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Die Zerstörung der Vermögensbildung. Eine Abrechnung. (Teil I)

Die Zinsen bei Null. Bewertungsexpansion. Renditekompression. Produkthandelsverbote. Produkthandelseinschränkungen durch MiFiD 2. Innerhalb von fünf Jahren doppelt so viele Steuerzahler im Spitzensteuersatz. Keine Steuersenkung trotz Rekordsteuereinnahmen. Einführung der Finanztransaktionssteuer. Steuerverschärfungen. Besteuerung unrealisierter Gewinne. Kalte Progression. Der Privatanleger hat einen schweren Stand in Deutschland. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

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Nach § 3 der Abgabenordnung stellen Steuern nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung dar und werden von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt. Das ist für uns auch völlig in Ordnung. Wir stellen den Staat nicht infrage und der Staat soll seinen Anteil bekommen. Der Staat hat Aufgaben, diese Aufgaben müssen finanziert werden. Für die Finanzierung erhebt der Staat Steuern. Diese sind grundgesetzkonform auszugestalten. Das ist für uns der rechtliche Status Quo.

Wirtschaftlich gesehen sollte der Staat aber doch durchaus gehalten sein, mit dem Geld, das er mittels Steuererhebung einnimmt, vernünftig umzugehen. Und genau hier knirscht es doch ganz gewaltig im Getriebe. Sei es, dass wir seit Jahren Verteidigungsausgaben im Bereich um 30 Milliarden Euro im Jahr haben, aber eine im Wesentlichen nach wie vor lediglich bedingt einsatzbereite Bundeswehr vorfinden. Sei es, dass die Verteidigungsministerin in unverantwortlicher Weise mit Beratungsverträgen und Steuergeld umgeht.

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Aber nicht nur ausgabenseitig hakt es. Sei es, dass Deutschland eine exorbitant teure und ineffiziente Energiewende auferlegt wird, die mit zu den teuersten Strom- und Treibstoffpreisen in Europa führen. Sei es, dass Mobilfunklizenzen in einer Weise versteigert werden, die dazu führt, dass Deutschland auch bei den Mobilfunk- und Internetpreisen zu den Spitzenreitern in der umgedrehten Bestenliste gehört. Das sind nur die bekanntesten Sachverhalte. Graben wir etwas tiefer.

Die Verschärfung der Finanzkrise durch Rot-Grün

Wir befinden uns im Jahr 2003, mitten in der Post-Dot-Com-Krise. Es regieren die SPD und die Grünen. In einem Dokument mit dem Titel „Finanzplatz Deutschland weiter fördern“ finden sich wahre politische Perlen. So wird die Bundesregierung vom Bundestag aufgefordert, unter anderem

  • für die Regelungen des Anlegerschutz eine Kosten- und Nutzenanalyse zu erstellen, da der Anleger mit
    den Kosten für seinen Schutz belastet wird
  • sich bei Rechtsetzungsakten auf EU-Ebene, insbesondere bei der anstehenden Novellierung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und der Verbraucherkreditrichtlinie, für am Leitbild des mündigen Anlegers bzw. Verbrauchers orientierte Regelungen einzusetzen, dabei übermäßige Regulierungen und administrative Hürden zu vermeiden und die wirtschaftlichen Konsequenzen und Belastungen für die Finanzdienstleister in ihrer Diversität mit zu berücksichtigen

Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 15/930 – Finanzplatz Deutschland weiter fördern

Was müssen das für goldene Zeiten für Anleger gewesen sein! Die Politik richtet sich am mündigen Anleger bzw. Verbraucher aus! Aber – zu früh gefreut. All das ist heute natürlich längst passé. Viel interessanter ist jedoch der folgende Punkt:

„Verbriefungsmarkt“

  • nach der Befreiung der Zweckgesellschaften von der Gewerbesteuer weitere Maßnahmen zur Schaffung eines leistungsfähigen, international wettbewerbsfähigen Verbriefungsmarktes in Deutschland zu prüfen.

Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 15/930 – Finanzplatz Deutschland weiter fördern

Unterzeichner dieses Antrags, und das darf man heutzutage ruhig auch noch einmal betonen, sind Franz Müntefering für die SPD sowie Katrin Göring-Eckardt für die Grünen.

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Am 6. März des Jahres 2003 hatte Schröders Finanzminister das Dach auf seine Finanzmarktpolitik gesetzt und war in die Goethe-Universität in Frankfurt gegangen, um sich preisen zu lassen. Der Bundesbankpräsident ist da und die ganze Branche.
Der Finanzminister rühmt die Branche, ihre Kraft als „einer der größten Arbeitgeber in Deutschland“. „Hedgefonds“, sagt Eichel, „sollen gegenüber herkömmlichen Investmentfonds nicht mehr diskriminiert werden.“ Für Asset Backed Securities sollten die Bedingungen in Deutschland verbessert werden. Von Verbriefungen redet Eichel weiter und schwärmt, dass „private Anleger von den höheren Renditen der Hedgefonds profitieren könnten“.
Verbriefungen, Hedgefonds, Asset Backed Securities, Handel mit Krediten – Begriffe, die wir heute wieder hören, die als Auslöser der Weltfinanzkrise genannt werden.
[…] Wenn man einen, der alles miterlebt hat, hautnah, nach diesen Gesetzen fragt, dann holt dieser Jemand, den man nicht nennen kann, tief Luft und sagt: „Was wir da gemacht haben, dagegen ist die Agenda 2010 in ihren Auswirkungen ein Klacks.“ Bis auf ein paar Fachleute habe damals niemand gemerkt, was vor sich ging. „Das“, sagt er, „war auch besser so.“
www.spiegel.de, vom 04.03.2009

Der deutsche Verbriefungsmarkt sollte also aktiv durch die Regierung (Hans Eichel, SPD) entwickelt und vorangetrieben werden. Jörg Asmussen schrieb hierzu:

Das BMF hat viele Initiativen ergriffen… Dabei war uns wichtig, dass sich auch der Markt für ABS in Deutschland stärker als bislang entwickelt. […] Risikogerecht wird für viele Kreditinstitute die Eigenkapitalanforderung an ihre ABS-Bestände sinken und für sie der Erwerb von ABS zur Diversifizierung ihres Portfolios wesentlich erleichtert. Seitens der BMF wird im Umsetzungsprozess der Basel II-Regeln für ABS vor allem auch darauf geachtet werden, dass den Instituten keine unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten entstehen werden, wenn sie in ‚gängige‘ ABS-Produkte mit gutem Rating investieren.
„Verbriefung aus Sicht des Bundesfinanzministeriums“, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2006, S. 1016.

Wer ist nun Jörg Asmussen? Zunächst einmal – man ahnt es womöglich schon – ist er ein Mitglied der SPD. Darüber hinaus war er aber auch Aufsichtsrat der Industriekreditbank, kurz IKB. Zehn Monate nach Asmussens oben zitiertem Beitrag war die IKB pleite. Grund für die Pleite: ABS, Verbriefungsprodukte. Den Steuerzahler kostete das mehr als 10 Milliarden Euro. Größter Aktionär der IKB war die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die auch den Löwenanteil des Rettungspakets schulterte.

Im Verwaltungsrat der KfW wiederum saß Oskar Lafontaine, seines Zeichens ehemaliges SPD-Mitglied, seit 2005 Mitglied der Linkspartei und regelmäßig als Rechthaber und Besserwisser zu politischen Talk-Shows eingeladen. Lafontaine war nicht nur während der IKB-Rettung im Verwaltungsrat, sondern auch noch zum Zeitpunkt der Millionen-Überweisung an die bereits insolvente Lehman Brothers Bank. Lafontaine gab aber selbst zu, nicht an jeder Verwaltungsratssitzung teilgenommen zu haben – guter Aufseher! – und zum anderen natürlich auch allgemein einfach nichts gewusst zu haben. Weil ihm natürlich die Detailinformationen vorenthalten wurden. Die KfW schreibt zur Aufgabe des Verwaltungsrats: „Der Verwaltungsrat und seine Ausschüsse überwachen die Geschäftsführung […].“ Offenbar gilt das nicht für jedes Verwaltungsratsmitglied.

Aber kommen wir wieder zurück zu Asmussen. Asmussen saß daneben auch noch im Verwaltungsrat der BaFin (der obersten Bankaufsichtsbehörde) und wurde aufgrund seiner oben dargestellten praxistauglichen Aufsichtsexpertise danach noch von Peer Steinbrück (SPD) zum Staatssekretär im Finanzministerium bestellt und – analog Ursula von der Leyen & Peter-Prinzip – am Ende auch noch in das EZB-Direktorium berufen. Asmussen war nun aber mit seinen bisher schon genannten Rats-Positionen immer noch nicht ausgelastet und so saß er – im Auftrag des Finanzministeriums – auch noch im Gesellschafterbeirat der 2004 von 13 Banken (einschließlich der mit Staatsgeld geretteten WestLB und BayernLB) gegründeten True Sale International GmbH, einer Gesellschaft, die sich für den Ausbau des deutschen Verbriefungsmarktes für forderungsbesicherte Wertpapiere (ABS) einsetzt. Der Gesellschafterbeiratsvorsitzende kommt auch heute noch von der KfW, der Staat sitzt also nach wie vor mittendrin. 

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»True Sale kommt in Schwung«, »Verbriefungen liegen im Trend« und »Rekord bei der Verbriefung von Kreditrisiken« lauteten die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse und machten darauf aufmerksam, dass die deutsche  Wirtschaft auf breiter Front ein neues Finanzinstrument einsetzt, das noch vor 15 Jahren hierzulande kaum jemandem bekannt war. […] Bis Ende des Jahres 2005 hatten bereits über 80% der börsennotierten europäischen Kreditinstitute mindestens eine Verbriefungstransaktion durchgeführt, darunter auch alle deutschen Großbanken. Banken gehen zunehmend dazu über, ihre Kreditrisiken aktiv zu steuern, d.h. Kredite während der Laufzeit zu veräußern und Kreditrisiken auf Dritte zu übertragen.
Verbriefung von Krediten und Forderungen in Deutschland, Hans-Böckler-Stiftung

Bei der True Sale International GmbH handelt es sich konkret um eine Gesellschaft zur Förderung der sogenannten True-Sale-Verbriefung. Dabei wird nicht nur das Kreditrisiko aus der Bankbilanz herausgelöst (synthetische Verbriefung), sondern auch das dazugehörige Risikoaktivum verschwindet komplett aus der Bilanz in einer Zweckgesellschaft. Der Rest ist bekannt und Geschichte. Wir empfehlen an dieser Stelle die Lektüre dieses Buches*, das sehr gut beschreibt, was grundsätzlich passieren kann, wenn man Bilanzauslagerung fördert.

Nun wollen wir nicht alles verteufeln, was im Zusammenhang mit Verbriefungen steht – wir kommen später noch zu einem vergleichbaren Thema. Dennoch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Rot und Grün in der Zeit vor der Finanzkrise Hand in Hand proaktiv daran gearbeitet haben, auch in Deutschland die ausschlaggebenden gesetzgeberischen Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Finanzkrise in Deutschland so richtig schön durchschlagen konnte.

Laut Wikipedia saß Jörg Asmussen in der Folgezeit nach der Finanzkrise im Lenkungsausschuss des Bankenrettungsfonds SoFFin sowie im „Wirtschaftsfonds Deutschland“, der ohne parlamentarische Kontrolle über Staatsbürgschaften für Unternehmen entscheidet. Er war außerdem eines von sechs Mitgliedern der Expertengruppe „Neue Finanzmarktarchitektur“. Dieses Gremium sollte Vorschläge für neue Finanzmarktregeln (Finanzmarktregulierungen) entwerfen, die unter anderem eine Erhöhung der Markttransparenz zum Ziel haben. Abenteuerlich, wie ein Deregulierer sich um 180 Grad wenden soll und auf einmal regulieren soll!

Die Finanzkrise und die Bankenrettung

Aber kommen wir von der Finanzkrise zur Bankenrettung. Hierzu gibt es einen sehr schönen Artikel von Horst von Buttlar, Chef-Redakteur der Capital, der leider und kurioserweise nur auf stern.de online verfügbar ist. Darin heißt es:

Während die Deutschen damals wochenlange Grundsatzdiskussionen führten, ob man Banken in Teilen zwangsverstaatlichen darf, machte die US-Regierung kurzen Prozess und beteiligte sich auch an Banken, die scheinbar gar keine Hilfe benötigten.

Das Ergebnis ist dann auch das Folgende: 

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  • Die Deutschen verloren rund 46 Milliarden Dollar. Bund und Länder setzten vor allem auf Garantien, was weniger riskant wirkte – sich aber nicht auszahlte
  • Die USA kamen mit einem Plus in Höhe von 47,8 Milliarden Dollar raus. Denn als sie sich von ihren Anteilen an den Banken, die sie kurzerhand und schnell rekapitalisiert hatten, trennten, waren die Kurse wieder gestiegen.

Wieder einmal haben sich Deutschlands Politiker finanziell blamiert. Wir gehen mit genau dem gleichen Betrag mit einem Minus auf der Bankenrettung, den die USA als Plus verbuchten. Kernaussage an dieser Stelle soll sein: man muss mit Bankenrettungen nicht zwingend Verlust machen. Deutschlands Politiker, mittlerweile Schwarz und Rot, haben jedoch knapp 50 Milliarden Euro versenkt. Das entspricht in etwa einem Sechstel der Jahresausgaben des Bundes. 

Der größte Steuerraub der Geschichte

Wir gehen zurück ins Jahr 1992. 

Im hessischen Wirtschaftsministerium arbeitet zur selben Zeit August Schäfer. Er ist der Mann, der zum ersten Mal vor Cum-Ex warnt. 1992 ist das. Vor einem Vierteljahrhundert. Damals, sagt Schäfer, sei er der „meistgehasste Mann an der Frankfurter Börse“ gewesen. Ihm fällt auf, dass viele Makler dort vom Staat gewaltige Summen an Kapitalertragsteuer zurückbekommen, zum Teil zweistellige Millionenbeträge. Zuvor haben die Makler riesige Aktienpakete von Unternehmen wie Bayer gekauft, nur um sie einen Tag später an den Voreigentümer zurückzuverkaufen. „Die Schlitzohren“, erkennt Schäfer, „haben den Staat reingelegt.“ […] Es gibt einen geheimen Bericht. Er wurde nie veröffentlicht. Der ZEIT, ZEIT ONLINE und dem ARD-Magazin Panorama liegt er in Auszügen vor. Darin beschreibt Schäfer im Jahr 1992, wie die Geschäfte auf Kosten des Staates funktionieren. In dem Bericht geht es um Cum-Cum-Geschäfte, aber auch Cum-Ex spielt eine Rolle. In beiden Fällen handelt es sich um Deals auf Kosten des Staates. […] Über seinen Bericht, sagt Schäfer, sei auch der damalige hessische Ministerpräsident Hans Eichel informiert worden. Sechs Jahre später, 1998, wird er unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Finanzminister. Was also wusste Hans Eichel? Und was unternahm sein Ministerium?
zeit.de, Der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte

Die Antwort auf die Frage ist kurz: nichts. Als Bundesfinanzminister habe Hans Eichel (SPD) von Cum-Cum oder Cum-Ex nichts erfahren. „Ich kann mich nicht erinnern, dass das je in irgendeiner Besprechung Thema gewesen ist.“

Die Party geht weiter und wir springen in das Jahr 2002, wieder Rot-Grün, Finanzminister ist immer noch Hans Eichel (SPD). Im Dezember dieses Jahres schreibt der Bankenverband an das Bundesfinanzministerium: es könne geschehen, dass eine Aktie zwei Eigentümer habe – einen wirtschaftlichen und einen juristischen. Die Kapitalertragsteuer werde dann vom Staat doppelt zurückerstattet. Dazu liefert der Bankenverband einen Gesetzesvorschlag, der die Lücke schließen könnte. Man weist also nicht nur auf das Problem hin, sondern gibt die Lösung gleich dazu. 

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Der Staat reagiert gewohnt unverzüglich: nach nur ganzen zwölf Monaten trifft sich der Referatsleiter im Finanzministerium mit dem Bankenverband, um das Thema zu besprechen. Am Ende wurde der Bankenvorschlag sogar Gesetz. Doch immer noch war die Lücke nicht gestopft. Im Jahr 2007 erhielt der neue Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Post von der CSU. Die Cum-/Ex-Lücke wird nun nicht mehr durch inländische Banken, sondern durch ausländische Banken ausgenutzt. Im März 2009 schreibt ein Whistleblower an einen Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums, er schätzt den bereits entstandenen Schaden zum damaligen Zeitpunkt bereits auf 12 Milliarden Euro. 

Erst im Jahr 2012, zwanzig Jahre (!) nach dem ersten Hinweis auf Cum-/Ex-Geschäfte reagiert der Staat und macht das Modell unmöglich. Weitere vier Jahre dauert es, um die Alternativgestaltung Cum-/Cum zu verhindern. Ein unfassbares Politikversagen auf Kosten jedes einzelnen ehrlichen Steuerzahlers, von dem bei jeder monatlichen Gehaltsabrechnung pünktlich sämtliche Steuern auf den Cent genau einbehalten werden. Diese Ungleichbehandlung, dem Milliardenbetrug jahrelang untätig zuzuschauen, bei den kleinen Leuten aber die steuerlichen Daumenschrauben ständig anzuziehen, ist eine Klatsche sondergleichen.

Allerdings war die Party nun immer noch nicht vorbei. Man denkt, es könnte alles nicht noch krasser und unfassbarer werden. Doch weit gefehlt. Ebenfalls im Jahr 2016 waren die Finanzaufsicht Bafin und das Bundeszentralamt für Steuern durch Ermittlungen der amerikanischen Börsenaufsicht SEC über Unregelmäßigkeiten beim ADR-Handel informiert worden. Angeblich, obwohl Cum-/Ex-Betrug seit Jahren eines der brennendsten Themen ist, erfuhr das Bundesfinanzministerium hiervon nichts. Demnach blieb das Bundeszentralamt sogar untätig, als Beamte im Sommer 2017 von internen Ermittlungen einer Bank in dieser Sache erfahren haben. Erst als WDR und Süddeutsche Ende 2018 über das Thema berichteten, klingelten die Alarmglocken, Finanzminister dort seit März 2018: Olaf Scholz (SPD). In Berlin dauern die Sachen offenbar nicht nur beim Flughafenbau etwas länger. Dass das Ministerium erst auf Medienanfragen hin ermittele, sei „kaum zu glauben“, sagt FDP-Finanzexperte Florian Toncar. 

Uns als Steuerzahler kippt bei jedem neuen Absatz die Kinnlade weiter runter. Der Staat hat natürlich extrem aufmunitioniert angesichts der Lage. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung arbeiten in der Ermittlungsgruppe „Stopp“ mittlerweile ganze 15 Fahnder. Der Steuerschaden beläuft sich nach aktuellen Schätzungen auf mehr als 55 Milliarden Euro. Ein absolut adäquates Verhältnis. Der Staat räumt offensichtlich auf!

Wir wollen an dieser Stelle noch anfügen, dass sicherlich auch auf der Gegenseite eine gehörige Portion kriminelle Energie vorhanden war. Dennoch. Der Staat macht die Gesetze, und gerade wenn er auf Fehlverhalten hingewiesen wird, hat er entweder die Einhaltung durchzusetzen oder sie zu korrigieren. So auch die Vorsitzende Richterin am BFH, Monika Jachmann-Michel:

Erlaubt das Steuergesetz für bestimmte Konstellationen – zumindest bei einer nachvollziehbaren Auslegung – eine mehrfache Erstattung eines nur einmal erhobenen Betrags – so beim unstreitig moralisch höchst fragwürdigen – Cum-Ex-Geschäft – bedarf es keiner Steuergestaltung, wenn der Steuerpflichtige diese Möglichkeit nutzt. Vielmehr wäre es Sache des Steuergesetzgebers, auf derartige gesetzliche Fehler – anders als bei den Cum-Ex-Geschäften geschehen – sofort zu reagieren.
[…] Vielleicht ist angesichts der „Cum-Ex/Cum-Cum-Debatte“ die Zeit gekommen, dass der Steuergesetzgeber endlich die politische Kraft findet, den längst überfälligen Kurs in Richtung einfacher, handhabbare Gesetze einzuschlagen. Wenn sich der Steuerstaat trotz langjähriger Forderungen von Wissenschaft und Praxis nach einfachen Steuergesetzen samt konkreter Gesetzesentwürfe weiterhin in der eigenen Kompliziertheit verstrickt, hat der Steuerpflichtige dies nicht zu kompensieren. Im rechtsstaatlichen Steuerstaat gilt: Keine Steuer ohne Gesetz und die Höhe der Steuer genau nach der gesetzlichen Vorgabe.
Zeitschrift StuW 2017

Fassen wir also zusammen. Alleine die technisch völlig verfehlte Bankenrettung kostet den Steuerzahler 50 Milliarden, nun kommen noch 55 Milliarden aus Cum-/Ex-Steuerausfällen hinzu, die dem Staat jahrzehntelang bekannt waren. Keiner der ehemaligen oder amtierenden Finanzminister mag sich jedoch an irgendetwas erinnern. Das sind im Übrigen nur zwei Punkte unter vielen, die wir hier jetzt dargestellt haben. Dennoch möchte Olaf Scholz nach alledem den kleinen Sparer bestrafen, der für dreistellige politikverursachte Milliardenausfälle am allerwenigsten kann, und eine Aktienstrafsteuer einführen. Nach all den Frechheiten, der Misswirtschaft, dem Politikversagen der letzten Jahre kommt nun Olaf Scholz an und möchte aus komplett willkürlichen Gründen Aktiengeschäfte besteuern.

SPIEGEL ONLINE: Wird es beim EU-Finanzministertreffen im Dezember einen verbindlichen Beschluss dazu geben, unter welchen Umständen die Digitalsteuer kommt?
Scholz: Ich bin dafür. Wie schon gesagt, bin ich für verbindliche Festlegungen. Politik sollte nicht aus Formelkompromissen bestehen; so wie das bisher bei der Finanztransaktionsteuer der Fall ist. Die steht schon zum zweiten Mal im Koalitionsvertrag und wird rhetorisch von vielen Ländern unterstützt. Aber wenn die Gespräche so weitergehen, diskutieren wir noch in hundert Jahren darüber. Deshalb unterstütze ich das Modell nach französischem Vorbild und möchte die Einnahmen der EU zur Verfügung stellen.
SPIEGEL ONLINE: Die wird nur auf Geschäfte mit bestimmten Aktien erhoben, nicht auf Derivate oder Anleihen. Der Vorschlag der EU-Kommission ging deutlich weiter.
Scholz: Ja, die französische Transaktionsteuer ist begrenzter, aber vielleicht können sich, wenn die Einnahmen der EU zufließen und die nationalen Beiträge zum EU-Haushalt dadurch geringer ausfallen können, alle darauf verständigen. Das wären mal Taten statt Worte. Manche Länder wollen am liebsten alle Transaktionen besteuern, andere gar keine. Wer Dinge innerhalb der EU voranbringen will, muss mit 27 Partnern nach Kompromissen suchen.
spiegel.de

Es geht Scholz also explizit NICHT darum, den weltweiten Derivatemarkt oder den Nanosekundenhandel, Algorithmentrading und andere moderne Pervertierungen oder z.B. Märkte zu treffen, die die Finanzkrise oder Flash-Crashs mitausgelöst haben. Es geht ihm auch nicht darum, irgendeinen konkreten Steuerungszweck mit der Besteuerung von Aktientransaktionen zu erreichen. Es geht schlicht darum, überhaupt eine Finanztransaktionsteuer als Selbstzweck einzuführen. Ohne Sinn und Verstand. 

Nachdem die Große Koalition regelmäßig euphemistisch formuliert, also z.B. Finanztransaktionsteuer, Respektrente etc., werden wir die Scholz-Steuer als das bezeichnen, was sie ist: eine Aktienstrafsteuer. Eine Steuer auf private Altersvorsorge. Eine Steuer auf Vermögensbildung. Eine Steuer auf den Versuch, sich einen Ersatz für die nicht auskömmliche gesetzlich(verpflichtend trotzdem zu zahlend)e Rente zu schaffen. Eine Steuer auf den Versuch der Umverteilung von Oben nach Unten. Eine Steuer auf Eigenverantwortung. 

Zugleich hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) offenbar angedeutet, zur Finanzierung der Rente die umstrittene Finanztransaktionssteuer zur Not im nationalen Alleingang durchzuboxen. Darüber hinaus bezweifelt er, dass eine Aktiensteuer wirklich die Einnahmen bringt, die sich Scholz und Heil davon versprechen. Als Schweden eine entsprechende Abgabe im nationalen Alleingang einführte, nahmen die Einnahmen im Laufe der Jahre eher ab als zu.
welt.de

Ohne Worte. Politikversagen in SPD-Finanzministertradition. Auf dem Rücken des kleinen Sparers.

Weiter geht es kurzfristig mit dem zweiten Teil!

 

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4 Gedanken zu „Die Zerstörung der Vermögensbildung. Eine Abrechnung. (Teil I)“

  1. Nanu, atypisch still holt aus zum ganz großen Rundumschlag?

    Danke für die Erinnerung an die finanzpolitischen Verfehlungen der letzten Jahrzehnte. Zum Glück gehts mir nicht anders als dem typischen Wähler, der alle 4 Jahre ans gleißende Licht der Wahlurne gezerrt wird und in der übrigen Zeit mit politischem Kleinklein abgelenkt wird, sofern er sich bei dem ganzen täglichen Polit-Hickhack noch interessiert.

    Während andere sich bei dieser Sachlage abwenden und über zypriotische LLCs, panamaische Stiftungen oder österreichische Vereine nachdenken, die alle eine Auswanderung erfordern, hat atypisch still seinen Ausweg im hiesigen Gesellschaftsrecht gefunden. Ein interessanter Weg, den ich hier gerne verfolge.

    Bin gespannt auf die Fortsetzung, befürchte aber, ein Happ End wird ausbleiben.

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