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Risiko = Rendite. Oder?

Allgegenwärtig begegnet Investoren das Risiko. Zum einen ganz greifbar als materialisierte Preisabweichung vom Erwartungswert, zum anderen aber auch als reichhaltig verwendete Worthülse, deren inhaltliche Ausfüllung unstrittig erscheint oder als unstrittig verkauft wird. Aber ist das so?

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Dazu inspiriert, einmal über unser Risikoverständnis zu berichten, wurden wir von einem kürzlich erschienenen Artikel auf Finanzielle Freiheit Mensch. Wir halten es bei sich stellenden Fragen im Investmentkontext, im Gegensatz zu einem – auf der Basis anekdotischer Evidenz ermittelten – bedeutenden Teil der Anleger, für die zielführendste Variante, nicht zur Trash-/Crash-Literatur von Friedrich & Weik, Krall et al. zu greifen, sondern zu anerkannt seriöser Literatur von Autoren, die dezidiert nicht als Schreihälse auffallen. Greifen wir also zur Lösungsfindung zunächst zur Bibel des wissenschaftlich fundierten Investierens, zum Kommer*.

Auch bei Kommer wird der wissenschaftliche Arbeitsstand übernommen, dass das Risiko als Entsprechung der mittleren Streuung um den Erwartungswert der Renditen in Form der Standardabweichung gilt. Das mag für portfoliotheoretische Berechnungen hilfreich sein, um überhaupt eine mathematische Näherung für „Risiko“ zu haben, mit der man dann in der Folge kalkulieren kann. Aber kann diese Risikodefinition auch qualitativ in die Praxis übernommen werden?

Denn was ist die Standardabweichung vom Mittelwert? Sie ist die Wurzel der quadrierten Schwankungen um den Mittelwert der Renditen. Regelmäßig erfolgt dann noch eine Normierung mithilfe der Annahme einer Normalverteilung der Renditen. An dieser Stelle wollen wir diese bereits anderenorts häufig erläuterten Definitionen aus Platzgründen nicht weiter ausführen.

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Jedenfalls ist bei den Abweichungen ja offensichtlich auch die positive Abweichung über den Erwartungswert hinaus mit enthalten – statt 7 % erwarteter Rendite kommen 8 % heraus. Ist das Risiko? Mathematisch mag das so sein. Praktisch relevant ist jedoch nur die negative Abweichung vom Erwartungswert. Die Standardabweichung, die Volatilität ist kein sog. Downside-Risikomaß. Ein solches entspräche aber eher dem umgangssprachlichen Risiko.

Auch Kommer erliegt der Versuchung, das Risiko gelegentlich als Wertschwankung zu bezeichnen statt als Preisschwankung. Preis und Wert sind jedoch nicht dasselbe – außer man unterstellt wie Kommer, dass Märkte effizient sind, eine Über- oder Unterbewertung mithin nicht möglich ist. Mit der Annahme und der Gleichsetzung, dass ein Unternehmen gemäß der Effizienzmarkthypothese das wert ist, was an der Börse dafür bezahlt wird, tun wir uns schwer. Bestenfalls ist das die beste bequem zur Verfügung stehende Näherung. Dennoch ist die Gleichsetzung von Preisschwankung und Risiko, von Marktpreis und Wert ein Denkmodell und Modelle haben Modellfehler, die es zu berücksichtigen gilt, wenn Schlussfolgerungen für reales Handeln gezogen werden sollen.

Packt man beispielsweise 10 USD Bargeld in eine börsengehandelte Aktienhülle, ohne dass über die zukünftige Verwendung des Geldes Informationen bekannt sind, so wäre der Wert der Aktie 10 USD. Der Preis müsste folglich auch 10 USD betragen. Dass dem in der Realität nicht so ist, sieht man beispielsweise bei SPACs. Der SPAC des „sozialen“ Netzwerks von Donald Trump, die Digital World Acquisition Corp mit einem Inhalt von 10 USD, handelte vom 7. bis zum 20. Oktober 2021 etwa in einer Bandbreite von 9,94 und 10,05 USD, während der Wert des Unternehmens an jedem einzelnen Handelstag unstrittig identisch war. Der Lilium-SPAC handelte im Oktober 2020 bei demselben Inhalt in einer Bandbreite von 9,95 bis 10,35 USD. Natürlich sind hier Irrationalitäten im Preis enthalten. Aber das kann doch nur belegen, dass Preis und Wert in der Praxis nicht identisch sind, dass der Renditeerwartungswert bei SPACs c.p. 0 % ist, aber es zu Preisschwankung um den Erwartungswert = Risiko kommt, ohne dass tatsächlich ein Risiko besteht.

Deshalb erscheint auch die Aussage etwas eigenartig, es müsste „mehr Risiko übernommen“ werden, um mehr Rendite zu bekommen. Das würde ja bedeuten, es müssten stärkere Preisschwankungen eingekauft werden, um mehr Renditeerwartungswert zu erhalten. Das eine mag mit dem anderen statistisch schon zusammenhängen. Aber hilft das in der Anlegerpraxis? Man sucht Werte doch nicht nach dem Maß der beobachteten oder erwarteten Preisschwankung aus. Im Gegenteil würde man Titel suchen, die mit sehr wenigen Schwankungen um einen Renditeerwartungswert von 30 % p.a. mäandern. Klar: Kommers Lösung lautet, gerade deshalb den Markt und nicht Einzelwerte zu kaufen, da a priori die schwankungsarmen Renditekönige nicht klar erkennbar sind und man langfristig die Marktrendite eh nicht schlagen kann. Aber auch diese Lösung basiert ja sowohl auf der Annahme der Gültigkeit der Effizienzmarkthypothese, als auch der Gleichsetzung von Risiko mit Preisschwankungsbreite.

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Auf den ersten Blick ist eine Tesla-Aktie ja auch riskanter als eine Volkswagenaktie. Aber stimmt das? Die Preisschwankungen sind höher, aber auch wegen der exzentrischen Führung von Tesla und wegen der höheren Duration der Zahlungsströme. Je weiter entfernt die diskontierten Renditen liegen, desto stärker schwankt der barwertige Börsenpreis – klar, denn genau das ist ja die bepreiste Unsicherheit. Preisschwankungen werden z.T. von Musks Twitter-Nachrichten induziert (teilweise auch nicht in Geschäftsführerfunktion, sondern als Gesellschafter), die mit dem Kerngeschäft von Tesla gar nichts zu tun haben, die damit aber in die Volatilität des Aktienpreises eingehen. Ein lieblos zusammengeschuster Short-Report erhöht ebenso die Volatilität des Anteils – aber erhöht er auch das innere Risiko für das Unternehmen? Aus unserer Sicht nicht. Richtig mag sein: es gibt keine quantitativ bessere Schätzung für den inneren Wert und das innere Risiko als die anhand des Anteilspreises gemessene oder erwartete Rendite und Volatilität. Von keinem der Apologeten den quantitativen Risikomanagements wird aber qualitatives Risikomanagement z.B. als Komplement herangezogen oder auch nur erwogen. Es gilt allein das Primat der Zahlenschubserei.

Fraglich ist doch aber gerade in diesem Beispiel, ob nicht interessanter ist, wie der innere Wert und das innere Wertrisiko von Tesla ist, also die Fähigkeit nachhaltig Zahlungsstromüberschüsse zu generieren und das Risiko, dass die Zahlungsflüsse nicht kommen. Genau hieran ist der aus Angebot und Nachfrage resultierende Aktienpreis aber nicht geknüpft – es sei nur an die geldpolitische Flut erinnert, die praktisch jede Aktie pauschal anhebt, unabhängig von der inneren Ertragskraft oder dem tatsächlichen Unternehmensgeschehen.

Andererseits baut Volkswagen unzweifelhaft brauchbare Autos – aber ist Volkswagen nicht der aussterbende Dino im Elektroautomarkt und das Risiko deshalb viel höher als bei Tesla, das das Zukunftsprodukt von Geburt an in der Unternehmens-DNA hat? An dieser Stelle wird ersichtlich, wie sehr auch Erzählungen Aktienpreise beeinflussen. Unvergessen ist etwa die Memestockisierung der Volkswagenaktien im E-Mobilitätskontext im ersten Quartal 2021. Der Anteilspreis an Volkswagen stieg um 80 % – aber war Volkswagen als Unternehmen auch 80 % mehr wert, nur weil der Anteilspreis das indiziert?

Die Preisentwicklung kann nicht ausschlaggebend sein – es kommt auf den Wert an. Sonst wäre Wirecard erst durch den massiven Preisverfall und der damit explodierten Volatilität riskant geworden. Das wahre Risiko, nämlich der bereits eingetretene Totalausfall, war aber unzweifelhaft in der Minute vor der Pressemeldung über die fehlenden Bankguthaben exakt gleich wie in der Minute danach. Die lediglich nachgelagerte Verarbeitung der bis dato nichtöffentlichen Information vom Markt kann das innere Risiko nicht beeinflussen, sodass die Volatilitätsbetrachtung immer nur das äußere, also das Aktienpreisrisiko betrifft.

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Anders gesagt, wird unter Risiko im allgemeinen Anlegersprachgebrauch das Unternehmensanteilserfolgsrisiko verstanden und nicht das Unternehmenserfolgsrisiko. Aus dieser – unseres Erachtens falschen – Abstrahierung des Unternehmensanteils vom Unternehmen resultieren aus unserer Sicht verschiedene Fehlanreize und Missverständnisse. Für ersteres sei beispielhaft zu nennen die freiwillige de-facto-Selbstentrechtung der Anteilseigner durch Delegation aller Rechte und Pflichten aus dem einzelnen über ETFs nur noch mittelbar gehaltenen Unternehmensanteil an die Fondsgesellschaft, weil nur noch zählt, aus Geld mehr Geld zu machen. Wie, ist egal. Zum anderen folgen aus der gedanklichen Trennung des Unternehmensanteils vom Unternehmen eben die Missverständnisse hinsichtlich des inneren Werts und des äußeren Werts sowie des inneren Risikos und des äußeren Risikos.

Da wir von Gerd Kommer bereits einmal zitiert wurden, schaut er oder einer seiner Mitarbeiter vielleicht ja zufällig hier noch einmal vorbei. Wir würden gerne den konstruktiven Dialog aufnehmen, und Herrn Kommer anregen, zu den hier aufgeworfenen Punkten einmal einen Artikel mit seiner Sichtweise zu verfassen.

Es ist jedenfalls ein Fetisch, den wir seit Jahren erleben, dass es für die Beschreibung von Risiken offenbar zwingend quantitativer Maßstäbe bedarf. Ohne eine Zahl hingeworfen zu bekommen, scheint es nicht möglich zu sein, über Risiko zu sprechen.

Ganz unbrauchbar wird es dann, wenn das quantitative Risikomaß noch in die Form des analytisch ermittelten Value-at-Risk transponiert wird, das wie oben ausgeführt mit Price-at-Risk eigentlich besser bezeichnet wäre. Wobei der Value-at-Risk immerhin schon einmal für die Bestimmung von Downside-Risiken von Wertpapierportfolios konzipiert wurde. Das Ergebnis ist aber eine Kennziffer auf der Basis fragwürdiger Annahmen, die bloß in Zeiträumen hilft, in denen man sie eigentlich nicht braucht.

Denn der Value-at-risk wird jedenfalls im Vulgärgebrauch auf der für Wertpapierrenditen evident realitätsfernen Annahme der Normalverteilung der Renditen mit der daraus folgenden systematischen Unterzeichnung der Verteilungsrandwahrscheinlichkeit berechnet. Da bei Privatanlegern hingeworfenen VaR-Argumentationsbrocken generell nicht hinzugefügt wird, unter welcher Verteilungsannahme er berechnet wurde, muss genau davon – also von der Normalverteilung – auch generell ausgegangen werden.

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Das eigentliche Ziel aber – so müssen jedenfalls Vermögensverwalter verstanden werden, wenn es um Risikomanagement geht – ist das frühzeitige Erkennen von Extremereignissen, um negative Renditefolgen daraus vermeiden zu können. Das ist unseres Erachtens jedoch bis heute nicht auf der Basis von beobachteten Preisschwankungen möglich. Entweder ist der Preis bereits abgerauscht, dann gibt es auch ein Volatilitätssignal – dann ist es aber auch bereits zu spät. Und umso mehr zu spät, je stärker das Signal ist.

Oder aber man vertraut auf das möglicherweise bessere Instrument der Abstimmung über die Risikoerwartung in Form der impliziten Volatilität, die sich aus Optionspreisen, also Marktpreisen ergibt. Allerdings ist auch hierin nur eine Meinung verarbeitet. Eine Meinung über das erwartete Risiko als Optionspreiskomponente. Es müsste die Mehrheit der Handelsteilnehmer grundsätzlich richtig liegen hinsichtlich der Prognose der zukünftigen Schwankungsbreite, um hieraus überhaupt eine Aussage ableiten zu können, nach der man sich richten könnte. Das erscheint uns aber unwahrscheinlich.

Wie auch immer: wir halten den Risikobegriff und vor allem die Tatsache, das unbesprochen vorausgesetzt wird, was er enthält, für problematisch. Über Risiko kann eigentlich nur gesprochen werden, wenn sich beide Parteien vorab über die Risikodefinition einig sind. Wir halten die Volatilität jedoch als Gleichsetzung für Risiko für ungeeignet, insofern nicht portfoliotheoretische Optimierungsrechnungen betroffen sind und den Value-at-Risk wegen der regelmäßig falschen zugrundeliegenden Annahmen ebenfalls für ungeeignet, um extreme Downside-Risiken vorab zu erkennen. Denn es sollte dem normalen Anleger natürlich egal sein, ob er ein Risiko eines 5 oder 10 %igen Preisrückgangs hat. Interessant wird es doch gerade bei 20, 30, 40 % Kursverlust.

Skurril wurde es kürzlich in der Euro am Sonntag (EamS), Ausgabe 44/2021. EamS betreibt seit einigen Jahren ein VaR-Musterdepot nach streng definierten Regeln. Wir haben das von Beginn an für falsch gehalten, weil wir der Auffassung sind, dass eine Steuerung der Portfolioallokation allein nach dem VaR Unsinn ist. Zwar hat das Portfolio – in einem kontinuierlich steigenden Markt – keine Verluste eingefahren, jedenfalls nicht insgesamt seit Auflage im August 2015. Allerdings sind 31,5 % Zuwachs gegenüber einer reinen DAX-ETF-Anlage mit 66 % Wertentwicklung geradezu lächerlich. Insbesondere Ereignisse wie der Corona-Crash kann diese Strategie weder erkennen, noch auffangen. Denn es wird in dieser Strategie nur alle vier Wochen kontrolliert, ob sich der VaR verändert hat. Im Februar/März 2020 war dagegen innerhalb von vier Wochen schon alles vorbei und die Trendwende längst da.

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Aus diesem Grund hat man die Regeln nun geändert. Angepasst, wie es so schön heißt, wenn etwas in der Vergangenheit nicht funktioniert hat und deshalb nun neu an die Vergangenheit angepasst wird, um in Backtests noch besser zu bestehen. Die EamS steckt hier in einem veritablen Interessenkonflikt, denn sie lebt (auch) von den Wikifolio-Erträgen. Aufgrund der – wie es heißt – performancetechnischen „Durststrecke“ verwundert es vor dem Hintergrund des Corona-Blitzcrashs nicht, dass die EamS für das VaR-Depot für die Frage einer Risk-On-Periode oder einer Risk-Off-Periode den Beobachtungszeitraum von vier auf eine Woche verkürzt hat und dies auch ausführlich begründet hat. Ebenfalls wurde mit der Vergrößerung des DAX nun auch die Anzahl der Low-VaR-Aktien des VaR-Strategie-Depots angehoben.

Was allerdings nicht so klar erläutert wurde: der DAX hat nun 33 % mehr Mitglieder. Das VaR-Depot aber neuerdings 60 % mehr Titel – warum? Gleichzeitig wurde die Sensivität von 1 %-Punkt VaR-Erhöhung in vier Wochen verändert auf eine Änderung von 7,5 % gegenüber der Vorwoche. Allerdings wird nicht klipp und klar ausgeführt, welcher VaR überhaupt gemeint ist, wenn von „dem“ VaR-Indikator die Rede ist. Beispielhaft steht zwar dabei, dass der 95 %-VaR auf eine Woche gemeint sein könnte und das würde sich decken mit den VaR-Berechnungen im Kursteil der Zeitung. Aber warum nun ein Verkaufssignal nach einer DAX-VaR-Steigerung um 7,5 % unter dem Vorbehalt steht, dass der DAX-VaR zusätzlich über seinem langfristigen (d.h. welche Frist?) Durchschnitt liegt, erschließt sich nicht. Aus unserer Sicht ist das alles das Gegenteil von Transparenz. Den VaR intransparent für Geld verkaufen – das ist wirklich ein geniales Geschäft.

Ein Verkaufssignal entsteht somit ja nur, wenn bereits höhere Volatilität im Markt sichtbar ist, weil erst dann der langfristige VaR-Mittelwert überschritten wird, oder wenn die Volatilität lange Zeit konstant niedrig war, weil dann schon geringe Anstiege den Mittelwert übersteigen. Überhaupt scheint 7,5 % auf den ersten Blick etwas sehr sensibel zu sein und deshalb zu hektischem Handelsverhalten zu verleiten. Begründet wird das mit „Strukturbrüchen“ und einer „neuen Normalität“. Dieses Mal ist alles anders.

Anders herum wird tatsächlich ein Schuh draus: die Corona-Krise ließ sich mit quantitativen Methoden schlicht nicht vorhersehen und auch die neuen Kriterien werden daran nichts ändern. Die Corona-Krise ließ sich aber qualitativ vorhersehen, indem man einfach mal in die Nachrichten schaut und die stetig ansteigende Eskalationsspirale mitverfolgte und gedanklich würdigte. Vielleicht ist dies der größte immanente Fehler bloß quantitativen Risikomanagements: die totale Abstraktion vom Realen und das blinde Vertrauen in Zahlen.

Günstigerweise ist die EamS-VaR-Strategie so komplex geworden, dass sie nun eben nicht mehr – wie in deren Artikel-Einleitung beschrieben – „einfach umsetzbar“ ist, sondern, wie EamS immerhin selbst schreibt, nur noch „mit viel Aufwand“. Wie gut, dass EamS genau für dieses komplexe System das Wikifolio betreibt, an dem sie verdienen. Ein Schelm, wer Böses denkt! Wie Tobias Aigner aus der wikifolio-Seite kommentierte: „Was die neue Regeln konkret bringen, lässt sich heute noch nicht genau sagen.“ Korrekt.

Entwickelt wurde die VaR-Strategie in der EamS übrigens von Stefan Mittnik, Professor für Finanzökonometrie an der LMU München. Mittnik spielt ebenfalls bei Scalable mit und da schließt sich dann der Kreis. Auch Scalable ist eine Risikosteuerung auf VaR-Basis unfassbar hart vor die Füße gefallen, wie wir schon mehrfach – auch vor Corona – berichteten. Und zwar nicht nur einmal, aber vor allem mit der desaströsen Performance in der Corona-Krise. Es lief dann ab wie immer. Schuld war nach Auffassung von Scalable die falsche Kalibrierung des Systems, nicht das System an sich, und dann wurde eben das Risikomodell geändert.

So sieht seriöses Risikomanagement gerade nicht aus, wenn man den Entwicklungen hinterherläuft und die Firma, die „modernstes Risikomanagement“ als Alleinstellungsmerkmal ausgab, ist genau daran am eklatantesten gescheitert. Zwar modelliert Scalable nicht allein auf der Annahme einer Normalverteilung – immerhin! -, dennoch ist die wertpapiermarktinhärente Verteilungsannahme ja nicht bekannt – und wäre wohl auch dynamisch, selbst wenn sie bekannt wäre – und kann deshalb nur durch Beobachtung approximiert werden. Selbst wenn man die Fat Tails also manuell hineinmodelliert, ist das doch wieder nur die Anpassung des Modells an die Vergangenheit. Bis heute sind wir nicht überzeugt worden von der Portfoliosteuerung auf der Basis quantitativer Risikomaße.

„Volatilität ist kein geeignetes Risikomaß“, sagt Stefan Mittnik.

RiskNET

Die ehrlichere Variante lautet: hin und her macht Taschen leer. Man sollte schlicht gar nicht aus Gründen der Risikovermeidung umschichten, schon gar nicht nach VaR-Signalen, und den Anlegern einfach sagen, dass Geldanlagen mit Schwankungen verbunden sind, die auszuhalten sind. Der Versuch, diese Schwankungen durch rein quantitatives Risikomanagement zu glätten oder zu negieren, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. So schlecht sich diese Feststellung auch verkaufen lässt, weil die Leute die ETFs, die sie dann durchhielten, ja selbst kaufen könnten und deshalb gerade nicht auf Robo-Advisor angewiesen sind.

Zwar können wir nicht nachvollziehen, wie man dennoch so viele Kundengelder anziehen kann. Allerdings kommen wir wiederum gut damit klar, weil wir über Blackrock-Anteile mittelbar selbst in Scalable investiert sind. Die Apotheose rein quantitativen Risikomanagements können wir jedoch, wie vorliegend dargelegt, nicht mittragen.

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4 Gedanken zu „Risiko = Rendite. Oder?“

  1. Ein wunderbar geschriebener Artikel. Aber bitte nicht den Maximum Drawdown (MDD) als Risikomaß vergessen. Der ist zumindest für mich als Privatableger wichtiger als die Volatilität. Man kann damit zwar nicht sein Portfolio steuern, aber abschätzen welche Assetklassen in der Vergangenheit riskanter waren als andere. Auch der Zeitpunkt des MDD für verschiedene Assetklassen ist interessant, weil man so nicht in die Falle vermeintlich geringer Korrelation läuft, die genau in Stressphasen hoch wird, beide Assets also abrauschen.

    1. Ist der schlimmstenfalls zu erwartende Maximum Drawdown, wenn es darauf ankommt und weil sich Geschichte nicht wiederholt, nicht immer 100%? 😉

      1. Ja sicherlich, wenn ein Meteorit in die Erde einschlägt oder es zu einer anderen globalen Katastrophe kommt, die die Menschheit auslöscht. Ansonsten denke ich schon, dass man aufbauend auf über hundert Jahren Finanzgeschichte einen MDD für jede Assetklasse abschätzen kann. Wenn es dann in Zukunft doch alles anders kommt: Pech gehabt. Aber genauso wie den MDD aus historischen Daten könnte man die historische Aktienrendite als nicht repräsentativ für die Zukunft ansehen, nur bringt uns das nicht weiter.

  2. Pingback: Schmankerl der Woche KW46 2021 –

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