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Deutschland ist OECD-Steuerweltmeister – Die 8 unglaublichsten Steuerfrechheiten!

AUUUS! AUUUUS! Das Spiel ist auuuuus! Deutschland ist Weltmeister, schlägt Ungarn mit 3 zu 2 Toren im Finale in Bern. Zeitsprung. Wir sind im Jahr 2021. Deutschland ist wieder Weltmeister. Doch schon länger nicht mehr im Fußball, dafür in einem anderen Fachgebiet: Steuern & Sozialabgaben.

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Ein durchschnittlich verdienender Single musste in Deutschland nach der OECD-Studie „Taxing Wages“ im Jahr 2020 knapp 39 % Steuern und Sozialabgaben abführen. Damit lag er über 56 % über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Rechnet man aber richtigerweise die Arbeitgeberbeiträge als Abgaben vom Einkommen (dem Arbeitgeber ist es ja egal wie er das bezeichnet, was er für den Arbeitnehmer aufwenden muss – weg ist weg), so kommt man auf eine reale Belastung vom richtig berechneten Bruttoeinkommen von 49 %. Einzuräumen ist, dass in der OECD-Berechnung der Grundfreibetrag nicht enthalten ist, weil isoliert die Besteuerung von Arbeit und nicht die Besteuerung natürlicher Personen insgesamt betrachtet wurde. D.h. im Ergebnis sind die vorgenannten Belastungssätze tatsächlich etwas niedriger. Dennoch lässt sich der Schluss ziehen, dass ein Doppelverdiener-Ehepaar mit Kindern im Durchschnittseinkommensbereich in Deutschland Grenzbelastungssätzen von bis zu 60 % pro mehr verdientem Euro unterliegen. 

Bekanntlich treten wir hier auf dem Atypisch Still Blog mit einem gänzlich ungewöhnlichen Konzept an. Zum einen erhöhen wir unsere Kapitalerträge durch eine rahmenkreditgedeckte Wertpapierkreditfinanzierung, zum anderen reduzieren wir unsere Kosten dramatisch, indem wir nicht die exorbitant teuren deutschen Broker nutzen, sondern moderne Massenbroker wie Degiro und zum dritten sparen wir mit unserem Sparschwein-UG-Konzept auch an der Steuerbelastung, sodass wir mittlerweile gegenüber einem Privatanleger bei einer deutlich fünfstelligen latenten Steuerersparnis bei einer fiktiven Glattstellung des Portfolios liegen. Wir tun also aktiv etwas gegen die fortgesetzte gesetzgeberische Diskriminierung von Kapitalanlegern – und das steht jedem frei. 

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Es gab sogar Zeiten unter einem SPD-Kanzler, in denen das erklärte politische Ziel war, „breitere Bevölkerungskreise insbesondere zum Erwerb von Aktien und damit zur Beteiligung am Produktivvermögen der Wirtschaft anzuregen.“ Diese Zeiten sind lange vorbei. Stattdessen wird heutzutage mobilgemacht gegen das obere Einkommenszehntel, das 55 % des Einkommensteueraufkommens bezahlt. Die untere Hälfte (!) der Bevölkerung trägt dagegen lediglich noch 11 % bei. Kurzum: untere und mittlere Einkommen kann man kaum noch stärker entlasten, die oberen 10 % kaum noch stärker belasten. Dennoch treten nach den bislang veröffentlichten Wahlprogrammen sowohl die Grünen wie auch die SPD an mit dem Thema „Steuergerechtigkeit“.

Anders als man vermuten würde, ist Steuergerechtigkeit nicht bloß ein politisches Schlagwort, sondern ein verfassungsrechtlich gebotener Grundsatz der Steuergesetzgebung, der sich – wie so oft – aus dem grundgesetzlichen Gleichheitssatz ergibt. Während nun die Grünen lediglich „Mehr Steuergerechtigkeit schaffen“ wollen, tritt die SPD gar damit an, „der Steuergerechtigkeit Geltung [zu] verschaffen„. Formulierungen, bei denen man meinen könnte, es gäbe bislang keine Steuergerechtigkeit. Als gälte die Steuergerechtigkeit derzeit gar nicht, obwohl in der Hälfte der Merkel-Kabinette SPD-Finanzminister alle Zeit und Gelegenheit hatten, dies ggfs. zu ändern. Wir tun dies deshalb mal als populistischen Blödsinn ab. Im Folgenden wollen wir stattdessen darstellen, wo die Steuergerechtigkeit tatsächlich verletzt ist, wo Grüne und SPD aber vermutlich keinen Handlungsbedarf erkennen wollen.

1. Dividenden & Zinsen

Die Aktie ist ja ein ganz wunderbares Produkt. Sie verbrieft sogenannte Mitgliedschaftsrechte an Kapitalgesellschaften, worunter zum Beispiel das Stimmrecht sowie das Teilnahmerecht an Hauptversammlungen, aber auch der Anspruch auf Ausschüttung des Bilanzgewinns fallen. Auch wenn der eine oder andere Vorstand ersichtlich die Auffassung vertritt, ihm gehörte das Unternehmen, das eigentlich den Aktionären gehört, haben Aktionäre sogar einen gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4 AktG).

Dieser abstrakte Anspruch bedarf der sogenannten Konkretisierung durch einen Gewinnverwendungsbeschluss. Dies erfolgt bei deutschen Gesellschaften üblicherweise auf der Hauptversammlung. Bei ausländischen Gesellschaften kann das z.B. auch der Vorstand im Rahmen einer Quartalsausschüttung beschließen. Technisch gesprochen spaltet sich das abstrakte Gewinnbezugsrecht durch den Verwendungsbeschluss vom mitgliedschaftlichen Stammrecht ab. Es wird dadurch eigenständig und bewertbar. Daher auch Dividende, aus dem lateinischen dividere für abspalten, teilen.

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Dass der Fiskus Dividenden überhaupt besteuert, mag zwar oberflächlich betrachtet nachvollziehbar sein. Dennoch wird hier letztlich ein Nullsummenspiel besteuert. Denn börsentechnisch wird die ausgeschüttete Dividende vom Kurs abgezogen (ex-Dividende-Notierung). Auf der einen Seite fließt einem dann Geld zu, das nun in der Gesellschaft fehlt und deshalb den Aktienkurs reduziert. Plus Minus Null. Dennoch will der Staat vom Dividendenzufluss seinen Steueranteil haben, obwohl der Aktionär in Summe nicht bereichert wurde.

Dies wird allein durch den Sphärenwechsel von der juristischen zur natürlichen Personen begründet und bildet die zweite Stufe des zweistufigen Besteuerungsverfahrens der Anlage in Kapitalgesellschaften. Die erste Stufe findet innerhalb der Gesellschaft statt, die zweite Stufe bei dem Verlassen der Gesellschaft und Zufluss beim Gesellschafter. Genau diese Trennung machen wir uns bekanntlich bei der Sparschwein-UG zunutze, indem wir die zweite Besteuerungsstufe zeitlich drastisch verzögert auslösen.

Die gleiche Besteuerung ohne realen Vermögenszuwachs gilt im Übrigen für die Besteuerung von Zinsen, sei es auf Tagesgeld, sei es auf Termingeld oder Zinsen auf Anleihen. Im Zins selbst ist nämlich eine Inflationsausgleichskomponente enthalten, da jeder Zins leitzinsbedingt umso höher ist, je höher die Inflation ist. Auch hier fließt dem Geldgeber zwar der Zinsertrag zu, der zu besteuern ist. Die gleichzeitige Vermögenseinbuße in Form des Geldwertverlusts wird ihm jedoch auf den Ertrag nicht angerechnet. Wiederum werden also einseitig Gewinne besteuert, während tatsächlich erlittene Verluste unberücksichtigt bleiben.

Im Gesetz über den Abbau der kalten Progression aus 2013 verpflichtete der Bundestag die zukünftigen Bundesregierungen zwar zu einer Steuertarifverschiebung im Zweijahresrhythmus, um allein inflationsbedingte Steuererhöhungen wieder zurückzugeben. Dieses System funktioniert aber nur im Bereich der allgemeinen Einkünfte, die dem progressiven Einkommensteuersatz unterliegen. Es funktioniert nicht, wenn für einen Teilbereich von Einkünften ein fester Steuersatz vereinbart wurde. So liegt der Fall natürlich bei den Kapitaleinkünften, die seit 2009 bekanntlich pauschal mit dem Abgeltungsteuersatz besteuert werden. Dem Grunde nach liegt der Fall hier aber nicht anders: eine Dividende von einem Euro im Jahr 2021 ist mehr wert, als eine Dividende von einem Euro im Jahr 2022. Trotzdem werden in beiden Jahren gleichermaßen Steuern in Höhe von 0,26 Euro von diesem einen Euro Dividende vom Staat erhoben. Im Ergebnis bleiben einem in beiden Fällen 0,74 Euro übrig, für die man sich in 2022 aber weniger kaufen kann als in 2021.

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2. Termingeschäftsverluste

Ein großer Aufschrei ging durch das Land: ab dem Jahr 2021 dürfen Verluste aus Termingeschäften ausschließlich mit Gewinnen aus Termingeschäften und Stillhalteprämien verrechnet werden. Die Verrechnung von neuen Verlusten wird begrenzt, wenn die Summe der einzelnen bereits verrechneten Verluste innerhalb desselben Jahres 20.000 Euro übersteigt.

Verluste aus Kapitalvermögen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 3 dürfen nur in Höhe von 20 000 Euro mit Gewinnen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 3 und mit Einkünften im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 11 ausgeglichen werden; die Sätze 2 und 3 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20 000 Euro mit Gewinnen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 3 und mit Einkünften im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 11 verrechnet werden dürfen.
§ 20 Abs. 6 EStG

Aus unserer Sicht wird hiermit erneut der grundgesetzliche Gleichheitssatz verletzt, der besagt, dass jeder nach seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit besteuert werden soll (Leistungsfähigkeitsprinzip). Die Verluste denkt sich der Steuerpflichtige ja nicht aus, sie sind real. Wenn aber eine reale Vermögenseinbuße erlitten wird, so ist es völlig klar, dass sich dies auch steuerlich niederschlagen muss.

Wenn man das neu im Gesetz verankerte Prinzip zu Termingeschäften umdreht, kann man auch sagen, dass erneut Gewinne besteuert werden, Verluste aber nur begrenzt, und über diese Grenze hinweg eben  gar nicht zur Verrechnung im selben Jahr (immerhin aber in den Folgejahren) zugelassen werden. Noch dramatischer kann man formulieren, dass Gewinne besteuert werden, die es gar nicht gegeben hat, wenn man Gewinn und Verlust im Rahmen einer Gesamtstrategie als notwendige Bestandteile sieht und die Handelsstrategie von vornherein auf einen Gewinn per Saldo statt auf einen Absolutgewinn im einzelnen abzielt.

Begründet wird das ganze vom Finanzexperten der Nation Olaf Scholz damit, dass Spekulationen eingedämmt werden sollen. Ominöse „erhebliche, kurzfristig nicht bezifferbare Steuerausfälle“ sollen die Staatskasse zudem nicht belasten. „Hochspekulative Geschäfte auf Kosten der Allgemeinheit [sollen nicht] steuerlich günstiger behandelt“ werden, als bei Einführung der Abgeltungsteuer 2009 beabsichtigt. Die Rechtsprechung hat die Einführung der Abgeltungsteuer in der Weise beurteilt, dass der Gesetzgeber alle Gewinne und alle Verluste im privaten Geldanlagebereich erfassen wollte. Scholz stellt sich mit diesem Gesetz gegen diese – höchstrichterliche – Gesetzesauslegung und sagt, dass die Abgeltungsteuer schon 2009 nur Gewinne besteuern wollte, während Verluste Privatvergnügen bleiben sollten. Scholz‘ Verständnis von „Steuergerechtigkeit“. Weiter wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt:

Denn angesichts der Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/2009 sollten jedwede Art von Belastungen für den Fiskus vermieden werden, die dadurch entstehen, dass die hochspekulativen Elemente, die ein
Optionsnehmer bewusst auf sich nimmt, eintreten. Unabhängig davon werden darüber hinaus Steuerausfälle in
nicht bezifferbarer Höhe vermieden.
Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften

Also da sind es nun schon nicht einmal mehr Termingeschäfte allgemein, sondern nur noch Optionsnehmer, also Long-Positionen in Optionen. Die fachliche Kapitalmarktferne, die schon in der Gesetzesbegründung zutage tritt, ist schlicht erschreckend. Wenn aber der Gesetzgeber nicht genau definieren kann, was ein „Termingeschäft“ überhaupt ist (obwohl das ja ganz einfach z.B. durch „Geschäfte an einer Terminbörse“ definiert werden könnte), bleiben in der Praxis unhaltbare Rechtsunsicherheiten bei der Gesetzesanwendung. Ist ein CfD ein Termingeschäft? Ist ein Knock-Out-Zertifikat, das auf einer exotischen Option basiert, ein Termingeschäft? Fällt ein Stillhalter einer Option unter diese Regelung, wenn dieser doch wirtschaftlich eine Versicherung verkauft und selbst kein Termingeschäft eingeht? Das einzige, worum es hier ersichtlich geht, ist, dem Staat die Taschen voll zu machen. Die einzige Richtlinie des Finanzministers lautet: Arbeit vor Kapital.

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Auf der anderen Seite lässt sich der Staat aber die Spekulationsgewinnsteuern natürlich bezahlen. Eine Steuerstrafe auf Termingeschäfte. Auch dies kann nicht verfassungsgemäß sein, denn es ist nicht Aufgabe des Steuerrechts, unerwünschtes Verhalten zu bestrafen.

Zwar darf im Einzelfall die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen überschritten werden, die Steuerhöhe darf aber nicht dazu führen das generell die meisten potentiell Steuerpflichtigen aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind ihre besteuerte Tätigkeit ganz einzustellen. Die Lenkungssteuer soll unerwünschtes – etwa umweltschädliches – Verhalten beschränken, darf aber kein faktisches Verbot für den „durchschnittlichen Steuerpflichtigen“ mittels Steuergesetzgebung sein. Eine solche Erdrosselungssteuer wäre verfassungswidrig (Erdrosselungsverbot).
Lenkungssteuern

3. Finanztransaktionssteuer

Seit vielen Jahren wird versucht, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, verstärkt natürlich durch die Finanzkrise 2008/2009. Bis heute gibt es sie in Deutschland nicht, in vielen anderen Ländern aber schon. Sogar das traditionell eher kapitalfreundliche Großbritannien hat eine Transaktionssteuer, die mittlerweile über 325 Jahre alte SDRT. Klar kann man sagen, dass die SDRT Mehreinnahmen bringt und von den meisten Briten gar nicht negativ wahrgenommen wird oder überhaupt wahrgenommen wird.

Wahr ist aber auch, dass es die britische Stempelsteuer und damit auch die SDRT war, die dazu führte, dass sich die nordamerikanischen Kolonien vom britischen Königreich lossagten, als sie die Stempelsteuer bezahlen sollten, und was dazu führte, dass die ehemaligen Kolonien heute selbstständig unter den Buchstaben USA firmieren. Mal schauen, was die Folgen sind, wenn Deutschland die Steuer einführt. Es ist heute bei Degiro schon sigfinifikant billiger, einfach an der NYSE und an der NASDAQ zu kaufen, als auf XETRA. Dann kaufen wir uns Siemens eben als ADR in den USA.

In Deutschland wird dagegen jedenfalls das ursprünglich aus der Finanzkrise stammende Ziel, nämlich Spekulation und Hochfrequenzhandel zu besteuern, aller Voraussicht nach nicht im Entferntesten erreicht. Stattdessen ist der derzeitige Plan, ganz normalen Aktienhandel zu besteuern. Aber auch hier völlig willkürlich nur ab einer bestimmten Marktkapitalisierung. Dies gegen die europäische Übereinkunft in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, Finanztransaktionen allgemein ausdrücklich nicht mit einer Verkehrssteuer zu belasten. Warum auch, Aktiengeschäfte sind bloße Umschichtungen von Vermögen in eine andere Art von Vermögen. Der Wertzuwachs und jeder laufende Ertrag werden ja schon besteuert. Auch eine Finanztransaktionssteuer ist blanker Populismus unter der einzigen Maßgabe Arbeit vor Kapital. Zur Genüge herausgearbeitet wurde außerdem, dass die Finanztransaktionsteuer keine Finanztransaktionen besteuert, sondern lediglich Aktien und damit besser als Aktiensteuer bezeichnet ist, oder aufgrund des eklatanten Maßes an Sinnlosigkeit analog der Riester-Rente gleich als Scholz-Steuer.

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4. Kein Verlust bei Verkauf wertloser Wertpapiere

Ein besonderes Schmankerl hatte die Finanzverwaltung vor einigen Jahren noch im Gepäck, was mittlerweile glücklicherweise rausgefallen ist. Im alten Anwendungsschreiben zu Einzelfragen der Abgeltungsteuer stand in Randziffer 59:

Eine Veräußerung liegt nicht vor, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt.

Folge: bei Totalverlusten war es nicht möglich, diese steuerlich zu berücksichtigen. Das muss man sich beispielsweise gerade am Beispiel Wirecard einmal vorstellen. Da versäumt der Staat es jahrelang, die Aufsichtsrats-, Compliance- und Revisionsfunktion in Unternehmen zu stärken, da gibt es eklatantes Behördenversagen bei BaFin und DPR, wovon der zuständige Finanzminister nichts gewusst haben will und laut Aussage im Untersuchungsausschuss auch mal wieder sämtlicher E-Mail-Verkehr gelöscht wurde und dann verbietet einem der Staat auch noch die Anrechnung des Verlusts auf sonstige Aktiengewinne. 

Glücklicherweise wurde diese ridikulöse Auffassung von der Rechtsprechung verworfen, was die Finanzverwaltung dankenswerterweise anerkannt hat. Es ist als Steuerzahler ja immer das Bittere, dass man derartigem Unfug zwar nicht gänzlich schutzlos, aber doch zunächst mal ausgesetzt ist. Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat zu seiner Funktion als Steuerrichter am Bundesverfassungsgericht einmal gesagt, er wäre „in gewisser Weise der Reparaturbetrieb der Demokratie„. Man kann tatsächlich über nichts dankbarer sein, als über die funktionierende Rechtsprechung in Deutschland, die legislativen Zündlern wie Olaf Scholz effektiv das Handwerk legt.

Im Gegenzug wurde jetzt der neueste Blödsinn in Gesetzesform gegossen:

Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des Absatzes 1, aus der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter im Sinne des Absatzes 1 auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern im Sinne des Absatzes 1 dürfen nur in Höhe von 20 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden; die Sätze 2 und 3 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen.
§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG

Auch dieser unsystematische und durch nichts zu begründende Quatsch wird hoffentlich über kurz oder lang auf der Gesetzgebungsmüllkippe landen.

5. Besteuerung von Kapital tatsächlich viel höher als Besteuerung von Arbeit

Für diesen Punkt verweisen wir auf einen früheren Artikel, aus dem wir nur kurz zitieren wollen:

Während beim persönlichen Steuersatz der Spitzensteuersatz bei 45 % zzgl. Soli liegt, reicht die Belastung bei Abgeltungsteuerdividenden von 22,8 % bis 36,1 % – im Schnitt 31,1 % – auf Unternehmensebene zuzüglich der 18,2 % Abgeltungsteuer beim Empfänger (26,375 % vom Nachsteuerergebnis). In Summe beträgt der Steuersatz auf die gewerblichen Einkünfte im zweistufigen Verfahren damit im Schnitt bei über 49 % – bis hin zu 53 % an der Oberseite.
Die Abschaffung der Abgeltungsteuer im Wahljahr

6. Doppelbesteuerung von Rentenbeiträgen & gleichzeitige Behinderung der privaten Kapitalbildung

Mit den vorangegangenen Rentenreformen wurde festgelegt, dass Rentenbeiträge bis 2025 jährlich ansteigend steuermindernd berücksichtigt werden können, bis zu einem Berücksichtigungsanteil von 100 % im Jahr 2025.

Bei jemandem, der z.B. in 2040 in Rente geht, werden 100 % der Rente besteuert, obwohl nur die Beiträge von 15 Jahren (zwischen 2025 und 2040) in voller Höhe steuermindernd berücksichtigt werden konnten. Die Doppelbesteuerung ist umso größer, je weiter das Jahr der Rentenbeitragszahlung vor dem Jahr 2025 liegt. Dieser Fall liegt nun beim Bundesverfassungsgericht. 

Während also nicht nur Renten teilweise doppelt besteuert werden, sondern auch hinsichtlich der Rentenleistung immer weniger „hinten raus“ kommt, sank gleichzeitig der Sparerfreibetrag von über 3.000 Euro pro Person im Jahr 1993 auf nunmehr nur noch 801 Euro. Seit 1993 ist die Kaufkraft aber um 34 % gesunken. Folglich wäre ein fairer Sparerfreibetrag heute etwa 4.600 Euro – was fair klingt. 

Den Sparer-Freibetrag gibt es an sich schon seit 1975:

Um diese besonders förderungswürdige eigenverantwortliche Vorsorge der Bürger durch Sparen auch künftig zu erhalten, sieht es die Bundesregierung als gerechtfertigt an, die Kapitalerträge aus einem bestimmten Sockelsparvermögen steuerlich zu schonen.
Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes

Damals war der Sparerfreibetrag also eingeführt worden, um das besonders förderungswürdige „Sparen“ zu fördern. Folglich haben sich die Verhältnisse heute gänzlich ins Gegenteil verkehrt. Kleinaktionäre sind nach Ansicht von Olaf Scholz heutzutage Lobbyisten von Großkapitalisten. Die besonders Kleinsparern zugute kommenden Erleichterungen aus dem Sparerfreibetrag werden immer weiter gekürzt – gleichzeitig hat die Hälfte der Bevölkerung weniger als 18.000 Euro Vermögen, 21 % haben sogar gar nichts oder sind überschuldet. Außerdem ist bei denjenigen, die nur wenig in die Rentenkasse einzahlen können heute schon klar, dass auch im Rentenalter keine großen Beträge ausgezahlt werden. Dies gegenüber einer Marktrendite von Aktien von 7 % pro Jahr.

Im damaligen Gesetzgebungsverfahren wurde ausgeführt:

Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Lebenshaltungskosten, insbesondere für Vorsorgeaufwendungen, ausnahmsweise eine Berücksichtigung bei der Einkommensbesteuerung zuläßt, so verfolgt er damit außerfiskalische Ziele, insbesondere das, einen steuerlichen Anreiz zur eigenverantwortlichen Lebens- und Altersvorsorge zu geben und damit letztlich die Gemeinschaft von Sozialaufgaben zu entlasten.
Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes

Unter einem SPD-Bundeskanzler Schmidt hieß es damals sogar:

Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Spartätigkeit breiter Bevölkerungsschichten insbesondere aus kapitalmarkt- sowie aus gesellschafts- und eigentumspolitischen Gründen besonders bedeutsam.
Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes

Erneut: aus heutiger Perspektive, aus der der Sozialstaat nur die Richtung des Ausufernden kennt, klingen „Kapitalmarkt“, „Eigenverantwortung“ und „Eigentum“ eher nach „Raubtierkapitalismus“, „Turbokapitalismus“ und „Neoliberalismus“. 

Diese Vergünstigung [des damaligen Werbungskosten-Pauschbetrags] wird aber von den Sparern insbesondere im Hinblick darauf nicht mehr als ausreichend angesehen, daß sie heute ein höheres Sparguthaben als früher zur Verfügung haben möchten, um gegenüber den Wechselfällen des Lebens gesichert zu sein. Seit der Einführung des Werbungskosten-Pauschbetrags sind die Sparguthaben und damit die Kapitalerträge nicht unerheblich angestiegen. 
Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes

Der Grund, mehr Kapitalerträge von der Steuer freizustellen, wurde also gerade darin gesehen, dass mehr (!) Kapital vorhanden war, das freigestellt werden sollte. Aus heutiger Perspektive undenkbar. Es kann heute mit Sicherheit nicht davon gesprochen werden, dass wirklich breite Bevölkerungsschichten substantiell Kapital zur Verfügung haben, um sich gegen „Wechselfälle des Lebens“ abzusichern. Gerade Kleinsparer zu fördern und gleichzeitig Großkapitalisten von der Förderung auszunehmen wäre natürlich möglich. Dies erforderte aber, ebenso wie bei den doch gelegentlich pauschalen Corona-Maßnahmen, dies: intelligente Gesetzgebung.

Was der SPD maßgeblich fehlt ist das Verständnis dafür, dass sich Eigentum und Vermögen und Wert nicht, Marx folgend, allein an der Summe des dafür aufgewandten Produktionsfaktors Arbeit bemisst. Kapital ist auch nicht pauschal schlecht oder per se als antisozialdemokratisch anzusehen. Genau genommen sind Aktien sogar Volkseigentum, an dem jeder nach seiner Wahl teilhaben kann oder es lassen kann. Hätte man eine breite Vermögensbildung der Bevölkerung rechtzeitig gefördert, müsste ein guter Teil der Gesellschaft heute nicht zuschauen, wie die Immobilienpreise davonrennen – ihre Aktien wären ja noch schneller mehr wert gewesen. Aber wie schon oft beschrieben: auch die SPD ist Klientelpartei und sie schafft sich die Not erst, für deren Behebung sie sich im Anschluss wählen lassen möchte. Dies jedenfalls in den Jahren nach den Agenda-2010-Reformen. Und mit dem Unterschied, dass die Strategie im Jahr 2021 ersichtlich nicht mehr aufgeht.

Eigenverantwortlichkeit und Entlastung der Gemeinschaft von Sozialaufgaben sind deshalb bei einem Finanzminister, dessen Geschäft es ist, nachhaltig für Nachschub an Sozialaufgabenbearbeitungsbedarf zu sorgen, nicht gerne gehört. Dies widerspricht aber der mit der Rentenreform 2001 verbundenen Zielsetzung:

Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich den mittlerweile weithin bestehenden Konsens darüber, die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung durch eine individuelle Kapitalbildung zu ergänzen. Notwendig ist hierbei ein zügiger und deutlicher Einstieg in die private Altersvorsorge, um deren rentenergänzende Funktion voll nutzen zu können. 
Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG)

Stattdessen werden diejenigen, die die Defizite der gesetzlichen Rentenversicherung mit privater Kapitalbildung ausgleichen wollen, was seit der Einführung des Drei-Säulen-Modells mit dem Altersvermögensgesetz gesetzliche Zielsetzung war, auch noch pauschal mit dem Solidaritätszuschlag weiterbelastet. Denn zwar wurden Arbeitseinkommen vom Solidaritätszuschlag weitgehend entlastet, nicht aber Kapitaleinkünfte. Zumal diese in Bezug auf Wertzuwächse von bis 2008 zugekauften Beständen auch noch nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei gestellt waren.

So sieht eine durch und durch widersprüchliche Rentenpolitik aus.

7. Besteuerung unrealisierter Gewinne bei Fonds und ETFs

Die Investmentsteuerreform 2018 führte zu einem weiteren Tabubruch: die Besteuerung nichtrealisierter Gewinne. Bislang wurden ja nur realisierte Gewinne besteuert, während gleichzeitig realisierte Verluste über die Verlustverrechnungsbeschränkungen bei Aktienverlusten, bei Termingeschäftsverlusten und bei Totalverlusten teilweise nicht berücksichtigt wurden.

Der Staat lässt sich nun über die Vorabpauschale praktisch einen inflations-/leitzinsabhängigen Mindestzins auf thesaurierende Fondsprodukte versteuern. Statt also Anleger von der kalten Progression zu entlasten, verschärft der Staat das Problem an dieser Stelle noch, indem er Erträge besteuert, die es noch gar nicht gibt.

Man stelle sich vor, der Staat hätte Wertzuwächse der Wirecard-Aktie besteuert. Auch da war im Kern alles heiße Luft und der Staat hatte seinen Anteil daran, dass der Fall nicht erkannt wurde. Ein Ertrag, der nicht realisiert ist, ist also kein Ertrag und kann somit eigentlich auch nicht besteuert werden.

8. Besteuerung steuerfreier Altbestände durch die Investmentsteuerreform 2018

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer (durch SPD-Finanzminister Peer Steinbrück) zum 1. Januar 2009 war eigentlich beabsichtigt und kommuniziert, nur Erträge zu besteuern, die nach dem 31. Dezember 2008 zufließen. Im Ergebnis entsprach dies einer unbegrenzten Steuerfreistellung für Wertzuwächse von Wertpapieraltbeständen, also solchen Wertpapieren, die vor 2009 gekauft wurden. 

Im Zuge der Investmentsteuerreform 2018 hat man sich dann gedacht, dass man so etwas nicht haben möchte und hat die eigentlich steuerfreien Altbestände zumindest im Bereich der Fonds nun doch wieder in die Besteuerung einbezogen. Zwar gab es hierbei durchaus großzügige Steuerfreibeträge von 100.000 Euro und auch einen Einbezug nur von Wertzuwächsen, die ab 2018 entstehen.

„Großzügig“ liegt aber natürlich auch im Auge des Betrachters. Jemand, der die gesetzgeberische Zielsetzung der Rentenreform 2001 beherzigt und entsprechend privates Kapital zur Entlastung der Rentenkassen gebildet hat, wird sich nun freuen, dass das steuerliche Konzept, worauf derjenige seinen Lebensabend möglicherweise gebaut hat, hinfällig ist. 

Das war unser Beitrag zum Thema „Steuergerechtigkeit“ 😉

 

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5 Gedanken zu „Deutschland ist OECD-Steuerweltmeister – Die 8 unglaublichsten Steuerfrechheiten!“

  1. Hi, guter Artikel.
    Eine Sache nur, die entweder ich missverstanden habe oder Sie nicht durchdacht haben. Ich bitte den folgenden, langen Beitrag zu entschuldigen.
    Gehen wir von der, theoretisch wohl nicht völlig aus der Luft gegriffenen, Annahme aus, dass Inflation ja nicht nur die Lebenskosten erhöht, sondern auch die Einnahmen. Sowohl die der Arbeit als auch die des Kapitals (schließlich erhöht die nominelle Steigerung aller Kosten auch nominell die Umsätze und Gewinne von Unternehmen im gleichen Maß).
    Bei der Arbeit existiert ein progressiver Steuersatz, sagen wir bis 100 keine Steuern, darüber hinaus 50% Steuern (bisschen extrem für’s Beispiel). Arbeitnehmer A verdient 100, sein Gehalt wird entsprechend der Inflation angeglichen. Die Inflation beträgt 5%, im nächsten Jahr liegt sein Gehalt also bei 105, wobei er nun 2.5 (50% von 105-100) abgeben muss. Er hat trotz Inflationsausgleich beim Gehalt aus rein steuerlichen Gründen einen Verlust erlitten (er bräuchte ja 105, also 5% mehr als das vergangene Jahr, um die gleichen Ausgaben zu decken). Das ist der Effekt, den ich unter „kalte Progression“ kenne.
    Im Bereich der Kapitaleinkünfte gilt ein pauschaler Steuersatz von 25% (lassen wir hier Soli und den lächerlichen Freibetrag mal weg). Im ersten Jahr verdient A 100. Nach Steuern also 75. Im zweiten Jahr hat das Unternehmen inflationsbedingt 5% mehr Gewinne gemacht und schüttet nun 105 an A aus. A darf nun davon 78.75 behalten. Das sind genau 5% mehr als im Jahr davor. Bei einheitlichen Steuersätzen gibt es den Effekt der kalten Progression gar nicht.
    Vielen Dank für Ihren guten Blog und viele Grüße

    1. Hallo J,
      sehr gut aufgepasst, an der Stelle müssten wir uns vertan haben bei der Formulierung. Kalte Progression ist das inflationsbedingte Rutschen in den höheren Steuersatz, ohne dass sich an der Leistungsfähigkeit etwas verändert hätte. Dies wird bei progressiven Steuersätzen mit o.g. Gesetz bekämpft. Das Ergebnis ist dann genau das gleiche wie bei den Kapitaleinkünften, nämlich dass die Anwendung des gleichen Steuersatzes erreicht wird. D.h. es verbleibt dann nur, dass Inflation nicht als Kosten gewertet werden, die denselben Ertrag mindern müssten. Fairerweise müsste man hiergegen aber einwenden, dass der Ertrag ja mindestens um die Inflationsrate steigen sollte (Arbeitslohn, Dividende), sonst hat man entweder einen schlechten Arbeitgeber oder eine schlechte Aktie.
      Danke nochmal für den Hinweis! 😉

  2. Pingback: Schmankerl der Woche KW18 2021 –

  3. Eine weitere Frechheit ist dass gezahlte Negativzinsen als Verwahrentgelt umgedeutet werden und dadurch nicht steuerlich berücksichtigt werden.

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