Nachdem wir uns unserem letzten Artikel schon einen bunten Strauß an Themen vom Crash über Trump, Wirecard, Aktien, Immobilien, Optionen, Degiro und Smartbroker bis hin zu P2P besprochen haben, schauen wir uns heute weitere aktuelle Themen an.
Dabei wollen wir einmal mit Scalable beginnen. Scalable ist Marktführer („Europas führende ETF-Vermögensverwaltung“) im Bereich der Robo-Advisor – so der Werbename, oder ungeschminkt: im Bereich der regelgesteuerten aktiv gemanagten ETF-Anlage. In Kurzform: eine ETF-Anlage, die man durch viel Finanzhokuspokus von billig wieder auf teuer gedreht hat. Was ist der Kern von Scalable? Scalable nimmt für sich in Anspruch, ein überlegenes Anlagekonzept auf der Basis finanzmathematischer Risikosteuerung entwickelt zu haben. Wie immer, wenn man mit dem Konzept vermeintlicher Finanzinnovation an den Markt geht, lohnt es sich, dort einmal etwas genauer hinzusehen.
Auch wenn jedes Risikomaß seine Vorzüge hat: Der Value-at-Risk liefert – richtig berechnet – die wertvollsten und verständlichsten Informationen über die Verlustgefahr eines Investments.
Rechnen mit dem Risiko: Die wichtigsten Risikomaße im Überblick
Und da sind wir auch schon genau beim Punkt. Scalable wirbt mit „modernstem Risikomanagement“ – wobei modernst ja schon eine Steigerung von modern ist, ohne aber offenzulegen, was Scalable konkret noch moderner macht, als andere lediglich moderne. Was aber ist modernes Risikomanagement? Nach Auffassung von Scalable offenbar der Einsatz verschiedener stochastisch-statistischer Risikomaße wie beispielsweise des Value-at-Risks (VaR). Also die Angabe des Verlusts, der an der Preisvolatilität orientiert mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit in einem gegebenen Zeitraum nicht überschritten wird. Aber auch den erwarteten Verlust im Falle eines Überschreitens des VaR-Verlusts (Expected Shortfall oder conditional value-at-risk, cVaR). Das sind alles ganz wunderbar interessante Rechenübungen für mathematisch Interessierte, und das ist sogar ernst gemeint. Die Frage, die sich aber im Langfristgeldanlagekontext stellt, ist: Braucht man das, oder kann das weg?
Echte Erfolgsgeschichten hat der VaR auch geschrieben. Die beste handelt von der Investmentbank Goldman Sachs. Vor Ausbruch der US-Immobilienkrise im Jahr 2007 zeigte der VaR in den Büchern der Bank eine stark steigende Verlustgefahr an. Daraufhin verringerte der damalige Finanzchef David Viniar die mit Hypothekenkrediten besicherten Risikopositionen der Bank drastisch. Eine hervorragende Entscheidung. Goldman hat die Krise vergleichsweise gut überstanden.
Rechnen mit dem Risiko: Die wichtigsten Risikomaße im Überblick
Denn obwohl Scalable hier gleich mal mit einem Positivbeispiel startet, ist das unbedingte Vertrauen auf den VaR beispielsweise auch Auslöser der LTCM-Pleite gewesen und hat die US-Notenbank zur historisch ersten einzelprivatwirtschaftlich bedingten Leitzinssenkung veranlasst. Aber nicht nur historische Evidenz stellt den VaR oder den Glauben an ihn infrage, sondern er ist als Modell an sich nicht ohne berechtigte Kritik geblieben. Wie Scalable selbst einräumt, ist die Validität der Modellaussage abhängig von der Validität der Modellannahmen.
Klassischerweise wurde für den VaR die Gauß’sche Glockenkurve als Verteilungsannahme angewandt, einfach weil sie sich gut rechnet, nicht, weil sie die Realität besonders gut wiedergibt. Knackpunkt sind in erster Linie die Ränder der Wahrscheinlichkeitsverteilung, an denen extreme Ereignisse hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit systematisch unterzeichnet werden. Deshalb werden vereinfacht berechnete Value-at-Risks auch als Schönwetterrisikomaß bezeichnet – weil er in Stresssituationen eben nichts bringt. Dies hat Scalable erkannt, und modelliert sich – aussagegemäß – eine eigene Verteilungsannahme. Scalable verweist letztlich darauf, den Value-at-Risk „richtig“ berechnet zu haben.
Und das ist der Punkt, an dem wir uns nun natürlich stören. Denn die Aussage grenzt an Hybris. Aus unserer Sicht gibt es keine „richtige“ Berechnung des Value-at-Risks, sondern bestenfalls eine „weniger falsche“ Berechnung. Der gesamte finanzwissenschaftliche Fetisch des Strebens zum „richtigen“ Value-at-Risk ist ein iterativer Erkenntnisgewinnungsprozess ins Nichts, der ab einem gewissen Punkt auch keinen realen Nutzen mehr bringt – aber sich als trotzdem investierter Aufwand eben immer noch verkaufen lässt. Wie manche Vertreter sozialistischer Strömungen beispielweise auch der Auffassung sind, Arbeit an sich hätte immer einen Wert, wie sinnlos sie auch eingesetzt wird.
Das ist in der Theorie nun auch alles schön und gut, aber wie sieht die Praxis aus?
Zunächst ist festzuhalten, dass wir in unserem damaligen Artikel zur sogenannten Risikosteuerung bei Scalable schon exakt beschrieben haben, was bei dem Modell eines Volatilitäts-Timings im Fall einer Krise passiert. Wir zitieren uns noch einmal selbst:
Man sieht sehr schön, dass man bei volatilitätsorientierter Portfoliosteuerung in der Regel zu spät kommen wird. Denn je höher die Volatilität, desto höher der bereits eingetretene Kursverlust.
Genau das ist nun im Corona-Crash mit Scalable passiert. Scalable hat massive, ja man muss sagen schlicht peinliche Verluste eingefahren. 25 % Wertvernichtung im Corona-Crash. Man möchte ja fast sagen, dass man sich fast an LTCM erinnert fühlt. Scalable war mit großem Abstand schlechter als alle anderen Robo-Advisor (von denen wir übrigens genauso viel halten, wie von Scalable – wie gesagt, wir fokussieren uns auf Scalable, weil es der anspruchs- und meinungsstarke Markt- und Kapitalführer mit wissenschaftlicher Fassade ist).
Vor dem 20. Februar, als die Börsen ihre Höchststände erreichten, war die Volatilität sehr gering. Das führte dazu, dass Scalable die Aktienquote in den einzelnen Risikoklassen bis zum Anschlag hochfuhr. So betrug die Aktienquote im Depot von brokervergleich.de, das eigentlich einer mittleren Risikostufe entspricht, 75 Prozent. Rechnet man Immobilienaktien mit ein, waren es sogar 85 Prozent.
Die sogenannte regelbasierte Geldanlage führt nun dazu, dass der Roboterberater genau das Dümmste tut, was man auf Allzeithochs tun kann: alles reinbuttern, was geht. Dann kam der Crash, den man voll mitnahm, weil die Realität sich nicht an das höchstwissenschaftlich ausgearbeitete und mit einem Whitepaper untermauerte Modell halten wollte.
Bei Scalable beträgt die Aktienquote [per Mitte April 2020, Anm. v. Atypisch Still Blog] im Brokervergleich-Depot inzwischen nur noch 25 Prozent – vor sechs Wochen waren es 85 Prozent. Warum hat man nicht gleich zu Beginn des Crashs reagiert? „Wir analysieren bei einem Einbruch auf dem Aktienmarkt, ob es sich um ein kurzfristiges Ereignis handelt oder um einen längerfristigen Trend“, sagt Gründer Podzuweit. Diese Analyse könne zwei bis drei Wochen dauern. Erst danach fahre man die Aktienquote zurück. „Es wäre erratisch und würde letztlich Rendite kosten, wenn wir das jedes Mal sofort machen würden.“ Man könne ein regelbasiertes System nicht auf ein einzelnes Extremereignis vorbereiten. Es sei auch nicht möglich, bei jedem Ereignis richtig zu liegen. „Entscheidend ist, langfristig, auf Sicht von mindestens zehn Jahren, sinnvolle Handelsentscheidungen zu treffen“, sagt Podzuweit.
Also auf Höchstkurs Vollgas und dann im Crash alles verkaufen. Typisch Deutsch könnte man sagen. Und was ist das? Wird hier entgegen der Modellaussage etwa doch regelmäßig diskretionär in die Anlageklassengewichtung eingegriffen, wenn man erstmal noch wochenlang analysieren kann, so viel und so lange man möchte und am Ende also menschlich entscheidet und nicht roboterisiert? Noch einmal die Frage: was ist nun der spezifische Vorteil einer Anlage durch den Scalable Broker? Wir können ihn immer noch nicht erkennen.
Aus der Überzeugung heraus, dass erfolgreiches Vermögensmanagement in erster Linie erfolgreiches Risikomanagement bedeutet, zielen die Allokationsentscheidungen des Anlageprozesses von Scalable Capital darauf ab, die Verlustrisiken des Anlagevermögens effektiv zu kontrollieren.
Scalable hat in der behaupteten Kernkompetenz komplett versagt. Und alle bisherigen Hilfserläuterungen sind Makulatur, denn Scalable hat sogar in einem kurzen Moment der Einsicht in das eigene Scheitern das Risikomodell geändert. Ein starkes Signal für die Wertigkeit dieses Modells, wenn es in der ersten großen Krise gleich geändert werden muss. Die Kunden als Beta-Tester? Klar, gibt es neue Fakten, muss es natürlich geändert werden. Dennoch, ein Marketing-Super-GAU aus unserer Sicht. Wertentwicklungskurven gibt’s jetzt auch nicht mehr auf der Webseite. Die waren aber auch vor Corona schon nicht überzeugend. Stattdessen nur noch Tabellen. Aber auch die sprechen über praktische alle Teilanlagemodelle für sich. Wir sind übrigens mit unserem Nicht-Scalable-Depot mit einem üppigen Plus aus 2020 rausgegangen.
Wir bleiben dabei. Das volatilitätsgesteuerte Risikomodell ist ein Modell, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Es mag für ein paar Prozent Wertentwicklung pro Jahr immer noch reichen, für Leute mit zu viel Geld und zu wenig Zeit für die eigene Beschäftigung mit Geldanlage und mit den Kapitalmärkten. Die maximale Rendite gibt es so aber nicht. Denn das Scalable-Produkt ist durch das Scheinargument des vermeintlich notwendigen Risiko“managements“ dem Grunde nach ein aktiver Handelsansatz. Das heißt, Scalable ist ständig am Hin- und Her-Traden und verursacht permanent Handelsgebühren. Geld verdient man an der Börse aber vor allem mit dem Füße stillhalten – wie man am Corona-Crash retrospektiv nun gut sieht. Es ist allgemein bekannt, dass der Versuch einer Verlustvermeidung massiv Rendite kostet. Und ein Hin- und Heransatz ist auch notwendig davon abhängig, dass die getroffenen Entscheidungen fortwährend die richtigen sind. Wenn man viel handelt und dann auch noch oft falsch liegt, bringt das eben keine Rendite.
Da wir beispielsweise vor Corona das zusätzliche Risiko eines Überleverage eingegangen sind, bestand unser Risikomanagement ganz schlicht darin, die Zeitung zu lesen und das Tagesgeschehen selbst zu verarbeiten und in Risikomanagemententscheidungen zu transformieren. Unser Überleverage war deshalb bereits ca. 4.000 DAX-Punkte über dem Crash-Tiefpunkt und 14 % unter dem Allzeithoch vollständig abgebaut. Wir hatten also durch gesunden Menschenverstand mehr praktischen Erfolg als andere mit hochtrabendem, aber von Grund auf dysfunktionalen „wissenschaftlichen“ Anlagekonzept.
Im Übrigen würden wir behaupten, dass auch in der Finanzwissenschaft das Scalable-Anlagekonzept eher belächelt werden würde ob der offensichtlichen Schwächen. Wir bezweifeln beispielsweise, ob es bei langfristiger Geldanlage überhaupt hilfreich ist, Risiko allein durch die Wertschwankung des Basiswertpreises zu definieren. Der innere Wert oder das Risiko eines Unternehmens ändert sich weder durch stark noch durch schwach schwankende Börsenpreise. Genauso sinnlos ist es aus unserer Sicht, die Portfolioallokation einer langfristigen Geldanlage kurzfristig durch wahrscheinlich erwartete Verlust-/Preisschwankungsrisiken zu steuern.
Das ist im Übrigen bei großen Wertpapierhandelshäusern anders, in denen der VaR für das genutzt wird, für das er mal gedacht war: die kurzfristige Risikoeinschätzung für ein Gesamtportfolio für kurze Zeiträume. Es ist aber eben ein hervorragendes Verkaufsargument bei Menschen, die sich leicht beeindrucken lassen, solange das Konzept nur einen fancy Namen hat. Nun jedenfalls in 2020 auch noch der Scalable Broker als neues Produkt. Auch hier können wir keinen Punkt erkennen, der den Wettbewerbern irgendetwas voraus hätte – Firmendepots gibt’s natürlich auch nicht.
Und als wäre das alles nicht genug, gab es im November 2020 bei Scalable ein Kundendatenleck. Bei dem Personalien und Kontaktdaten, Ausweisdaten, Referenzkontoverbindung, Berichte, Wertpapierabrechnungen, Rechnungen sowie steuerliche Daten wie die Steueridentifikationsnummer verloren gegangen sind. Man könnte meinen, 2020 ist für Scalable überhaupt nicht gut gelaufen und man hat den Laden irgendwie nicht richtig im Griff. Eine Leistung, mit der sich ein Mindestanlagebetrag von 10.000 Euro (worüber wir immer noch herzlich lachen können) und das damit verbundene entgegenzubringende Vertrauen eigentlich nur noch schwer rechtfertigen lässt.
Ja, was bleibt noch…Bitcoin. Ist natürlich komplett nicht unser Thema und wenn wir eines ganz freimütig zugeben können, dann das: dass wir uns nicht eine einzige Sekunde inhaltlich näher damit auseinandergesetzt haben. Es ist ein Geschäftsmodell, das wir schlicht nicht verstehen. Uns erscheint es komplett sinnfrei und bloß geeignet für das Bezahlen von Drogen im Darknet oder für illegale Geldtransfers. Unseres Erachtens hat es keinen Wert, nicht einmal den Gegenwert des für die Produktion verbrauchten, obszön vielen Stroms. Andreas Beck hat formuliert: Bitcoin ist ein Anspruch von Nichts an Niemanden. Genauso sinnlos und unnötig wie ein digitaler Euro übrigens, für den wir ebenfalls keinen realen Bedarf ausmachen können, da sich der analoge Euro ja bereits hervorragend elektronisch transferieren lässt.
Lange Zeit war der Bitcoin und der ganze restliche Kryptokram mit voller Berechtigung in der medialen Versenkung verschwunden, viele haben mit dieser Spekulation hoffentlich den ihnen gemäßen Anteil an der Renditeverteilungsglockenkurve bekommen – nach oben wie nach unten. Erst seitdem aus irgendwelchen hanebüchenen Gründen der Preis (nicht: der Wert) in 2020 erneut massiv anstieg, berichten sämtliche Medien darüber regelmäßig. Also auch wieder typisch für deutsche Finanzmedien, Themen erst aufzumachen, wenn alles schon teuer ist. Wir haben jedenfalls in den vielen friedlichen und ruhigen Monaten ohne aufdringliche Bitcoin-Berichterstattung nichts vermisst und freuen uns schon darauf, wenn der nächste Crash eine weitere Generation Kasino-Glücksritter aus dem Markt spült und hoffentlich wieder Ruhe einkehrt.
Das gleiche gilt natürlich für die aufdringliche Krisenwährungsberichterstattung über Gold, das wir ebenfalls selbst nicht einsetzen und das auch mitten in der Corona-Krise aufgrund der Korrelationszunahme in Krisen erstaunlich wenig zur Depotstabilisierung beigetragen haben dürfte, insbesondere in den heißen Tagen des März 2020. Intuitiv stehen wir Gold in der Regel ablehnend gegenüber, weil es dem äußeren Anschein nur ein unproduktiver Klumpen Metall ist, der keine Zinsen zahlt, aber immerhin Industrierohstoff ist. Und doch täuscht dieser erste Eindruck massiv, wenn es um die langfristige Rendite von Gold geht. So ergibt eine 40-Jahres-Auswertung von 1970 bis 2010 (und umfasst damit ein nicht ideal gewähltes Endjahr), dass Gold die zweithöchste Rendite aufwies – nach Aktien, selbstverständlich. Wir interpretieren den Goldpreis in der Weise, dass seine Preisentwicklung die reale Geldmengenausweitung bzw. Kaufkraftentwertung widerspiegelt. Und die war traditionell recht hoch. Wenn jetzt im letzten Jahr gelegentlich davon gesprochen wurde, dass Gold den „bisherigen Rekord aus 2011“ überschritten hätte, so stimmt dies auch nur eingeschränkt. Die Autoren aller Couleur verwechseln dann den absoluten Preis und den um die Inflation bereinigten Preis. Und bei letzterem wurde in 2020 noch lange nicht das Allzeithoch erreicht. Dennoch für uns kein Investment.
Da wir nun schon die Finanzmedien mehrfach angesprochen haben, auch noch einen kleinen Senf dazu. Wir verweisen auf den Artikel „Unternehmensgewinne fallen künftig bescheidener aus“ in der Capital-Printausgabe 01/2021. Darin wird unter anderem eine Studie von Bain & Company vorgestellt und behauptet, dass die Steigerung der Unternehmensgewinne, und damit mittelbar der Aktienrenditen, nicht langfristig über der BIP-Steigerung liegen kann. Daraus wurde nun abgeleitet, dass der Aktionär in Zukunft deutlich kleinere Brötchen backen muss. Diese „Analyse“ ist in der Form etwas, das uns schon öfter unter die Nase gerieben wurde. Und klingt das nicht auch einleuchtend? Wie kann eine Teilmenge auf ewig stärker wachsen, als das Gesamte? Und dennoch liegt ein kapitaler Denkfehler vor und man sollte sich doch die Frage stellen, warum Aktien dann über Jahrhunderte die bestrentierende Anlageklasse waren und in dieser Zeit permanent über der BIP-Steigerung gestiegen sind? Gerd Kommer als leidenschaftlicher Zerstörer beliebter Denkfehler nimmt sich auch dieser Frage an.
Ergebnis: die Schlussfolgerung ist überwiegend wahrscheinlich eklatant falsch. Hätte man halt durch ein bisschen googlen auch selbst herausfinden können und den Einwand, wenn man weiter von der Richtigkeit der Aussage überzeugt ist, zumindest mal aufgreifen können. Umso bitterer, dass diesem Artikel mit plumpen Behauptungen nun auch noch der Anstrich des Seriösen und Wissenschaftlichen gegeben wird. Diesen Artikel müssen wir im Umkehrschluss als vermutlich bezahlte Werbemaßnahme, als Advertorial für Bain & Company interpretieren, die sich mit der – nun unbelegten – Prognose einer ungünstigen Entwicklung der Unternehmensgewinne offenbar den benötigten Beratungsbedarf selbst kreieren. Ärgerlich, dass uns das als redaktioneller Inhalt verkauft und unsere Zeit damit verschwendet wird.
Wir haben nun eine ganze Reihe börsenrelevanter Themen mit Fokus auf den Investmentteil angesprochen. Bekanntlich betrachten wir diese Komponente nicht isoliert, sondern legen mit unserer Sparschwein-UG auch einen Fokus auf eine möglichst steueroptimierte Aktienanlage und tauschen im Rahmen unserer Finanzierungsstrategie das zusätzliche Aktienrisiko über Wertpapierkredite dosiert durch ein Refinanzierungsrisiko ein. Für letzteren Punkt ist ein Blick auf die Zinskosten von entscheidender Bedeutung. Und vor dem Blick auf die Zinsen steht natürlich der Blick auf die Inflation.
Die Inflation ist weiterhin hoch und deutlich wahrnehmbar. Mit Inflation meinen wir natürlich den entscheidenden Bereich der Vermögenspreise. Tatsächlich stellt sich ja die Frage, warum geldpolitisch eine dauerhafte Vermögenspreissteigerung von 6 bis 7 % zugelassen wird, nur um zu verhindern, dass die Verbrauchsgüterinflation deutlich weniger als 2 % wächst. Klar ist aber: bleiben die Zinsen bzw. die Geldpolitik so wie sie sind, werden die Reichen systematisch immer reicher und die Armen systematisch ärmer. Dem halten wir grundsätzlich entgegen, dass es jedem freisteht, was er mit seinem Geld macht, ob er nun 20.000 oder 200.000 Euro im Jahr verdient.
Außerdem steht die krisenhafte Geldpolitik der EZB seit der großen Staatsschuldenkrise seit 2010 im Zeichen der Rettung der Südländer. Die Vermutung, dass die EZB aus Wettbewerbsfähigkeitsgründen zugunsten der Euro-Südländer tendenziell die Währung drückt, lässt sich also kaum von der Hand weisen. Nach wie vor dürfte auch die Zinslast der Staatsschulden der Südländer eine Rolle spielen. Der neuerdings anziehende Euro-Kurs zum Dollar lässt sich aber vor allem durch einen noch schwächeren Dollar erklären, nicht durch eine Stärke des Euro, was uns allerdings durchaus verwundert. Fraglich ist, ob das nachhaltig ist, weil aus unserer Sicht Europa politisch in vielerlei Hinsicht strukturschwach ist und es in kaum einem Feld merklich vorangeht und schon deshalb ein starker Euro nicht gerechtfertigt erscheint. Die EZB redet übrigens von einem „starken“ Euro, was wohl nur zum Dollar gelten kann.
Sei es, wie es wolle. Wir sehen jedenfalls im Konkreten weder ein nachhaltiges Anziehen der Inflation deutlich über das Inflationsziel hinaus, noch dementsprechend ein nachhaltiges Anziehen der Zinsen. Und genau deshalb ist das dennoch das größte Risiko für uns – und die Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkte. Durch die Zinsdifferenz zwischen Mehrdividende auf der einen Seite und Zinskosten auf der anderen Seite konnten wir durch den durch Wertpapierkredite gesteigerten Investitionsgrad signifikant fünfstellige Zusatzvermögenszuwächse über die Jahre generieren.
Für 2021 haben wir von in den Finanzmedien einschlägig bekannten Finanzexperten mehr oder weniger einhellig die Erwartung eines leichten Anziehens der Inflation vernommen. Teilweise wird von einem geringen Überschießen ausgegangen, was zum einen durch steigende Energiepreise bedingt ist und zum anderen aus dem technischen Effekt der Mehrwertsteuererhöhung resultiert. Ansonsten sehen wir wie in den ganzen letzten Jahren keinen Grund, warum Verbrauchsgüterpreise in der Breite nachhaltig teurer werden sollten. Andererseits wird der Euro zum Dollar auf der Basis der Kaufpreisparitätentheorie bei etwa 1,30 bis 1,40 gesehen. Der Big-Mac-Index gibt einen Wert von 1,34 aus. Auf dieser Basis wären (je nach regionalem Anlagefokus) bei dem Eintritt einer theoretischen „Fair-Bewertung“ also noch massive wechselkursbedingte Vermögenseinbußen zu befürchten.
Die US-Notenbank äußerte sich dazu wie folgt:
„We’re not thinking about raising rates, we’re not even thinking about thinking about raising rates,“ Fed Chairman Jerome Powell told reporters during Wednesday’s press conference. The „dot plot,“ which shows the monetary policy expectations of policy makers, doesn’t show an interest rate increase until 2022.
Die EZB hat sich dagegen zur langfristigen Zinsprognose nicht geäußert. Eine Zinserhöhung ist aber aus heutiger Sicht ganz offensichtlich nicht in Sicht. Zwar hat die EZB ihre Entschlossenheit erklärt, weiter günstige Finanzierungsbedingungen zu gewähren. Eine Zinssenkung ist demgegenüber aber ebenfalls unwahrscheinlich. Deshalb bleibt es bis auf Weiteres dabei: die Inflation bewegt sich kaum, der Nullzins bewegt sich nicht. Gut für uns, die wir wie gesagt seit 2014 bei Degiro massiv von Wertpapierkreditzinsen von 1,25 % p.a. profitieren. Möglicherweise könnte sich das Zeitfenster in ein paar Jahren im Rückblick als Jahrhundertchance erweisen. Möglicherweise auch nicht.
Fazit
Für uns ist die Sache nach wie vor klar, gerade nach diesem Coronajahr 2020. Wir investieren ausschließlich in die höchstrentierende Anlageklasse und lassen uns von den Verlockungen am Wegesrand nicht ablenken. Gerade in 2020 wurde sichtbar, dass viele neuere Investment-Spielereien irgendeinen Haken haben. Wir investieren außerdem grundsätzlich prognosefrei, im Gegensatz z.B. zu Scalable oder Crash-Propheten. Zu hoffen bleibt, dass der Politik nach dem Schutz der Risikogruppen und nach erfolgter Durchimpfung in 2021 auch endlich mehr an der Wiederankopplung der Realwirtschaft an die Börsenpreise gelegen ist und nicht an der Suche immer neuer Begründungen für immer längere Einschränkungen.
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