Die wohl interessantesten drei Wochen aus Investorenperspektive seit der Finanzkrise liegen hinter uns. Wie wir diese Zeit erlebt haben, wie wir gehandelt haben, wie wir die Zukunft sehen, das alles in unserem heutigen Artikel.
Es ist wohl ein Treppenwitz der Geschichte, dass nur Tage nachdem wir über den medial verbreiteten Blödsinn der Crashpropheten berichtet haben tatsächlich eine im Langfristchart sichtbare Kurskorrektur an der Börse einsetzt. Nun hatten sich die genannten Personen gerade so schön auf einen Crash „bis zum Jahr 2023“ festgelegt, und schwuppdiwupp macht die Realität die ganzen Fantastereien zunichte. Wir haben uns aus dieser Perspektive zunächst sehr gefreut, da wir dachten, dass das Geschäft der Propagandisten nun erschwert wird oder sich erübrigt.
Sehr wahrscheinlich aber wohl nicht, weil das Verschuldungsthema natürlich nicht automatisch besser wird in einer unsicheren Zeit und seitens der einschlägigen Propagandisten ohnehin jeder kleinste Aspekt des Tagesgeschehens als glasklarer Crash-Indikator umgedeutet wird, so lächerlich und dumm die Argumentation dadurch auch wird. Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.: politisch-moralischer Crash. Abgang von AKK: Absturz der CDU und der Volksparteien mit dem Ergebnis des totalen politischen Crashs. Womöglich bald auch der absehbare Abgang der Kanzlerin: Crash. Überall nur Indizien für den Verfall, für den Crash, für das totale Chaos. Völliger Blödsinn können wir da nur sagen.
So steht zu befürchten, dass wir weiter von dem Crash-Dampfgeplauder belästigt werden und die sogenannten Finanzmedien in Deutschland diese Machwerke weiter unkritisch verbreiten. Wir möchten betonen, dass dafür, dass sich die Crash-Propheten regelmäßig als „Ökonomen“ und „Akademiker“ bezeichnen lassen – was dem verliehenen Titel nach nicht falsch ist, aber überhaupt nicht für die deutsche Hochschullandschaft spricht -, Ausarbeitungen solch minderer Qualität an Hochschulen sicherlich krachend scheitern dürften. Dabei ist selbstredend nicht die Analyse falsch, die oft aber auch nur an einer Aneinanderreihung unbestreitbarer Fakten besteht – im Bild-Zeitungs-Schlagzeilen-Stil. Wohl aber ist die weitere Verarbeitung falsch, die Verknüpfung, die Fortführung und die Schlussfolgerung in der Regel haarsträubend unwissenschaftlich und unseriös. Im Ergebnis für verständige Anleger also komplett unbrauchbar.
Die sogenannten Fonds der Crashpropheten, bei denen wir kürzlich über so einige Ungereimtheiten berichteten, liefern ja eine einzige Magerperformance. Dabei wird regelmäßig argumentiert, dass es den Crash-Fondsinitiatoren nicht um die höchste Wertsteigerung, sondern um Werterhalt geht. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass wir laut Flossbach von Storch Vermögenspreisindex seit Jahren eine Vermögenspreisinflation von um die sechs, sieben, acht Prozent pro Jahr haben. Hundertjährige Aktiencharts sagen nichts anderes aus. Eine Anlage, die also lediglich mit Null rentiert, macht real eine Negativrendite von -7%.
Diesem Ergebnis liegt die Überlegung zugrunde, dass eine Anlage von 100 in Aktien nach einem Jahr statistisch-stochastisch einen Erwartungswert von wohl etwa 107 hat, der Crash-Fonds aber weiter bei 100 steht. Legt man daneben die Ausweitung des EZB-Geldmengenaggregats M3, das eine angestrebte geldpolitische Zielgröße von +4,5 % p.a. aufweist, so ist es völlig unverständlich, warum man in eine Anlage mit weniger als 4,5 % p.a. investieren soll, wenn man tatsächlich Werterhalt anstrebt. Wir investieren ausschließlich in die langfristig höchstrentierende realistisch handelbare Anlageklasse (damit fällt Ackerland und Single Malt Whisky raus) und das ist nach wie vor die Beteiligung an unternehmerischem Engagement im Durchführungsweg der börsengehandelten Aktie. Nichts ist langfristig so kraftvoll und wertschöpfend wie menschliche, unternehmerische Schaffenskraft. Aktien deshalb den Sachwertcharakter absprechen zu wollen, wie das beim ein oder anderen Crashprophet ab und zu mal vorkommen soll, ist völlig abwegig.
Der DAX hat seit seiner Gründung 1988 bis zum heutigen Tag (DAX-Stand 10.800) rechnerisch in jedem einzelnen Jahr 7,7 % abgeliefert. Und da sind bereits die Tequila-Krise, die Asienkrise, die Russlandkrise, die LTCM-Krise, die Dot-Com-Krise, die größte Finanzkrise seit 1930, die Griechenland-, Staatsschulden- und Eurokrise mit enthalten. Und trotzdem 7,7 % in jedem Jahr. Das ist wahrer Werterhalt. Und der DAX ist nun schon wahrlich nicht der knusprigste Keks in der Index-Dose.
Kommen wir langsam wieder zum Tagesgeschehen: selbstverständlich hat keiner der Crash-Propheten den hinter uns liegenden und damit genau diesen Börsencrash vorhergesagt. Weder den Virenausbruch als Auslöser für eine Marktbereinigung, weder den Ölpreisschock beim politisch festgelegten Ölpreis. Es ist eine Binsenweisheit. Niemand kann die Zukunfts voraussagen und niemand kann Crashs prognostizieren. Diese kommen ohnehin alle paar Jahre und eine solche Prognose hat den Wert des Inhalts einer Windel. Vor allem aber wird der jetzige (Börsen-)Crash mit größter Wahrscheinlichkeit nicht im Weltsystemcrash, im totalen Crash, in der Revolution oder ähnlichem Blödsinn enden. Wir werden das weiter beobachten, welche sogenannten Prognosen alle nicht eingetreten sein werden. Der Kapitalismus und die Gestaltungskraft der Menschheit wird auch über diese Pessimisten siegen.
Bekanntlich sind wir als Atypisch-Still-Blog unter denjenigen Wenigen, die aktiv einen Wertpapierkredit nutzen und damit ein ziemlich heißes Rad drehen. Genauso bekannt ist, dass Wertpapierkredite in Krisen nicht sonderlich hilfreich sind. Wir haben uns intensiv mit dem Wertpapierkredit, seiner Funktionsweise, seinen Chancen und Risiken, aber auch mit seiner Absicherung auseinandergesetzt. So fahren wir eine Absicherungsstrategie mit Rahmenkrediten. Uns kam nun – rückblickend – bereits zugute, dass wir einen Teil des Depots im Dezember für eine private Investitionsfinanzierung aufgelöst haben. Bei einem DAX-Stand von ca. 13.350, also nicht übermäßig unglücklich, und trotzdem fühlte sich jeder Teilverkauf so an, als müsste man wählen, von welchem Finger man sich trennen soll.
Im Laufe des Januars hat sich dann die Corona-Krise in China sehr dynamisch entwickelt. Selbstverständlich haben wir unsere Augen und Ohren sehr nah am Markt und am Tagesgeschehen. Man kann kein guter (aktiver) Investor werden, wenn man nicht regelmäßig seriöse Nachrichten konsumiert. Ja, wir gucken täglich in unser Depot. Ja, wir lesen die Börsenechtzeitnachrichten. Ja, wir tun alles, was üblicherweise zu unterlassen geraten wird. „Die Information ist der beste Gebrauchsgegenstand, den ich kenne“, hat Gordon Gecko in Wall Street gesagt. Genauso ist es. Im Januar waren wir also bereits voll dabei mit dem Corona-Thema und haben die Entwicklung sehr genau verfolgt. Schon damals war den Nachrichten eine überdurchschnittliche Ansteckungsrate des neues Virus zu entnehmen. Klar ist schon seit Längerem: wenn China hustet, bekommt die Welt eine Erkältung. Solange aber die Aktienkurse nicht beginnen zu fallen haben wir überhaupt keine Veranlassung irgendwelche Transaktionen vorzunehmen. Und wäre eine „normale Wirtschaftskrise“ im Anmarsch gewesen, die von Politik und Notenbanken in irgendeiner Weise gelindert werden kann, hätten wir unser Buy & Hold unbeeindruckt durchgezogen.
Es ist aber keine normale Wirtschaftskrise, sondern dem Grunde nach eher eine weltweite Naturkatastrophe. Diese ist weder von der Politik noch von den Notenbanken beherrschbar. Und das ist der entscheidende Unterschied. In einer solchen Situation kann es keine Sicherheit geben, für niemanden auf der Welt. Das ist also eine der (wenigen) Situationen, in denen auch wir als überzeugte Buy&Hold’ler die Reißleine ziehen und zumindest den kreditfinanzierten Teil unserer Aktien zurückgeben. Wir haben also besonders exponierte Werte bereits am 26.02. (DAX Stand 12.750) aus dem Depot geworfen. Hierzu zählten vor allem Werte mit großem China-Exposure (bspw. LVMH), Restaurantwerte mit substantiellem Chinaanteil (bspw. Starbucks), Tourismuswerte (z.B. Carnival) und Werte, die von Abriegelungen massiv betroffen gewesen wären (Sixt). Zuallererst müssen in einer Situation abreißender Lieferketten mit den potentiellen Auswirkungen auf die Empfänger aber Kreditrisiken aus dem Depot. Deshalb sind unsere wenigen Bankaktien (Aareal Bank, HSBC) komplett rausgeflogen, neben unseren BDCs Main Street Capital und Newtek. Das war der erste Schwung.
Nachdem sich die Abwärtsdynamik an den Märkten sichtbar weiter verstärkte haben wir entschieden, den Wertpapierkredit komplett zurückzufahren – um anschließend in einer komfortablen Rückkaufposition zu sein und jedes kleinste Margin-Call-Risiko auszuschließen. Am 28.02. (DAX-Stand 12.000) haben wir deshalb eine auch für uns bislang beispiellose Verkaufsaktion gestartet und waren ab da aber sowohl für das anstehende Wochenende als auch insgesamt für die anstehenden wirtschaftlich ruppigeren Zeiten gut vorbereitet. Es geht in diesem Fall nicht darum, mit welcher Versessenheit man sein Buy & Hold durchziehen sollte oder nicht. Mit unserem Eigenkapital sind wir nach wie vor voll investiert. Zu einhundert Prozent. Insoweit gibt es auch nach wie vor überhaupt keine Veranlassung aus der bestrentierenden Anlageklasse auszusteigen. Sondern es geht darum, in einer absehbaren Gefahrensituation für das eigene Geld nicht den Helden spielen zu wollen oder Recht behalten zu wollen, eben vor allem dann, wenn man gehebelt unterwegs ist.
Dass die Infektionszahlen in China explodieren werden, zeichnete sich dann relativ früh ab. Offenbar war der Virus überdurchschnittlich ansteckend, es wird mittlerweile von einer R0-Basisreproduktionsrate von ca. 3 berichtet und damit bspw. deutlich über Grippe und Ebola, aber weniger als SARS und Masern. China hat anschließend Hunderte Millionen Menschen in ihren Metropolregionen abgeriegelt. Wir wollen das nicht weiter bewerten, es ist aus Investorensicht auch nicht entscheidend. Wir wissen natürlich selbst nicht mit Sicherheit, wie wertvoll oder wertlos die chinesischen Statistiken sind. Aber dass die Abriegelung Wirkung zeigen musste, war klar. Es war aber auch abzusehen, dass das Virus natürlich nicht auf China begrenzt bleiben wird und dass gleichzeitig kaum ein anderer Staat auf der Welt so entschiedene Maßnahmen wie China ergreifen wird.
Und so verteilte sich das Virus relativ schnell über den Globus. Ende Januar bis Mitte Februar war unsere persönliche Sorge vor allem der Zusammenbruch der Lieferketten aus China in die Welt. Schon das alleine hätte möglicherweise für einen guten Dämpfer der weltwirtschaftlichen Aktivität gesorgt. Mit dem Zeitpunkt unseres Teilverkaufs schlug aber natürlich auch unsere Motivationslage um. Denn jetzt konnte billiger zurückgekauft werden. Der Absturz sollte also möglichst groß werden. Eben aufgrund dieser Ausnahmesituation war für uns selbstverständlich, nicht direkt in die ersten Absturztage hineinzukaufen. Das Messer fiel und fiel.
Sorgen bereitete uns dann die völlig kopflose Leitzinssenkung der US-Notenbank und der damit einhergehende kurzzeitige Marktaufschwung (dead cat bounce). Dass diese Leitzinssenkung im Ergebnis wirkungslos verpufft ist, hätte man durchaus auch absehen können. Denn es ging und geht nach wie vor nicht darum, die Nachfrage zu stimulieren – an ihr mangelte es nicht. Wichtiger wäre es aus Notenbanksicht, Liquidität sicherzustellen. Bei den Banken und bei den Unternehmen. Ob der Zins nun bei 1,75 % oder bei 1,25 % liegt, wird für Unternehmen nicht die Tachonadel in Richtung milliardenschwerer Investitionen drehen, wenn sich eine Rezession am Horizont abzeichnet. Selten eine handwerklich so schlecht gemachte Leitzinsentscheidung gesehen.
Da wir also nun ein Interesse an fallenden Kursen hatten, sahen wir es mit Unbehagen, dass China die Lage allmählich in den Griff zu bekommen schien. Die ersten Arbeiter kehrten in die Fabriken zurück, die Transitbeschränkungen wurden gelockert, sogar in Wuhan wurden zwischenzeitlich erhebliche Erleichterungen beschlossen. Wenn aber China schnell wieder in den Tritt kommt – wovon auszugehen ist -, dann würde der Aktienmarkteinbruch nicht lange währen. Unterdessen stiegen aber die Fallzahlen in Italien und dem Iran sprunghaft an. Der Krisenherd hat sich dadurch schlagartig verlagert. Nicht mehr die Situation in China war ausschlaggebend, sondern eine Schwächung der Wirtschaft in der westlichen Welt wurde kursbestimmend. Und genau an dieser Stelle stehen wir nun heute. Fakt ist, China läuft langsam wieder an und schaut man sich einmal den chinesischen Aktienmarkt an, reibt man sich verwundert die Augen. Der Kursabsturz betrug in der Spitze nur gute 12 %. Wenn aktuell also der erste Wiedereinstieg in den Markt erfolgen sollte, dann aus unserer Sicht in China. Hier scheint das Gröbste schon durch zu sein.
Und uns hat wieder eines maßlos genervt in dieser Krisenzeit, und das ist die Qualität deutscher Finanzmedien. Dass man entscheidende Nachrichten wesentlich früher in englischsprachigen Medien erhält, auch wenn es um deutsche Sachverhalte geht, ist ja nichts Neues. Es ist anscheinend aber nicht möglich, dass in einer solchen Situation einmal eine wirklich umfassende und sauber ausgearbeitete Analyse der Lage als Investitionsgrundlage erstellt wird, die über das Offensichtliche und die Schlagzeilen der Online-Präsenzen der Nachrichtenseiten hinausgeht. Was ist denn entscheidend für den Investor, wenn es gerade akut brennt in China? Da benötigt man detaillierte Informationen darüber, wie denn nun die Fabrikauslastungslage genau ist (auch bei dünner Datenlage), wie die Logistiklage ist, können LKWs fahren, wenn ja, von wo bis wo, wenn nein, wo genau nicht, welche Häfen sind geöffnet, welche sind geschlossen, wie viele Containerschiffe ruhen vor der Küste, wie sieht der Einbruch der Containerschifffahrt konkret aus? Unmengen an Details, die interessant und relevant für den Investor sind, um sich ein eigenes Bild über die Lage machen zu können, anstatt nur vorgekaute oberflächliche Ansichten über das Offensichtliche zu erhalten, die im Ergebnis jeder halbwegs Beteiligte teilen würde.
Und es ist nicht so, dass man diese Informationen nicht erhalten könnte, denn natürlich gibt es genug Leute in China, die als Korrespondenten taugen würden und die aus erster Hand berichten könnten. Nicht einen einzigen Artikel haben wir zur Viruskrise in China gelesen, der uns in Tiefe und Qualität beeindruckt hätte und damit hilfreich gewesen wäre. Das ist aus unserer Sicht das zentrale Problem der deutschen Finanzmedien: es wird zu wenig Mehrwert für den Leser geschaffen. Da werden X Zeitungseiten der Euro am Sonntag reserviert für Kurstabellen für Investmentfonds und für CfDs und anderen Kokolores. Aber dass mal ein tiefgründiger Artikel zur aktuellen Lage über wirklich z.B. ein Dutzend Seiten geht, der einen echten Informationswert hat, das ist anscheinend zu viel verlangt. Stattdessen überspitzt gesagt vier Seiten „Crash – was tun?“ mit drei kleinen Kästchen zu Aktientipps und Favoriten der Redaktion. Schon das allein ist eigentlich eine Frechheit, einen Aktientipp in einen 5x5cm großen Kasten zu pressen. Das ist wirklich wie im Kasino am Roulettetisch zu stehen und zu überlegen, auf welche Zahl man nun setzt. Aber eben üblich in den Finanzmedien.
Aber regen wir uns nicht auf, es bringt nichts. Wir gehen wir aus heutiger Sicht jedenfalls davon aus, dass wir einen großen Teil des Abwärtsschwungs gesehen haben und dass China das Gröbste hinter sich haben sollte. Die Fallzahlen auch in Südkorea gehen zurück, was ermutigend ist. Die Gewöhnung der Börse an die neue Situation dauert noch an und wir können ausstiegsbedingt auch keine kurzfristig stark steigenden Kurse gebrauchen. Was wir für den Wiedereinstieg brauchen ist idealerweise eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Wir gehen klar von einer Rezession in der westlichen Welt aus, einschließlich Investitionszurückhaltung und Trendwende am Arbeitsmarkt. Wir gehen von einer ganz schwierigen wirtschaftlichen (Schief-)Lage in Italien aus, mit allen Konsequenzen, die das hat. Stichwort Staatsschulden und Bankenstabilität. Aber natürlich wird die EZB das nötige Geld drucken und nichts daran ist aus unserer Sicht schlimm. Kann Italien nicht mehr seine Währung abwerten, muss es eben der Euro als Ganzes tun. Das ist dann nur schlimm für Touristen, für die der Urlaub außerhalb der Eurozone teurer wird und natürlich für exportorientierte Länder wie Deutschland, die einen maßgeblichen Teil ihrer Produktion als Vorprodukt außerhalb der Eurozone einkaufen.
Interessant wird noch die Entwicklung in den USA sein. Nach der Beobachtung aller anderen Länder sollte es auch hier zu einem drastischen Anstieg der Fallzahlen kommen. Die Frage ist, wie die Börse reagieren wird. Als Grundlinie würden wir einen mit der Zeit immer stärkeren Gewöhnungseffekt der Börse erwarten, d.h. also, dass trotz fortschreitender „Verschlimmerung“ der Lage langsam aber sicher eine Kursstabilisierung gefolgt von einem graduellen Kursanstieg eintreten sollte. Das ist natürlich alles noch Kaffeesatzleserei. Aber irgendeine Arbeitshypothese muss man ja haben. Unsere lautet grundsätzlich Ist-Situation mit optimistischer Grundhaltung für die weitere Entwicklung. Damit stehen wir naturgemäß im Gegensatz zu den Crash-Okkultisten, die grundsätzlich mit fiktionalen Elementen und Pessimismus arbeiten.
Ob im Übrigen die sogenannte mediale Hysterie gerechtfertigt ist, die nun die notorischen Grippevergleichs-Relativierer regelmäßig ausmachen, bevor sie dann zwei drei Wochen später aufgrund von akut eingetretenem Muffensausen zum Klopapierhamstern in der Schlange stehen, ist für die Anlage an der Börse nicht entscheidend. Sie mag aber durchaus helfen, wenn man von niedrigeren Einstiegskursen profitiert, so wie wir nun. Wir möchten aber natürlich auch anregen, bei dieser Gelegenheit vielleicht die Entscheidung über den gewählten Nachrichtenkonsum einmal kritisch zu überprüfen, wenn man sich an Hysterie stört. Wir finden Hysterie bei den von uns gewählten Medien regelmäßig nicht vor. Wir informieren uns zur Lage sicherlich in erster Linie beim Robert-Koch-Institut und der sehr sachlichen Frankfurter Allgemeinen und nicht bei den Youtube-Demagogen. Dass mediale Hysterie auf die letztgenannte Medien konsumierende Bevölkerung übergreift, vermag aber nicht zu überraschen und ist eher Ausdruck allgemein steigender intellektueller Anspruchslosigkeit und gesteigerter Reizlust. Von Günther Netzer stammt das Werbe-Bonmot, er würde die Zeitung mit den vier Buchstaben „teilweise aus purer Lust am Schrecklichen“ lesen. Genauso ist es.
Nun abschließend noch zur Sparschwein-UG. Punkt Eins: die realisierten Gewinn und Verluste im Dezember sind steuerlich de facto nicht relevant. In der UG werden Veräußerungsverluste steuerlich nicht anerkannt, während Veräußerungsgewinne steuerlich effektiv mit ca. 1 % besteuert werden. Insofern spielen Steuern auf Veräußerungsgewinne für uns gar keine entscheidungserhebliche Rolle mehr. Da wir in dieser einmaligen Sondersituation aber netto fünfstellige Gewinne realisiert haben drängt sich natürlich ein Vergleich mit der Abgeltungsteuer im Privatbereich auf. Und demgegenüber haben wir bei unserer ersten Gewinnrealisierungsrunde im Dezember bereits einige Tausend Euro an (Abgeltungs-)Steuern gespart, die angefallen wären, wenn wir unsere Aktien nicht im Gesellschaftsmantel, sondern privat gehalten hätten. Dies natürlich umso mehr im Februar, als wir massiv, wirklich m a s s i v Aktien (per Saldo mit Gewinn) verkauft haben. Hierauf fallen für uns nur homöopathische Steuern an. Somit ganz klarer Pluspunkt für die Gesellschaft.
Kehrseite der Geschichte ist ein enormer Buchungsaufwand in der Buchhaltung. Wir haben hier die praktische Erkenntnis gewonnen, dass eine aktienhaltende Gesellschaft bis ungefähr 100 verschiedene Aktien noch handhabbar ist vom Aufwand her. Darüber hinaus überschwemmt einen irgendwann der Zeitaufwand für die Buchhaltung und die Verarbeitung in der Jahressteuererklärung. Wir sind mit dieser Anzahl an Aktien ungefähr an dieser Grenze. Auf der anderen Seite verbessern wir aber natürlich fortwährend unsere Prozesse, sodass wir mit der Zeit immer besser mit allem zurecht kommen.
Wir hatten nun in 2019, für das wir bereits den Jahresabschluss erstellt haben, auch wieder interessante praktische Probleme zu lösen, die so im Internet aber auch in der einschlägigen Fachliteratur mal wieder nicht zu finden waren. Beispielsweise zur Frage, wie der Verkauf wertberichtigter Aktienpositionen mit Gewinn zu verarbeiten ist. Gilt hier das handelsrechtliche Wertaufholungsgebot im Verkaufszeitpunkt, weil die Gründe für die Wertminderung entfallen sind? Oder sollte der geminderte Buchwert einfach ausgebucht und der Veräußerungserlös einfach eingebucht werden, dies alles auch im Kontext mit der Behandlung in der Steuerbilanz? Wir haben uns für letzteres entschieden und werden alles Weitere zum Jahresabschluss 2019 in den nächsten Monaten im Mitgliederbereich der Sparschwein-UG Betriebsbesichtigung zur Verfügung stellen.
Wir haben auch die erste überschlägige Steuerberechnung für 2019 schon gemacht. Ein wieder sehr erfreuliches Ergebnis. Dadurch, dass wir mit den Dividenden unterjährig schon substantielle (Quellen-)Steuervorauszahlungen machen, fällt für uns nach heutigem Stand eine Nachzahlung von lediglich rund 35 Euro an. Im Ergebnis übrigens komplett ohne Soli, sodass wir tatsächlich bei nur 15 % Steuersatz auslaufen (= Folge der Quellensteueranrechnung). Dies führt natürlich dazu, dass wiederum keine Vorauszahlungen für die Körperschaftsteuer festgesetzt werden. Hierfür müssten es schon mindestens 400 Euro Nachzahlung sein. Die üblichen 15 % Quellensteuer im Ausland (gerade in den USA) decken sich also sehr gut mit der deutschen Körperschaftsteuerschuld. In Liquiditätsprobleme wie bei vielen anderen Existenzgründungsfällen sollte man deshalb in einer Sparschwein-UG eher nicht geraten. Gewerbesteuer fällt aufgrund des Gewerbesteuerfreibetrags ohnehin keine an.
Als überaus diffizil hat sich für uns herausgestellt, wie genau die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer auf die deutsche Steuer zu erfolgen hat. Im Vorjahr haben wir verlustbedingt insgesamt zur Abzugsmethode nach § 34c Abs. 2 EStG optiert. Dieses Jahr fielen Gewinne an, sodass die Anrechnung einen positiveren Effekt als der Abzug hat. Es ist immer kein Problem, „irgendwas“ nur auf den ersten Blick Richtiges zu rechnen. Dann ist man schnell durch und hat keinen großen Aufwand gehabt. Es ist aber schon durchaus schwieriger, eine durchgehend „richtige“ Berechnung entsprechend Gesetz und Finanzamtsansicht zu erstellen, die einem steuerlich im Nachgang nicht Probleme macht. Hier die richtigen rechtlichen Eckpunkte herauszufinden hat uns enorm viel Zeit gekostet, da es zu diesem Thema konkret auf Aktien bezogen kaum Material gibt. Aber wir sind auf einem sehr guten Weg, auch diese Nuss noch komplett zu knacken. Es sollte nicht mehr lange dauern bis zur Finalisierung. Wir berichten wie oben dargestellt im Mitgliederbereich der Betriebsbesichtigung.
Wichtig ist auch noch die Kombination aus Wertpapierkredit und juristischer Person in Zeiten abstürzender Kurse. Wir haben auf die höheren rechtlichen Gefahren dieser Kombination immer wieder hingewiesen und alles geschieht selbstverständlich auf eigenes (Insolvenz-)Risiko. Ein Geschäftsführer ist nicht bloß eine Strohpuppe, sondern jemand der das Geschäft tatsächlich zu führen hat. Unvernünftige Risiken werden sich immer rächen, sodass man sich immer und in jedem Fall und bereits vor der Gründung mit den Dingen und allen Eventualitäten auseinanderzusetzen hat. Die Sparschwein-UG bietet enorme Vermögensbildungschancen, hat aber gleichzeitig durch das bei wertpapierkreditfinanzierten Aktieninvestments latente Insolvenzrisiko auch enormen Disziplinierungscharakter.Das gilt es immer zu beachten und man kann auch letzterer Tatsache viel Positives abgewinnen. Wie oben schon geschrieben sollte man nur keinesfalls den Helden spielen.
Das soll es fürs erste gewesen sein. Wir hoffen auf beste Gesundheit bei unseren Lesern und wünschen allen finanziellen Erfolg. Es sind dies die interessantesten Tage seit der Finanzkrise. In diesen Tagen wird massiv umverteilt, von den zittrigen Händen zu den langfristig erfolgreichen Investoren. Immer dran denken: im Einkauf liegt der Gewinn. Und bitte keinen Verschwörungstheoretikern auf den Leim gehen.
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Es ist ist für mich immer wieder ein Genuss zu lesen wie informiert, sachlich und überlegt ihr an die Dinge herangeht. Dazu noch dieser eingestreute, süffisante Humor. Es scheint fast als wenn ihr über den Dingen stehen würdet. Nur so kann man erfolgreich langfristig investieren.
In diesen Tagen der Ebbe wird sich zeigen wer bei Flut nackt baden gegangen ist.
Vielen Dank für den freundlichen Kommentar 🙂
Zu einem meiner letzten Kommentare schrieben Sie: „Generell vertreten wir aber das Motto time in the market als timing the market.“
Jetzt sieht man: offentsichtlich nicht, denn der Verkauf ist definitiv ein Versuch den Markt zu timen.
Ich verstehe die Motivation bzgl. Risikominimierung bei benutztem Wertpapierkredit. Auf der anderen Seite hatten Sie ja mehrere Maßnahmen für genau diesen Fall jetzt definiert, wie z.B. ING Kreditrahmen etc. Ich fand dieses Maßnahmen sehr gut und umsichtig, und verstehe daher die aktuelle Reaktion zu verkaufen ehrlich gesagt nicht. Eine Argumentation, dass bei der aktuellen Situation Notenbanken nicht helfen können finde ich sehr erstaunlich. Das kann tatsächlich so sein. Ich wusste aber nicht, das „time in the Market“ nur gilt, solange vermeintlich Notenbanken die Ursachen eine Krise vermeintlich lösen können.
Insgesamt schade, mich hätte interessiert wie Sie mit ihrem Gesamtkonstrukt auch durch harte Zeiten durchsegeln. Die Chancen vernünftig durchzukommen waren aus meiner Sicht hoch.
Wir würden die Trennlinie „von Menschen beherrschbar“/“von Menschen nicht beherrschbar“ als sinnvolles Desinvestitionskriterium schon vertreten wollen. Wir sind jedenfalls über unsere Entscheidung selbst nicht unglücklich und das ist doch das, was zählen sollte. Ergänzend sei zum besseren Verständnis unserer Entscheidung noch gesagt, dass wir durch weitere Käufe in 2019 zuletzt auch über dem rahmenkreditgesicherten Teil der Wertpapierkreditnutzung lagen, sodass ein Abbau bei hohen Kursen bei absehbar fallenden Kursen auch deshalb geboten war. Unser Wertpapierkredit liegt aktuell auch nicht bei 0,00 Euro, sondern nunmehr sehr komfortabel innerhalb der rahmenkreditgesicherten Zone und somit krisensicher. Die Strategie funktioniert also nach wie vor und wir haben nur das Ergebnis unseres Risikoappetits korrigiert 😉
Hi,
ich habe auch einen Wertpapierkredit bei Degiro am Laufen, allerdings auch schon ein wenig heruntergefahren. Stand heute könnte ich noch weitere 25% Kursrutsch aussitzen vor dem Margin Call. Gestern waren es noch 30%…
Ich bin mir momentan extrem unsicher. Jeden Tag sehe ich mein Depot weiter fallen, was echt nicht schön ist. Aber meine Strategie ist ebenfalls Buy&Hold, weswegen ich mich nicht „getraut“ habe, zu verkaufen. Klingt irgendwie komisch – man sieht es kommen, traut sich aber nicht, etwas dagegen zu tun, weil es sich nach Selbstbetrug anfühlt.
Außerhalb von China wächst Corona exponentiell und das wird wahrscheinlich auch noch eine Weile so weitergehen.
Würdet ihr mir raten, jetzt den Verkaufsbutton zu drücken und Verluste zu minimieren? Mit den meisten meiner Investments bin ich mittlerweile >10% unter Einstandskurs (bin leider noch nicht so lange dabei)..
Hallo Andreas,
das ist ja genau das, was wir immer beschreiben: man soll die Dinge erst umsetzen, wenn man für sich auch geklärt hat, wie man etwaig auftretenden negativen Abweichungen vom Erwartungswert begegnen wird. Z.B. haber wir hierfür den Rahmenkredit und die Monaterisierung von Dispokreditlinien vorgeschlagen. Das ist aber hochgradig einzelfallabhängig, welche konkreten Schritte zu ergreifen sind bzw. ergriffen werden können. Was wir aber nicht machen können ist, Ratschläge zum Kauf oder Verkauf zu geben. Wir wissen auch nicht, wohin der Markt geht. Alles was wir empfehlen würden, wäre richtig und falsch zugleich, da wie gesagt alles einzelfallabhängig. Wir würden Dir raten, Dich einmal in Ruhe hinzusetzen, eine Bestandsaufnahme zu machen, zu schauen, ob Risiken z.B. durch Kreditlinien verkaufsfrei gemindert werden können und dann auf dieser Basis eine Entscheidung zu treffen.
Beste Grüße
Atypisch Still Blog
Pingback: Der Worst Case (Teil II) - Atypisch Still
Chapeau für euer Timing. Die Eier muss man erstmal haben. Großartig. Ich interessiere mich brennend dafür, welche Indikatoren außer eurem Bauchgefühl den Ausschlag gegeben haben. Der Vix ist durch die Decke geschossen; habt ihr euch charttechnisch am MA (125 days) des SPX orientiert? Beste Grüße
Hi big kahuna,
nein wir treffen Entscheidungen generell nicht aufgrund selbstreferentieller Metakennzahlen der Filterblase des entkoppelten Zahlenfetischismus, sondern lesen schlicht und ergreifend regelmäßig seriöse Nachrichten und versuchen, auf der Basis der gedanklichen Verarbeitung der Ist-Situation unsere Schlüsse zu ziehen.
Beste Grüße
Atypisch Still
Hi atypisch still, danke für die schnelle Antwort. Ich bewundere , unterscheiden zu können, wann jenes Auftreten der (Makro) Informationen lediglich korreliert mit dem Abwärtstrend und wann es tatsächlich kausal kursrelevant ist. Da fehlt mir noch das Näschen – im Gegensatz zu dir/euch!