Perspektive hegt man insgeheim immer die Erwartung des Wandels durch Handel. Bei China geht das nicht auf. China kann aufgrund seiner wirtschaftlichen Gravitationskraft die Regeln selbst setzen und muss sich nicht assimilieren. Dabei kann aus dem eigenen Volk niemand ausscheren, denn die digitalen Grenzen sind dicht. So kann es keine Revolution von unten geben. Das Tiananmen-Massaker und Hong Kong zeigen, dass es keine Veränderung hin zu westlichen Maßstäben gibt und geben wird. Im Gegenteil wird die Diktatur gefestigt, alles Normabweichende wird dem Erdboden gleichgemacht.

Alles in allem leben wir im 21. Jahrhundert wieder in einem Wettbewerb der Systeme und erst die Zeit wird zeigen, welches letztlich gewinnt. 2022 wird Xi Jinping zur Wiederwahl antreten, aber es dürfte klar sein, dass sich nichts ändern wird.

Wer in China investiert, muss sich selbst auch die Frage stellen, bis zu welchem Zeitpunkt er in Unternehmen im Deutschland der dreißiger Jahre investiert hätte. Wie groß sind die verbleibenden Unterschiede des nationalistischen Sozialismus im Unrechtsstaat China noch zum Nationalsozialismus? Wie viel kann man wissen? Wie viel kann man ignorieren? Welche Verantwortung haben Aktionäre? Welchen Einfluss haben Aktionäre, die rein rechtlich lediglich vertraglich verbundene Geldgeber mit Gewinnbezugsrecht sind?

Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Das Klischee vom lediglich kopierenden, fotografierenden, uneigenständigen Chinesen ist lange passé und es geht nicht mehr darum, ob, sondern nur noch darum, wie stark China die Welt verändern wird.

Wir haben für uns entschieden, dass wir uns an Investments in China nicht mehr beteiligen möchten. China-Investitionen betrachten wir als zwar an sich gebotene, aber unter den gegenwärtigen Umständen vollkommen unseriöse Hasardeurspiele. Alle chinesischen Aktien sind bei uns rausgeflogen, dies waren aber bisher schon nicht viele. Wir schauen stattdessen auf die aufstrebenden Staaten Südostasiens und Indien und haben uns entsprechend mit ersten Positionen beispielsweise an der SEA Ltd. und Reliance Industries beteiligt.

China ist kontrovers und wir haben uns bisher an der ziemlich unreflektierten Positionierung dazu in Anlegerkreisen gestört. Wie siehst Du China? Schreib uns gern im Kommentarbereich!

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5 Gedanken zu „Der China-Crackdown“

  1. Hallo,
    toller Artikel. Hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Ich finde es toll, dass ihr euch so klar positioniert und das so fundiert begründet. Sieht nach viel Arbeit aus.
    Ich nehme an, dass diese wackelige Konstruktion von China Investments auch die Anlage in Etfs betrifft. Ich denke vielen ist das wahrscheinlich gar nicht bewusst, was sie sich da einkaufen.
    Mich hat hier allerdings mehr der Kontext und die moralischen Aspekte interessiert. Das kommt mir oft in den Diskussionen um gute Anlagestrategien einfach zu kurz.
    Merci

  2. Interessant wäre noch ein Folgeartikel zu den in Hong Kong gelisteten China-Aktien (z.B. JD.com A-Aktie).

    Ist das dasselbe Konstrukt? Oder gibt es hier Unterschiede?

    1. @Gaga, diese Hongkonger KYG Briefkastenbuden SIND diese Konstruktion … Die in den USA gelisteten ADS/ADR verbriefen dann diese KYG Konstrukte mfg

    2. Toller Artikel. Hat das ungute Gefühl zu Chinaaktien mit viel Hintergrundwissen untermauert.
      Ich frage mich ob unsere Politiker solche Analysen bekommen und vielleicht auch mal Konsequenzen daraus ziehen?

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