Die positiven Meldungen überschlagen sich heute: sämtliche Videos auf dem Friedrich & Weik Youtube-Kanal mit 111.000 Abonnenten sind abgeschaltet worden – wohl leider nicht von Dauer. Noch interessanter: „Friedrich & Weik“ heißen anscheinend nur noch „Marc Friedrich“. Etwas, das ob der Omniabsenz von Matthias Weik wohl geradezu zu „prognostizieren“ war. Mehr zu abstrusen Prognosen in unserem heutigen Artikel.
Aber werfen wir in Fortführung unseres letzten Artikels zunächst einmal noch einen Blick auf die harten Zahlen: der F&W Fonds hat seit Auflage 2,5 % pro Jahr gemacht. Dieses Ergebnis hätte man fast mit Festgeld auch risikolos erreichen können. Selbst der schwächstperformende der großen deutschen Indizes, der DAX, war mit 4 % pro Jahr signifikant besser. Und da ist natürlich die komplette Wirecard-Pleite mit eingerechnet, neben der staatlich verhinderten Pleite der Lufthansa sowie anderer fortgesetzter Katastrophen wie der Commerzbank-Abstieg und die Deutsche Bank.
Der F & W Wertefonds ist also schwächer gelaufen, als ein Index, bei dem knapp 7 % des Indexinhalts de facto pleitegegangen ist und könnte damit hinsichtlich der Fondsverwaltungsleistung mit einigem Recht wohl auch als Wertlosfonds bezeichnet werden. Übrigens wäre man mit einem Direktinvestment in Gold wesentlich besser gefahren, wenn man sich unbedingt der Auffassung anschließen muss, dass alles den Bach runtergeht: 15 % p.a. Wertzuwachs seit Fondsauflage.
Schauen wir uns den Dirk Müller Fonds an. „Helden für einen Tag“ hat die Süddeutsche geschrieben. Dirk Müller hatte mitten in der Krise durch Short-Termingeschäfte während dadurch konstantem, weil vollständig abgesichertem Fondskurs massive Mittelzuflüsse. Diese Fondsinvestoren werden sich nun die Augen reiben, wenn sie bei 103 gekauft haben bei Mr. DAX, und nun bei unter 94 stehen. Maximaler Krisenschutz heißt denklogisch minimale Rendite. Oder wie Josef Ackermann einst formulierte: Wer jedes Risiko vermeidet, hat bald keine Risiken mehr zu vermeiden. Im stärksten Rebound aller Zeiten keine Rendite mitzunehmen, sondern massive Negativperformance – das ist bitter. „Ausgerechnet ein Crash hat die Crash-Propheten entzaubert.„
Was wäre aber auch von Menschen zu erwarten, deren Geschäft darin besteht, fortwährend äußerst vage formulierte Prognosen am Fließband produzieren und dann öffentlichkeitswirksam diejenigen herauspicken, die ihnen als eingetreten erscheinen. Neben den bereits durch das Fair-Value-Magazin in einem der wohl wertvollsten wirtschaftsjournalistischen Ergüsse der letzten Jahre eindrucksvoll belegten gravierenden Fehleinschätzungen wurden diese sogenannten „Prognosen“ freundlicherweise auch noch als würdigenswerte Eigenleistung auf der eigenen Homepage von F&W aufgeführt. Zwar ist die Webseite abgeschaltet (Großen Dank dafür!), aber es gibt ja ein Internetarchiv, in welchem für die Nachwelt alles erhalten bleibt. Das Unterfangen mit den Prognosen ist zwar schon a priori an Lächerlichkeit nicht zu überbieten, aber schauen wir uns doch gerne auch einzelne der Prognosen einmal im Detail an:
- So wird beispielsweise auf eine im FOCUS vom 22.09.2019 (tatsächlich gemeint ist: FOCUS.de; wobei der Unterschied in praxi aber geringer sein dürfte als zwischen SPIEGEL und Spiegel Online) abgegebene „Prognose“ verwiesen: „Sobald sich das wirtschaftliche Klima gravierend ändert und immer mehr Menschen ohne Arbeit und Zukunftsperspektive auf der Straße stehen, werden wir freitags ganz andere Demonstrationen erleben. Doch dann ist es zu spät.“ – Der im Nachhinein als Prognose festgelegte Satzteil „werden wir freitags ganz andere Demonstrationen erleben“ wird hier als eingetreten dargestellt. Belegt wird die eingetretene Prognose mit einem Artikel des Bayerischen Rundfunks zum Arbeitsplatzabbau im Filstal. Bei Göppingen. In Baden-Württemberg. Die Demo nennt sich „Monday for Jobs“. Wir nehmen an, dass – wie wir – bisher niemand davon gehört hat. Fest steht: wir sehen freitags keine „ganz anderen Demos“. Also? Prognose ganz klar nicht eingetroffen, würden wir sagen. Und zu spät ist auch nichts.
- Zur EU-Parlamentswahl 2019 wurde die folgende kühne „Prognose“ abgegeben: „Jetzt werden die noch „Volksparteien“ für ihre vollkommen realitätsferne Politik und für das Belügen der Bürger die Rechnung erhalten. Die Folge wird ein drastisches Beben in Brüssel sein, welches auch den Berliner Politzirkus gravierend erschüttern und das Personalkarussell befeuern wird.“ Die Prognose soll nach Auffassung von Friedrich & Weik durch den Rücktritt von Andrea Nahles belegt worden sein. Allerdings war zu dem Zeitpunkt Andrea Nahles bereits in Talk-Shows als „glatteste Fehlbesetzung seit Jahrzehnten“ bezeichnet worden und die Umfragewerte sprachen auch für sich. Ist der Berliner Politzirkus also „gravierend erschüttert“ worden? Nein. Die SPD ist in den Umfragen seit langem im Wesentlichen irrelevant. Wir sehen also in keiner Weise eine Prognose, die so konkret gewesen wäre, dass man sie (nur?) durch den Rücktritt von Andrea Nahles als eingetreten ansehen könnte. Unerwähnt bleibt von den Autoren natürlich, dass zur gleichen Zeit tatsächlich eine ausreichend konkrete Prognose abgegeben wurde: „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass Angela Merkel nach der EU-Parlamentswahl in Rente gehen wird.„ Bekanntlich war das nicht der Fall, und es dauerte noch fast ein halbes Jahr und weitere Wahlen, bis Angela Merkel das Handtuch als CDU-Vorsitzende warf. Allerdings kann die Formulierung „in Rente gehen“ natürlich nur so gedeutet werden, dass ein Rücktritt als Kanzlerin prognostiziert wurde. Dieser ist bekanntlich nicht eingetreten. Ein Ende als Kanzlerin hätte aber in der vierten Legislaturperiode kaum noch überraschen können, denn es wurde bereits ein halbes Jahr vor der „Prognose“ offiziell angekündigt, dass es keine fünfte geben wird. Wiederum: weder Prognose, noch erfüllt.
- Des Weiteren „prognostizieren“ Friedrich & Weik in ihrem fiktionalen Roman „Der größte Crash aller Zeiten“ auf Seite 146: „Beide ehemaligen Volksparteien sind inhaltsleer und bereit, für die Macht alle Prinzipien und Ideale über Bord zu werfen. Dies wird sich in Zukunft bitter rächen, denn den beiden »Volksparteien« läuft das Volk davon.“ Dies liest der verständige Leser üblicherweise ebenfalls nicht auf Anhieb als abgegebene „Prognose“. Dennoch wurde letzterer Satzteil im Nachhinein als Prognose aufgefasst. Auch dies wird zwar als „eingetreten“ markiert, dennoch würden Stand heute auf der Basis aktueller Umfragen mit ca. 52 % ungefähr gleich viele Wähler wie zur Bundestagswahl 2017 CDU, CSU und SPD wählen. Folglich ist die Tendenz im Grunde zwar unbestreitbar; als eingetroffene Prognose kann das aber keineswegs bezeichnet werden, wenn sich am Wählerzuspruch 2020 gegenüber 2017 keine Veränderung ergeben hat. Inmitten der Corona-Krise war der Zuspruch zeitweise sogar noch deutlicher höher als bei der letzten Wahl.
- Wiederum unter Verweis auf den FOCUS vom 19.05.2019 (und wiederum ist lediglich FOCUS.de gemeint, wo die beiden Autoren als „FOCUS-Online-Experten“ bezeichnet werden, was wiederum FOCUS.de kein gutes Zeugnis ausstellt) wird prognostiziert: „In ganz Europa werden extreme und EU-kritische Kräfte starke Gewinne verzeichnen. Dieser Trend wird auch insgesamt anhalten, solange die Politik sich nicht grundlegend ändert. Den etablierten Parteien läuft das Wahlvolk immer mehr davon – und verstärkt auch die Wirtschaft. Egal ob in Frankreich, Italien, Großbritannien, Ungarn, Österreich: Es werden immer mehr EU-Gegner in das EU-Parlament einziehen und dementsprechend das Machtgefüge erheblich verschieben.“ Dies zu einem Zeitpunkt „prognostiziert“, zu dem in allen Umfragen genau das sichtbar war. Was ist hier nun die besondere eigene Prognoseleistung? Folglich: keine Prognose, die hätte eintreten können, weil sie bereits völlig unzweifelhaft abzusehen war.
- Des Weiteren wird auf einen am 4.10.2018 gehaltenen Vortrag verwiesen, in welchem Folgendes „prognostiziert“ wurde: „Es wird keine markanten Zinserhöhungen mehr geben.“ Wow. Na das ist ja eine extrem steile These! Nachdem Mario Draghi erstmals am 4.7.2013 und seitdem immer wieder formulierte: „Die Zinsen bleiben lange Zeit niedrig“, z.B. 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018. Nachdem Friedrich & Weik also fünf Jahre lang Mario Draghi an den Schalthebeln der Geldpolitik beobachtet haben, haben sie sich doch noch zu dieser knallharten Prognose durchgerungen, ja? Erneut keine Prognose, sondern Wiedergabe dessen, was in der Zeitung steht und im Übrigen Scharlatanerie und Für-dumm-verkaufen.
- Wie locker es Friedrich & Weik dann mit der Feststellung der Erfüllung einer Prognose nehmen, wird unter Verweis auf einen Artikel auf biallo.de vom 4.7.2018 sichtbar: „‚Im schlimmsten Fall kann der Kurs [des Bitcoin] noch unter 3.000 US-Dollar fallen‘, sagt Marc Friedrich„. Das Minimum beim Bitcoinpreis war aber nun einmal nur bei 3.215 US-Dollar. Nach Auffassung von Friedrich & Weik ist die Prognose aber anscheinend eingetroffen. Ist die Formulierung „im schlimmsten Fall kann“ eine Prognose? Aus unserer Sicht und wir denken, wir sprechen hier für die Klardenkenden: natürlich nicht. Im gleichen Artikel wird dagegen ausgesagt, dass die Autoren von sechsstelligen Kursen ausgehen. Ist das eingetroffen? Natürlich nicht und bei weitem nicht. Und deshalb kam das natürlich auch nicht in die Galerie „eingetroffene Prognosen“. Lügen durch verschweigen. Oder, was Marc Friedrich so hypokritisch wie pauschal bei „den“ Medien beklagte: einseitige Berichterstattung und Versagen (und versteigt sich bis hin zur Formulierung der „Gesinnungsdiktatur“ (ab Minute 15:34), verliert also völlig die Kontrolle über Maß und Mitte). Alles natürlich ganz anders als die Gesinnungsprognosen, die Friedlich & Weich abgeben.
- Eine weitere Prognose wagten die Armageddonisten hinsichtlich des Verlusts, der bei der Schweizer Nationalbank im Jahr 2018 zu erwarten war. Die sogenannte „Prognose“ dafür wurde am 4.12.2018 gestellt. Damit nicht genug, wird noch ein zweiter Prognosebeleg, nun vom 5.12.2018 angeführt. Das Jahr war also fast rum war und der Handelskrieg zwischen den USA und China war in vollem Gange, daneben gab es Befürchtungen, die US-Fed würde die Zinsen weiter anheben. Bei der SNB ist es wichtig zu wissen, dass sie für Zwecke der Wechselkurssteuerung unter anderem Aktienkäufe einsetzt, sodass sie über substantielle Aktienbestände in Höhe von 20 % ihrer Fremdwährungsreserven verfügt. Diese verlieren bei sinkenden Aktienpreisen natürlich an Wert. Am 4. und 5.12.2018 war z.B. der DAX bereits von 13.000 auf 10.700 gefallen. Eine Prognose, dass sich der Preisverfall also mit einem Verlust in der Bilanz der SNB niederschlagen würde, ist absolut wohlfeil.
- In einem Interview mit wallstreet-online empfahlen die Autoren am 3.5.2018 Gold zu kaufen. Zugegeben – Gold ist gut gelaufen. Die Prognose an sich ist aber keine Kunst. Denn bereits vor der Corona-Krise gewann Gold seit über 20 Jahren ca. 8 % p.a. an Wert und wächst damit ungefähr vergleichbar mit Aktienrenditen. Also: Prognose ja, eingetroffen ja, aber die Prognose hatte ungefähr die Qualität einer Vorhersage des FC Bayerns als neuem Bundesligameister in der nächsten Saison.
- Aus einem weiteren ihrer fiktionalen Romane mit dem Titel “Sonst knallt´s – Warum wir Wirtschaft und Politik radikal neu denken müssen” wird folgende „Prognose“ zitiert: “Der Wandel kommt immer von unten, von den Menschen, vom Souverän. Gerade wir Europäer wissen, wie das geht. Wenn alle die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wandels erkennen, dann läuft es friedlich – so wie 1989. Wenn die Eliten sich dieser Einsicht zu lange und zu hartnäckig widersetzen, dann läuft es so wie 1789 oder 1848. Es liegt an uns. Wie schon gesagt: Sonst knallt’s!” Also wo knallts denn nun genau? Als Beleg wird die Gelbwestenbewegung von Anfang 2019 benannt. Diese ist allerdings schon lange wieder vorbei und geknallt hat auch nichts. Revolution gab es auch nicht. Also wie gehabt: auf Wunschdenken lässt sich keine belastbare Prognose aufbauen.
- In „Der Crash ist die Lösung“ wird auf Seite 52 geschrieben:
„Wenn wir die Entwicklung in der Finanzwelt seit dem Lehmancrash 2008 betrachten, müssen wir leider zu dem Schluss kommen, dass keinerlei Lerneffekte bei den Protagonisten der Finanzbranche stattgefunden haben.“ Ist das jetzt eine Prognose oder eine Aussage oder eine Schlussfolgerung? Man weiß es nicht. Die Formulierung „keinerlei“ impliziert, dass sich im Finanzsektor seit der Finanzkrise nichts getan hätte. Es ist heutzutage allerdings keineswegs mehr ein Vergnügen eine Bank oder auch nur einen Finanzdienstleister zu führen oder auch nur in ihm zu arbeiten (Stichwort Compliance und tausendseitige EU-Richtlinien). Eine ganze Lawine an Regulierung über die Branche hereingebrochen und sorgte für sinkende Margen (was isoliert betrachtet tatsächlich selbst zu höheren Risiken führen sollte) und steigende Gebühren für Bankkunden. Die Corona-Krise haben die Banken – von Skeptikerseite wohl wider Erwarten – bis jetzt im Wesentlichen gut überstanden. Insbesondere hat Dr. Kra(wa)ll mit seiner Prognose auf ganzer Linie versagt. Wann wenn nicht jetzt müssten Banken schon längst reihenweise fallen, wenn sie schon ohne Corona im Herbst 2020 alle pleite gewesen sein sollten? Nichts davon ist Stand heute auch nur erahnbar.
- Eine der wohlfeilsten „Prognosen“ wird im fiktionalen Roman „Der Crash ist die Lösung“ auf Seite 47 präsentiert: „Auch der Deutschen Bank blüht noch jede Menge teurer Ärger.“ Das ist leider dermaßen unspezifisch formuliert und durch Jahre der praktischen Evidenz auch so erschreckend unoriginell, dass das von Grund auf nicht als Prognose anzuerkennen ist. Deshalb kann sie auch nicht als erfüllt und damit richtig prognostiziert bezeichnet werden.
- Weitere Thesen/“Prognosen“, die offenbar nicht eingetreten sind (Quelle):
- „Der Euro werde scheitern, derzeit werde auf Zeit gespielt. Ein mögliches Ende sei, falls Le Pen 2017 in Frankreich die Wahl gewinne und Frankreich aus dem Euro austrete.“
- „China wird eine harte Landung hinlegen.“
- „Beim nächsten Crash können die Staaten nicht mehr retten.“ – Die Aussagen in der Quelle stammen aus 2015.
Das war nur ein kleiner Ausschnitt aus dem kruden Kuriositätenkabinett, das öffentlich unter der Rubrik „Eingetroffene Prognosen“ verkauft wird – immerhin ohne Geld dafür zu verlangen. Es verwundert dennoch nicht, dass das Ergebnis so ausfällt wie es ausfällt. Denn bei den Voraussetzungen einer Prognose – Nichttrivialität, Objektivität, Validität – scheitern Friedrich und Weik in den meisten Fällen schon an der Nichttrivialität (Deutsche Bank, Zinssteigerungen, Europawahl). Dies sind „Prognosen“, die einem Konsumenten seriöser überregionaler Medien bereits schlicht als „Nachrichten“ bekannt sind und die zur allgemeinen Information eines Bürgers mit einem Mindestanspruch an geistiger Selbstbestimmung gehören. Dass die „Prognosen“ im Publikum trotzdem verfangen, spricht auch gegen die politisch oft propagierte Wissensgesellschaft, die in Deutschland in weiten Teilen schlicht nicht festzustellen ist.
Unsere neue Artikelserie zur nationalen Katastrophe des grassierenden Crashprophetentums geht in Kürze weiter.
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Also ich habe Marc Friedrich viel zu verdanken. Dank seiner Bücher und Videos habe ich mich erstmal mit Finanzen beschäftigt und bin auch frühzeitig zB. in Edelmetalle, Bitcoin und Uranminen eingestiegen.
Gar keine Frage, dass er nicht auch Anstöße geben kann und im Einzelfall hilfreiche Hinweise gibt. Trotzdem erscheint uns eine kritische Betrachtung der öffentlichen Figur Marc Friedrich mit seinen Prognosen und Fehlprognosen und dem Umgang damit, mit der Argentinien-Story etc. geboten. Der Erfolg von Bitcoin bleibt zudem b.a.W. eine Momentbetrachtung.