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Inspirierende Persönlichkeiten #2: die mehrfache Aktienmillion nach dem 60. Lebensjahr

Eine bisher noch wenig mit Leben gefüllte Rubrik auf dem Atypisch Still Blog: Persönlichkeiten, die herausragen. Eine Rubrik, die wir ausdrücklich nicht inflationär füllen wollen, aber heute ist es an der Zeit für die zweite Ausgabe aus dieser Reihe.

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Den Artikel hatten wir im Entwurf schon länger in der Schublade und haben ihn nun aus aktuellem Anlass vorgezogen. Geboren 1937 in Rostock, hat sie den Krieg als Kleinkind miterlebt und die Nachkriegswirren in der DDR verbracht. „Sie“, das ist die legendäre „Börsen-Oma“ Beate Sander. Ein Titel, den sie sich erst spät im Leben erarbeitet und redlich verdient hat.

Mit der Familie ist sie im Alter von 13 Jahren aus der DDR nach Westberlin geflohen.

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„Mein Unternehmer-Vater hatte sich schon vorher mit der ältesten Tochter in den Westen abgeseilt. Meine Mutter mit noch fünf Kindern, darunter ein Baby und ein Kleinkind, sollten nachkommen. Ich blieb als mittleres Kind zurück, damit die Volkspolizei (auch ein direkter Nachbar) nichts merkte, das Haus beleuchtet war, die Tiere versorgt wurden und ich mich immer wieder zeigte. Ich brachte alle Tiere in gute Obhut und floh dann allein noch kurz vor dem Mauerbau.“

Anschließend erfolgte der Umzug nach Ulm. Verheiratet. Geschieden. Eine vierzigjährige Laufbahn als Lehrerin. Für Aktien war zu dieser Zeit nie Geld vorhanden. Das Haus musste abbezahlt werden und zwei Kinder großgezogen und deren Studium bezahlt werden. Erst 1996 kaufte sie ihre allererste Aktie. Natürlich von der Volksaktie, der Telekom – die sie bis heute im Depot hält. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass es ausgerechnet ein IPO und dazu der katastrophalste und wirkmächtigste deutsche IPO der jüngeren Wirtschaftsgeschichte ist, der den Startschuss für eine der beeindruckendsten Börsenlaufbahnen gegeben hat, die in der deutschen Öffentlichkeit erzählt werden.

Denn es war nicht nur der allererste Aktienkauf, sondern die allgemeine Aktienwelle, die dazu führte, dass Beate Sander an der Schule aufgefordert wurde, eine Börsen-AG zu gründen. „Viele Anleger hofften auf Reichtum ohne Arbeit.“ Es mangelte an geeigneter Literatur und so schrieb sie diese einfach selbst. Im Laufe ihres Lebens wurden daraus über 50 Werke, viele von ihnen Bestseller in mehreren Auflagen.

So richtig los ging es aber erst kurz vor der Jahrtausendwende mit dem angesammelten Sparkapital von 30.000 EUR. Obwohl sie an der Börse relativ neu war, hätte sie nie am Neuen Markt gezockt, sagt sie. Das ist erstaunlich, verfiel doch damals halb Deutschland der blanken Gier. Es gehört einiges an Willenskraft dazu, dem Drang zu widerstehen.

Und das ist auch genau das, was bei Beate Sander sicherlich den maßgebenden Unterschied zur breiten Masse der Bevölkerung macht: der unbedingte Wille zu Disziplin und Leistung. Etwas, womit sie sicherlich im fundamentalen Widerspruch zu verschiedenen heute verbreiteten gesellschaftlichen Strömungen steht. Schon früh im Leben auf sich allein gestellt, schließt sie – ähnlich leistungsstark wie vorangegangen in der Schule – alle Staatsexamen mit 1,0 ab. Arbeitet 45 Jahre lang Vollzeit und zieht parallel die Kinder groß. War Hockey-Jugendmeisterin in der DDR und spielte in der Bundesliga Tischtennis. Spitzensport und Spitzenleistung. Es ist das Gewinnenwollen. Nicht im Sinne des Besiegens, sondern im Sinne eines Erlangenwollens. Erreichenwollens. Wachsenwollens.

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Dafür steht sie auch im hohen Alter morgens um 4 Uhr auf, betreibt Sport und widmet sich pünktlich zum Handelsbeginn tagsüber dem, was ihr Spaß und Freude bereitet: der Börse und dem Bücherschreiben. Was uns sehr imponiert, ist die durch die ernsthafte Befassung mit Börsenthemen zwangsinduzierte Befassung mit allgemeinen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Themen. Der Willen, auch im hohen Alter für Zwecke des Investitionserfolgs sogar bei Sachgebieten wie Robotik, Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Medizintechnologie auf dem Laufenden zu sein, ist beeindruckend.

Im ersten Börsencrash, den sie erlebt hat, nämlich das Platzen der Dot-Com-Blase, legte sie in dem Bewusstsein an, dass der Crash vorüberziehen wird. Auch das ist erstaunlich. Üblicherweise gehören die ersten Jahre jeder Investorenlaufbahn dem Ausprobieren, was in aller Regel mit roten Zahlen unter dem Strich endet. Das spricht für den Einstieg zu einem Zeitpunkt mit genug Lebenserfahrung, um sich an einfache und zeitlose Regeln auch tatsächlich halten zu können. Etwas, das vor allem Jüngeren sichtlich schwerer fällt, wobei wir beileibe nicht gegen das Ausprobieren der Jugend angehen wollen. 

Die erste Million erreichte sie nur ca. 15 Jahre nach den ersten Investitionen im Jahr 2013 im Alter von 75 Jahren. Hier dürfte sich aber bei Lichte betrachtet nicht allein der Börsenerfolg spiegeln, sondern sicher auch ein guter Teil an literarischen Erlösen mit verarbeitet worden sein. Lange bevor es die Frugalistenbewegung gab, schien Beate Sander auch schon Vertreter dieser Richtung zu sein:  „Konsum und Mode interessieren mich wenig.“ Dennoch schmälert dies die Leistung nicht, die für viele „magische“ monetäre Grenze überschritten zu haben. Die Million muss man auch erstmal machen, egal, auf welchem Weg.

Besonders motivierend ist abgesehen von der ersten Million etwas anderes: nämlich die zweite Million im Dezember 2016. Diese erreichte Beate Sander somit nur sechs Jahre später im Alter von 81 Jahren. Und nun, nur noch vier Jahre später ist beinahe die dritte Million erreicht, trotz oder je nach Sicht- und Investitionsweise gerade wegen der Corona-Krise. Deutlicher sichtbar werden der Zinseszinseffekt und die Wohlstandsmaschine Börse selten.

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Nach ihren eigenen Berechnungen erwirtschaftete sie eine absolut Graham&Doddsville-taugliche Rendite von 15 % p.a. nach Kosten und Steuern. Sicher, der ein oder andere akademische Kleingeist mag mit zeit- und risikogewichteten Renditeberechnungsmethoden auf der Nachkommastelle möglicherweise zu einem anderen Ergebnis kommen können – aber angesichts der erreichten Absolut-Endbeträge klingt der Wert insgesamt völlig plausibel und verdient allen Respekt. 

Von Beate Sander wurde der Begriff Hoch-Tief-Mut-Strategie geprägt. Ein Handelsstil, der sich im Kern als Buy & Hold mit gelegentlichen aber letztlich doch regelmäßigen bewertungsgetriebenen Teilverkäufen und Reinvestitionen beschreiben lässt. Bereits diese kleine immanente Handelsaktivität wäre uns zu viel, da wir entweder überzeugt sind von einem Unternehmen oder nicht. Aber es ist eben wesentlich, den genau für sich selbst passenden Handelsstil zu finden und das hat Beate Sander anscheinend geschafft. Übrigens erkennt sie zwar die Grenzen des Kompetenzbereichs an, innerhalb dessen man nur investieren sollte. Aber es beeindruckt uns sehr, wenn sie dazu ausführt, dass der Mensch keinen Hohlraum zwischen den Ohren hat und sich alles, was er lernen will, entsprechend aneignen kann – wenn nur der Wille vorhanden ist.

Der Schlüssel liegt aber eben auch im langjährigen permanenten Investiertsein. Denn auch wenn gelegentliche Umschichtungen erfolgen, bleibt man insgesamt mehr oder weniger vollinvestiert. Und dadurch profitiert man automatisch vom Aufschwimmen der Bewertungen und Preise, was durch die Notenbankpolitiken seit der Finanzkrise dramatisch verstärkt wurde.

Interessant ist bei derart langen Investitionszeiträumen natürlich immer auch noch die steuerliche Komponente. Die heutige Robin-Hood- und Neobrokergeneration kennt die luxuriösen Zustände vor der Einführung der Abmelkungsteuer ja gar nicht mehr, als Aktiengewinne nach einem Jahr Haltedauer noch vollständig steuerfrei vereinnahmt werden konnten. Beate Sander hatte einen ordentlichen Bestand von vor 2009 gekauften Aktien, die sie nach den großen Wertzuwächsen nach der Finanzkrise steuerneutral – aber dadurch sicherlich auch unter Zerstörung der Steueramnestie – umschichten konnte. 

Wir erinnern uns: die steuerfreie Veräußerung gab es auch für Fondsanteile. Bis, ja bis…das Investmentsteuergesetz reformiert wurde und die versprochene Steuerfreiheit bis auf einen Freibetrag Geschichte wurde. Damit hat Beate Sander jedenfalls mit der Wahl der Aktie als bevorzugte Investmentform goldrichtig gelegen. 

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Fast könnte man bei aller Börsenbegeisterung meinen, bei Beate Sander ginge der Aspekt Mensch etwas unter. Das liegt aber tatsächlich am unterinformierten Rezipienten. Denn Beate Sander hat im Jahr 2012 ihre Biographie* verfasst und über ihr ereignisreiches und wechselhaftes Leben berichtet.  Ausschnitte können hier gelesen werden. Erst vor diesem Hintergrund der darin geschilderten Begleitumstände rückt die Lebensleistung so richtig ins rechte Licht. Denn leicht hatte sie es wahrlich nicht und vieles sprach von vornherein gegen ihren Erfolg und späteren Lebensweg.

Auch erlitt sie bereits im Jahr 2010 einen Schlaganfall, den sie aber unbeschadet überstanden hat. Sie ließ sich davon nicht beirren und ließ sich insbesondere nicht den Antrieb zu fortgesetzten Höchstleistungen im Altersvergleich nehmen. Im Unterschied zum medialen Lärm und den Echokammern der Crash-Propheten ist ihren Interviews immerfort ein wohltuendes Verständnis der Dinge und Tiefgang zu entnehmen. Nur so liest der Leser auch mit Gewinn. Was heutzutage Tag für Tag aufs Neue am Dringlichsten ist, ist ein Feldzug gegen die Oberflächlichkeit und gegen den Wettkampf um die lediglich lauteste Stimme. 

Erst vor wenigen Wochen erhielt Beate Sander die traurige Diagnose Krebs mit einer Restlebenserwartung von ebenfalls nur wenigen Wochen. Es ist auch uns mit diesem Artikel eine Ehre, Danke zu sagen, bevor sie uns verlässt und die Erinnerung an Beate Sander und ihre kommunikative Lebensleistung aufrecht zu erhalten.

 

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3 Gedanken zu „Inspirierende Persönlichkeiten #2: die mehrfache Aktienmillion nach dem 60. Lebensjahr“

  1. Vielen Dank für eure Hommage an Beate Sander. Sie ist dann vier Tage nach erscheinen dieses Artikels gegangen. Wenn bald ein Börsen-Wunderkind auftaucht, mögen wir uns denken: Frau Sander ist wieder da, sie konnte es nicht lassen! Halten wir die Augen offen 🙂
    Man kann nur den Hut ziehen vor der Dame. Eine Inspiration. Chapeau!

  2. Volksaktie Telekom – davon hatte meine Mutter berichtet. War die erste und einzige Aktie, die sie gekauft hat. Was da an Vertrauen kaputt gemacht wurde ist nicht zu unterschätzen!

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