Nicht nur in der Politik rumort es gewaltig, werden Dammbrüche ausgemacht und historische Vergleiche gezogen. Auch in der finanziellen Populärliteratur gibt es fortwährend neue Dammbrüche von mindestens vergleichbarer Qualität. Dammbrüche, die ebenfalls so vermeintlich harmlos daherkommen, wie der Wolf im Schafspelz.
„Wir haben es schon immer als unsere menschliche und bürgerliche Pflicht angesehen, unsere Mitmenschen zu informieren und aufzuklären.“
Wer könnte bei solch einem Edelmut nicht schwach werden und dem Autoren dieser Worte nicht verfallen? Das Problem: der Wolf hat Kreide gefressen, der Hund hat zu viele Flöhe. Die Zeilen stammen von den geschicktesten Inszenierern und Verführern, die der deutsche Propagandistenmarkt aktuell zu bieten hat. Wir wollen die Namen gar nicht nennen, denn die zur Verfügung gestellte mediale Plattform ist jetzt schon viel zu groß und wir könnten es uns nicht verzeihen, diesem Unfug auch nur einen Millimeter Vorschub zu leisten.
Begann es 2013 noch relativ harmlos und zurückhaltend tituliert mit „Der größte Raubzug der Geschichte“ los (150.000 verkaufte Bücher), ging der Wahnsinn 2014 mit „Der Crash ist die Lösung“ weiter. Da diese Leute offenbar fortwährend am Bücher schreiben sind und in jedem Buch offenbar buchfüllend Neues zur Weltweisheit beitragen können, gab es 2016 und 2017 weitere Bücher. In 2019 kulminierte es dann in der „Der größte Crash aller Zeiten“. Von anderer Seite kam „Der Draghi-Crash“.
Crash, Crash, Crash, Crash, Crash. Nur, dass in der Realität seit über zehn Jahren kein wirklicher Crash mehr eingetreten ist und auch keiner absehbar unmittelbar bevorsteht. Manche schreiben sogar Bücher mit dem Titel „Der Crash ist da“. Komisch, wir haben eine ganz andere Wahrnehmung, wenn wir auf unseren täglich wachsenden Depotstand blicken. Wer denkt, mehr geht nicht, der muss sich nur einen anderen der wie Pilze aus dem Boden schießenden Crash-Skribenten suchen und findet den „Weltsystemcrash“ (500.000 verkaufte Bücher). Gigantomanie wo man nur hinsieht. Unseriosität wo man nur hinsieht.
Drunter geht es nicht mehr. Wir müssten schon sehr lange überlegen, um noch überzeugendere Superlative – ach, zu wenig – Hyperlative für fiktive Buchtitel zu finden, so überdreht, so außerhalb jeglichen Maßes, jeglicher Mitte, jeglicher Seriosität und außerhalb allem, was gesellschaftlich akzeptiert sein sollte, sind allein schon die Buchtitel. Es kann sich darüber hinaus eigentlich nur noch um die Umkehr der Ausdehnung des Universums und die Rückgängigmachung des Urknalls handeln, verursacht ebenfalls – und wer wüsste das nicht ohnehin – natürlich von verantwortungslosen Politikern (pauschal), vom Anleihekaufprogramm der EZB und vom Euro an sich und als solchem.
Es ist darin gewiss auch ein gewisser journalistischer Niedergang zu sehen, wenn diese Machwerke uneingeschränkt als „Wirtschaftssachbuch“ vorgestellt werden und deren Autoren als „Experten“. Dabei handelt es sich um Unsachbücher und im Übrigen um Leute, die im Anschluss an ihr BWL-Studium die kontinuierliche fachliche Weiterbildung versäumt haben und beim Zusammentragen von Artikeln beinahe beliebiger Tageszeitungen für ihre Bücher hängengeblieben sind.
An wahrhafter Aufklärung ist hier niemand interessiert. Die Bücher sind der Türöffner für die wirklich teuren Produkte, von denen alle Crash-Autoren interessanterweise einige Pfeile im Köcher haben. Seien es über Jahre schlecht laufende, aber dafür teure Fonds, seien es „Vermögensschutz“-Honorarberatungen. Hauptsache Sachwerte gegen den Crash, der nicht kommen will. Da werden zur Aktie dann mal kurzerhand auch einfach eine Anlage in Single-Malt-Whiskys zur Diversifikation neben die Streuobstwiese gestellt. Grotesk.
Liest man sich die Rezensionen z.B. auf Amazon durch, wird einem Angst und bange. So viele Leser hätten nach der Lektüre ihre Anlagestrategie umgestellt und sind möglicherweise von konservativen, diversifizierten, für Laien idealen ETF-Sparplänen weg und hin zu einem unübersehbaren Wust von Crash-Prepper-Schrott. Die Krönung des ganzen ist ein Fonds, bei dem bis zu 20 % des Fondsvolumens in physischen Geldscheinen gehalten werden sollen – etwas wofür man klassischerweise keinen Fondsmanager braucht. Und dieses Halten von Geldscheinen kostet knapp 2 % pro Jahr Gebühren. Genial. Einfach genial. Gäbe es das nicht schon, müsste man es erfinden. Die Namensgeber des Fonds warnen denn nun auch vor dem „Wahnsinn“ Negativzinsen. Dabei erzielen doch schon die bedauernswerten Fondsanleger Negativzinsen von eben diesen knapp minus 2 % auf ihre Anlage. Wahnsinniger geht es ja gar nicht.
Herrlich ist auch, dass die Namensgeber des Fonds zwar ihre Namen und Gesichter hergegeben haben, allerdings nach unserer Recherche tatsächlich vordergründig überhaupt gar nichts mit dem Fonds zu tun haben, weder beratend noch in irgendeiner anderen – dokumentierten – Weise. Die Frage ist, ob das die Fondsanleger auch wissen? Oder ob hier durch die Namensgebung eine Verwalterschaft suggeriert wird, die sich in der Realität gar nicht wiederfindet. Das ist uns wirklich im allerhöchsten Maße suspekt, warum man so etwas als Autoren auch noch unentgeltlich tun sollte. Denn angabegemäß verdienen die Namensgeber – zu Recht – „keinen Cent“ mit dem Fonds. Dann wirklich allein der Werbung wegen? Wir wissen es nicht.
Die „Sachwerte“, wie z.B. Ackerland etc., sollen von besagtem Fonds u.a. mittels Verbriefungen erworben werden. Wir dürfen dazu zitieren:
Fragen Sie doch beim nächsten Gespräch mit Ihrem Banker nach, wie erfolgreich Ihr sauer verdientes Geld in ABS (Kreditverbriefungen) oder CDOs (Überbegriff für Finanzinstrumente, die zu der Gruppe der forderungsbesicherten Wertpapiere und strukturierten Kreditprodukte gehören) investiert wurde. Auch hier wird eine Nachfrage bestimmt für Überraschungen sorgen.
aus: Der größte Raubzug der Geschichte
Ja, fragen Sie doch mal nach. Die Antwort ist: -3,0 % in 2017, -6,5 % in 2018. Das würde alles von kompletter Irrelevanz sein, wären nicht bereits über 27 Millionen Euro allein in diesen Fonds „investiert“.
Daneben darf der Fonds natürlich auch die bösen, bösen Derivate handeln. Wir zitieren hierzu:
Bei Derivaten handelt es sich um oftmals kompliziert verschachtelte Wertpapiere, häufig mit hohem spekulativen Charakter. Im Falle einer neuen Finanzkrise können diese Derivate rasch immense Probleme nach sich ziehen und schlussendlich das gesamte Finanzsystem durch einen Dominoeffekt in Schieflage bringen. All dies haben wir bereits bei der Pleite der Lehman Bank 2008 erleben dürfen. Damals hat der Steuerzahler gerade noch einmal die »Kernschmelze« des Finanzsystems verhindert.
aus: Der größte Crash aller Zeiten
Warum nun Verbriefungen und Derivate in den genannten Büchern negativ charakterisiert und pauschal dämonisiert werden, aber in Wertefonds & Co. ganz selbstverständlich eingesetzt werden können sollen, erschloss sich uns nicht auf Anhieb.
Ein weiteres Schmankerl ist, dass man die lächerlich schwache Performance im Vergleich zu praktisch allen anderen wesentlichen Anlageklassen gar nicht argumentieren braucht, denn das Anlegerinfoblatt sagt: Der Fonds ist an keinen Vergleichsindex gebunden. Geil. Egal, wie schlecht man ist, man kann immer damit argumentieren, dass man sich ja immerhin optimal auf „den Crash“ vorbereitet hat.
Dazu zitieren wir weiter:
Liebe Anlegerin, lieber Anleger,
die Welt spielt verrückt. Die EU, „der Kapitalismus“, „die Marktwirtschaft“ und „die Weltwirtschaft“ stecken in ihrer historisch schwersten und dauerhaftesten Krise. Weltweite Schuldenorgien, Bargeldflut, Nullzinsen, Investment-Blasen, Bankencrashs und Inflationsgefahren bedrohen Ihr Vermögen und Ihre Altersrücklagen. Wir sind gegenwärtig Zeugen eines historisch einmaligen Notenbankexperiments, das langfristig scheitern wird. Der Euro ist ein rein politisch und wirtschaftlich motiviertes Währungsexperiment, das ebenfalls scheitern wird.
Okay, das ist einfach ein dermaßen übertriebener Laienmurks auf Springerpresse-Niveau, das kann man gar nicht ernst nehmen, dann lassen wir uns eben auf dieses Spiel ein:
Crash-Propheten bedrohen durch ihre schlechte Fondsperformance und ihr notorisches Unvermögen, folgerichtige und vor allem zulässige Kausalschlüsse zu ziehen, ihr Vermögen und ihre Altersrücklagen. Wir sind gegenwärtig Zeugen eines historisch einmaligen Crash-Prophetentum-Experiments, das langfristig scheitern wird. Die Crash-Propheten-Bücher sind ein ausschließlich monetarisierungsorientiertes Literaturexperiment, das ebenfalls scheitern wird. Das wissen wir ganz einfach. Das ist ganz klar. Und weil das allen ganz klar ist, brauchen wir das auch gar nicht unnötig begründen.
So war man laut einem Interview nun auch „erstmalig“ in der Lage, im neu erschienenen Buch ein Zeitfenster bis 2023 für den finalen Untergang bestimmen zu können. Da ist doch jahrelang auch ins Bewusstsein der kleinsten der Kleinanleger vorgedrungen, dass niemand von uns auf dieser Welt eine Glaskugel hat. Und nun sollen auf einmal doch wieder Menschen eine Glaskugel haben? Woher haben die die? Das sollte doch im höchsten Maße verwundern.
Und mit dieser Idee der Crash-Zeitpunktbestimmung sind sie auch leider nicht die ersten. Ein gleichermaßen bekannter wie gescheiterter ehemaliger Risikomanagement-Berater geht damit seit Jahren erfolgreich hausieren. Insofern kann man auch diesem Geistesblitz bestenfalls epigonalen Wert zusprechen, wäre es nicht so offensichtlich glaskugelmäßiger Schwachsinn.
Auch die berühmten 15 % Zombie-Unternehmen finden sich im gleichen Interview natürlich wieder – ein Klassiker im Metier der Crash-Propagandisten. Wenn denn mal auch eine Quelle dafür genannt wird, dann führt sie regelmäßig zur Bank für internationalen Zahlungsausgleich. Schaut man sich dort jedoch die betreffende Studie an, so wird man die 15% darin natürlich nicht wiederfinden, denn sie ist eine Phantasiezahl. Leider machen sich die wenigsten die Mühe, bis zu dieser Erkenntnis hin durchzudringen.
Auch der gescheiterte Risikomanagement-Berater leitet die 15 % regelmäßig ausgehend von Statistikbruchstücken über Pi-mal-Daumenregeln her, nichts jedoch, was auch nur den Hauch einer Wissenschaftlichkeit atmen würde oder objektiv belegt wäre und somit eine bare Peinlichkeit für jemanden, der sich penetrant mit dem Doktortitel voran vorstellen lässt.
Zunächst einmal wurde in der „Zombie“-Studie eine Grundgesamtheit von 32.000 öffentlich gehandelten Unternehmen abgeprüft. Enthalten sind aber mitnichten nur europäische Unternehmen und schon gar nicht nur Eurozone-Unternehmen, die direkt von der passioniert gescholtenen EZB-Politik betroffen wären, sondern ebenfalls US-amerikanische, kanadische, britische, australische und japanische Unternehmen. Mit einer Studie dieses Fokus‘ wird man also schwerlich spezielle Defizite der Eurozone beschreiben und beklagen können. Diese offenbare Schwäche wurde auch von einem der Propagandisten mit „Unternehmen in der Eurozone oder weltweit eigentlich“ – aber eigentlich auch ganz egal – weggebügelt. Dass ohnehin nur lächerliche 0,5 % der Unternehmen börsennotiert und damit Gegenstand dieser Studie sein konnten – geschenkt.
Zu bemerken ist auch, dass unter die weite Definition eines Zombie-Unternehmens (Betriebsergebnis deckt den Zinsaufwand nicht) sicherlich lange Zeit auch Amazon gefallen wäre. So richtig von praktischem Wert erscheint uns die Studie deshalb denn auch nicht. Wie immer kann man statistisch auf der Meta-Ebene rein mit der Transformationen einer Zahlenmasse in eine andere Zahl argumentieren; zuweilen ergeben sich aber eben doch unterschiedliche Wertungen und Erkenntnisse, wenn man den Dingen im Einzelnen mal inhaltlich auf den Grund geht.
Für uns ist also die 15%-Zahl bereits im Ansatz diskreditiert, noch bevor die bei den Crash-Propagandisten in der Regel dann folgende Tatsachenverkettung und Tatsachenverdrehung folgt. Wie der brillante Andreas Beck in der treffend mit „Größte Krise aller Zeiten!“ bezeichneten Kolumne in der Euro-am-Sonntag-Ausgabe 4/2020 beschrieben hat:
Alle arbeiten mit der gleichen Rhetorik und drei Schritten. Erstens: Finde eine Variable, die aus dem Gleichgewicht geraten ist – etwa Target-2-Salden, Schattenbanken in China, illegale Einwanderung oder Klimaerwärmung. Zweitens: Lass die Variable dynamisch wachsen. Drittens: Folgere daraus den ganz großen Zusammenbruch. Wichtig ist, nur eine Variable zu wählen, zwei würden sich gegenseitig entschärfen. Bricht die Weltwirtschaft zusammen, hilft das dem Klima. […] All diese Krisenpropheten haben leichtes Spiel, da der erste Schritt korrekt ist und der dritte Schritt kausal hergeleitet wird.
Wir von Atypisch Still finden, dass es an der Zeit ist, den Geschäftemachern mit der Angst ebenfalls entgegenzutreten. Viel zu selten gibt es Faktenchecks dieses Geschwurbels und Gemurkse. Es ist eine Schande, dass Personen ohne die mindeste fachliche Qualifikation eine solche Bühne in Deutschland geboten und solchen Raum in Zeitungen und gebührenfinanzierten TV-Talkshows eingeräumt bekommen. Es ist dies auch ein Armutszeugnis für einige Medienvertreter, die jeglichen Anspruch an Sachlichkeit und Seriosität hinter das monetäre Verwertungsinteresse bzw. die Auflage oder Quote zurücktreten lassen. Das Ausmaß an Unseriosität kann bei einem unsere zuletzt verlinkten Talkshow, in dem Marcel Fratzscher als dankenswerte Stimme der Vernunft aufgetreten ist, besichtigt werden..
Überraschend hat nun aber das (uns bislang auch unbekannte) Fair-Value-Magazin diesen Ball aufgenommen und den lang ersehnten Abgleich der „Prognosen“ aus einem der bekanntesten kursierenden Unsachbücher mit der Realität vorgenommen. Das Ergebnis ist auf ganzer Linie überzeugend und verweist die Folgerungen und Prognosen, also der wesentliche eigene gedankliche Beitrag des kritisierten Machwerks von vorne bis hinten in das Reich der Fantasie.
Wie das bekannteste Crash-Propheten-Duo den einleitend angeführten hehren Anspruch an sich selbst hegen, die Mitmenschen informieren und aufklären zu wollen – und damit krachend scheitern -, so ist es unser Anspruch diesen Artikel einer möglichst breiten Leserschaft zugänglich zu machen. Wir wollen ihn deshalb hiermit ausdrücklich zur Lektüre empfehlen. Lest diesen Artikel. Überzeugt Euch von diesem verzapften Schwachsinn.
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Wie «vergesslich» das Publikum ist, zeigt sich etwa am Umstand, dass die Bestseller-Autoren Friedrich und Weik bereits 2014 ein Werk publizierten mit dem Namen «Der Crash ist die Lösung». Der Crash kam auf jeden Fall nicht. Der ehemalige Hedge-Fund-Manager Florian Homm publizierte im Februar dieses Jahres das Buch «Der Crash ist da». Die Börsenschwäche im Dezember 2018 inspirierte ihn wohl dazu. Was viele Leser ausblendeten: Homms Fonds «Absolute Capital Management» brach 2007 zusammen, die Investoren verloren Millionen.
Das Geschäft mit der Angst vor dem Kurssturz
„Die Autoren haben weder die Kompetenz noch besondere Daten noch besondere Möglichkeiten der Interpretation, um solche Thesen aufzustellen“, sagt Fondsmanager Beck. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, warf Crash-Autor Friedrich in Illners Talkshow „Demagogie und Schwarzmalerei“ vor, seine Thesen entbehrten jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Von dem empfehlenswerten Schriftsteller Max Goldt stammt zur Zeitung mit den vier Buchstaben das Zitat:
Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht.
Es ist falsch, sie zu lesen.
Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel.
Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein.
Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt.
Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.
Genau so und nicht anders verhält es sich mit den Crash-Propagandisten.
Was die Herren nicht zu verstehen in der Lage sind, ist „irrational“, „irrsinnig“, „realitätsfern“, „katastrophal“. Victor Klemperer hätte sicherlich seine wahre Freude gehabt bei der Analyse dieser Art von Spracheinsatz. Offensichtlich wird damit auf eine Käuferschicht abgezielt, die es mit der eigenen intellektuellen Kraftanstrengung nicht so hat und die sich deshalb lieber in bequemer Ohnmacht und Überwältigung von der Komplexität der Dinge aalt. Für diese wird ein Weltbild erdacht, dass gängigen Verschwörungstheorien in nichts nachsteht. Es ist deshalb auch insoweit sicherlich eine mediale Ächtung vonnöten, die bislang leider nur der Neupartei non grata zukam.
So wird die Welt selbstverständlich von einer Handvoll Eliten beherrscht und sämtliche politische Entscheidungen werden durchweg als „Experimente“ bezeichnet. Größte, schlimmste, irrsinnigste Experimente. Was hier befördert wird, ist gerade nicht das kritische und informierte Anlegertum, sondern eine Beschädigung des Vertrauens in demokratische Institutionen und eine Beleidigung des zivilisierten Zusammenlebens.
Kein Kunststück bei Leuten, die in der Lage sind, sich bei der österreichischen Schule, Marx und Friedman „überall das Beste raus[zuziehen]“. Früher hießt es einmal „eigentlich alles“ wäre kein Musikgeschmack. So werden aber aussagegemäß „undogmatisch“ „praktikable Lösungen“ gesucht, und „lediglich die Puzzleteile zu einem verständlichen Gesamtbild zusammengesetzt“. Schwachsinn!
Ungeklärt muss leider bleiben, ob die durchgestylte Konstruktion dieser (Parallel-)Realität autorenseitig überhaupt tatsächlich so vertreten und selbst geglaubt wird oder ob sich auch hier lediglich der blanke auflagesteigernde Opportunismus Bahn bricht. Jedenfalls ist die Schlagzahl der Veröffentlichungen des Duos beängstigend, wenn wir im gleichen Atemzug nur einen einzigen Faktencheck bei einer Google-Suche finden.
Unerträglich wird es dann, wenn von den beiden „FOCUS-Online-Experten“ – auch das Handelsblatt ist sich übrigens nicht zu blöd, sie als Redner zu führen – nur drei Wochen danach eine Gegendarstellung veröffentlicht wird. Wie groß muss die Geltungssucht sein, wie groß die Angst, dass der „Experten“-Nimbus, dass das Geschäft mit der Angst aufgrund einer Aneinanderreihung von tatsächlichen Fakten auch nur angekratzt werden könnte.
Aber wollen wir uns mal nicht nur an dem Duo abarbeiten. Auch der bekannte Doktor aus dem Risikomanagementbereich pflegt die Legende, er hätte die „Risikomanagementsysteme der deutschen Banken“ konzipiert. Wir haben für diese Behauptung keinen stichhaltigen Beleg gefunden – wir waren aber sicherlich auch unter den ersten, die sich überhaupt die Mühe gemacht haben, danach zu suchen. Schauen wir uns den Lebenslauf doch einmal an. Wollen wir hoffen, dass er das nicht in den Jahren 2007 bis 2009 bei dem Beratungsunternehmen KDB Krall Demmel Business Consulting GmbH getan hat, denn dann hätte ihm die Finanzkrise wohl ein klares Zeugnis über die Qualität seiner Systeme ausgestellt. Zum anderen muss natürlich mal die Frage gestellt werden, wie es möglich sein soll, dass eine einzige Person „die“ Risikosysteme der deutschen Banken entwickelt haben soll.
Aber auch nach der Finanzkrise war er bestenfalls in Beratungsunternehmen tätig, nicht aber in verantwortlicher Position in irgendeiner Bank. Es würde uns sehr verwundern, wenn wirklich alle Großbanken Deutschlands auf die Expertise einer einzigen Person zurückgegriffen haben sollten. Bei Milliardenportfolien sollten theoretisch ganze Teams an Konzeption und Implementierung arbeiten. Und dass sich hier der Leiter Risikomanagement irgendeiner deutschen Großbank wirklich die Butter vom Brot nehmen ließe, dass „das“ Risikosystem extern entwickelt wurde, können wir uns auch nicht vorstellen. Bestenfalls wird es hier und da ein Beratungsprojekt für die Weiterentwicklung der Risikomanagementsysteme gegeben haben.
Für heute wollen wir es dabei belassen, der Artikel wird schon lang genug. Aber wir wollen den Kampf gegen Finanz-Fake-News aufnehmen. Und wo sich nun die beiden Hauptpropagandisten einleitend schon völlig im Wort, nämlich „aufklären“, vergriffen haben, sei an die Idee der Aufklärung im Kant’schen Sinne erinnert:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. „Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Genau das ist in Bezug auf die zirkulierende Crash-Propaganda dringend notwendig. Nichts ist heutzutage so bedroht, wie die Fakten. Und es braucht wieder Fürsprecher einer optimistischen Zukunft.
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Glückwunsch und Dank für diesen aufschlussreichen Artikel. Auch sprachlich ganz außerordentlich gelungen!
Danke! 🙂
Sehr schöner Artikel, der mit den vielen Links auch fundiert eine andere Sichtweise zeigt. Ich muss zugeben, ich war in letzter Zeit auch sehr infiziert von den trüben Aussichten, eine ergänzende Sicht bringt da wieder eine objektivere Ausrichtung.
Eine ganz konkrete Frage (deswegen hatte ich mich in letzter Zeit so stark mit dem Ausblick beschäftigt): ich habe aktuell einen hohen Einmalbetrag zur Anlage, ich hadere/zögere aber den (wie es theoretisch richtig wäre) einfach auf einmal und weltweit diversifiziert anzulegen. Trump, Corona, aktuelle Höchststände, blablabla, alles weckt Bedenken. Wenn die Kurse zeitnah abstürzen würden kriege ich aber denke ich die Krise wenn ich vorher alles investiert habe. Haben Sie dazu einen Tipp für mich?
Hallo Lejero,
wir geben grundsätzlich keine Tipps, sondern stellen vor, was wir selbst für richtig halten. Deshalb investieren wir einfach verfügbare Beträge regelmäßig. Einmalbeträge kommen so nicht zusammen. Deshalb sagen wir auch ganz offen, dass wir anderen keine Empfehlungen geben können, wie diese anzulegen sind, weil das nur schief laufen kann. Generell vertreten wir aber das Motto time in the market als timing the market.
Beste Grüße
Ah, das tut gut. Vielen Dank für den Beitrag.
PS: Ich hätte für Eure Beiträge übrigens einen kleinen Verbesserungsvorschlag: Aus irgendeinem Grund kann man mit der rechten Maustaste eure interessanten Links im Content nicht öffnen. Damit kann man das nicht als neuen Tab zum Weiterlesen (nach dem Hauptartikel) nutzen. Wenn man den weiterführende Link klickt, verschwindet also immer Euer Beitrag und man verliert den Faden.
Hallo und danke für diesen positiven Artikel! Es tut gut neben der ganzen Schwarzmalerei auch mal eine Gegenstimme zu vernehmen. Vermutlich werden die aufgestellten Thesen in naher Zukunft auf die Probe gestellt, denn ich meine es ist nicht zu leugnen, dass die aktuelle Lage in China einen Einfluss auf die Weltwirtschaft nehmen wird (ganz zu schweigen von einer weiteren Ausbreitung, und danach sieht es mE derzeit leider aus) und damit zeigen könnte, ob unsere Wirtschaft wirklich auf so sandigem Fundament errichtet wurde wie es die „Propheten“ propagieren. Ich hoffe, Ihr behaltet recht mit Eurer Gegendarstellung und die besten Zeiten stehen uns noch bevor.
@Thomas: strg + Linksklick
Diesen Artikel habe ich mir gewünscht. Vielen Dank dafür. Da habt ihr fundiert und unterhaltsam die Crash-Propheten und fear monger auseinander genommen.
Diese Leute finden in Deutschland natürlich das dankbarste Publikum.
Letzlich muss man sich bei Propheten/Scharlatanen immer nur fragen:
1) Wie treffsicher waren frühere Prognosen?
2) Welche Interessen verfolgen sie, wie profitieren sie selbst von dem Rummel den sie generieren (Buchumätze, Beratungshonorare, überteuerte Fonds)?
3) In einer komplexen und vernetzten Welt lassen sich kaum Prognosen mit Sicherheit abgeben, höchstens Szenarien und Wahrscheinlichkeiten entwerfen. Wer behauptet dass der Crash (wie auch immer der aussieht) 2020 oder 2023 mit Sicherheit eintritt, ist nicht seriös.
4) Warum sollte jemand, der die Zukunft so genau kennt, sein Geld mit Büchern und Vorträgen verdienen? Warum kauft er nicht Optionsscheine, erspekuliert sich ein Vermögen und genießt das in aller Stille?
Also, immer klaren Verstand behalten und in guter Stimmung bleiben.
Nicht falsch verstehen, ich schätze diesen Blog sehr, aber um Himmels Willen, erlaubt endlich die Benutzung des Kontextmenüs in eurem CMS. Es ist ohnehin schon müßig, aber bei einem Artikel wie diesem, welcher viele Links enthält, ist es nur noch grausam. Zumal sich Links ja noch nicht mal in einem neuen Tab öffnen.
Wenn man JavaScript im Browser deaktiviert, kann man die Blockade ohnehin umgehen. Also seid so gut, und lasst es gleich bleiben. Würde die Usability der Website immens verbessern.
Hi Chris, das haben zwischenzeitlich auch mal so eingestellt, ist aber durch irgendein Update wieder rausgeflogen. Es sollte jetzt zumindest funktionieren, dass Links in einem neuen Tab geöffnet werden. Alles weitere sehen wir uns kurzfristig an 😉
Danke für den Hinweis!
„dass eine einzige Person „die“ Risikosysteme der deutschen Banken entwickelt haben soll. “
Das ist auch vollkommener Unsinn.
Sparkassen nutzen hauseigen Risikomanagementsysteme , ebenso wie VR-Banken, Privatbanken dann wiederum andere.
Die Privatbanken dann auch untereinander komplett Unterschiedliche.
Dass Krall alle diese Systeme entwickelt oder auch nur mitentwickelt haben soll, ist vollkommen an den Haaren herbei gezogen.
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