Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die in der deutschen Finanzpresse nicht so richtig stattfinden. Wir wollen deshalb ganz speziell mal darauf eingehen, welche unbekannteren Aktien wir für die derzeit interessantesten Werte in unserem Portfolio halten.
1. Fever-Tree, Großbritannien
Fever-Tree ist der nach Einzelhandelsverkaufswert weltweit führende Anbieter von Premium-Mixern für alkoholische Getränke, insbesondere Gin, mit einem Vertrieb in über 74 Ländern weltweit. Die in Großbritannien ansässige Marke wurde 2005 von Charles Rolls und Tim Warrillow gegründet und seit 2014 an der Börse. Die Gruppe verkauft eine Palette von 14 verschiedenen Geschmacksrichtungen an Hotels, Restaurants, Bars und Cafés sowie an Supermärkte und Lizenzen für den Einzelhandel. Rund 50 Prozent des Konzernumsatzes wurden im Geschäftsjahr 2017 außerhalb Großbritanniens erzielt, wobei die wichtigsten Auslandsmärkte die USA, Spanien und Belgien sind.
Fever-Tree wuchs im Geschäftsjahr 2018 mit 40 % beim Umsatz, 35 % beim Gewinn und – fair – ebenso mit 35 % bei der Dividende. Die Dividendenhöhe selbst ist jedoch noch im homöopathischen Bereich angesiedelt. Fever-Tree ist der first mover im Premium-Bereich und greift aggressiv den trägen Platzhirschen Schweppes an. Dazu erobert man parallel gerade den US-Markt. Wenngleich nun die Deutschen, die seit Rocket Internet & Co. ohnehin auf keine eigenen Ideen mehr zu kommen scheinen, mit Thomas Henry aus Berlin einen copy-cat-Billigheimer als Konkurrenten ins Rennen schicken, erscheint es uns generell vorteilhafter, den Qualitäts- und Margenführer ins Depot zu nehmen.
Wir beteiligen uns sehr gerne an dieser Wachstumsgeschichte, Cocktails gehen immer, wenn man sich auch mal auf simple Begründungen einlassen kann. Geschichte ist bei diesem Unternehmen übrigens äußerst wörtlich zu nehmen, denn das gesamte Marketing gründet auf einer bei Lichte betrachtet von vorne bis hinten doch recht dünnen und durchsichtigen Story. Dabei geht es um eine Reise in den Kongo, wo man – so ein Zufall! – doch tatsächlich die absolut besten Zutaten für ein tonic water gefunden hat und sich dachte, das müsste man doch kommerzialisieren. Die Konsumenten sehen das Marketing offentsichtlich weniger kritisch und in der jüngeren Generation kommen solche Anekdoten sicher extrem gut an. Das ist letztlich ja auch das, was aus Aktionärssicht zählt.
Fever-Tree ist unseres Erachtens ein Musterbeispiel für den Themenbereich Markenbildung und Markenaufbau im 21. Jahrhundert, in dem das Produkt selbst weniger eine Rolle spielt, als vielmehr der demonstrative Qualitätsanspruch, die Vermarktung und die Story. So kommt es denn auch, dass Fever-Tree, wenn man etwas tiefer in die Details geht, eine personell unerwartet schlanke reine Veredelungsfirma ist, die alles Wesentliche ausgelagert hat. Was man mit dem Unternehmensanteil also sicherlich nicht kauft, sind Produktionsfabriken, Betriebsräte und einen üppigen Wasserkopf, sondern im Wesentlichen eine auf – zulässige – Profitmaximierung ausgerichtete Werbefirma.
2. Stora Enso, Finnland
Der finnisch-schwedische Konzern Stora Enso ist (gemessen an der Produktionskapazität) das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt sowie einer der größten Papier- und Verpackungsmittelhersteller. Sitz der Gesellschaft ist Helsinki in Finnland. Stora Enso ist die älteste Aktiengesellschaft der Welt und mit ihren Produkten in Branchen wie Bauwesen, Einzelhandel, Lebensmittel und Getränke, Herstellung, Verlagswesen, Pharmazie, Kosmetik, Süßwaren, Hygiene und Textil tätig.
Das Unternehmen beschäftigt rund 26.000 Mitarbeiter in mehr als 30 Ländern. Im Jahr 2017 erwirtschaftete Stora Enso einen Umsatz von zehn Milliarden Euro und ein operatives Betriebsergebnis von einer Milliarde Euro. Die Stora Enso-Aktien werden an den Börsen Helsinki und Stockholm gehandelt, was sich bei Degiro natürlich bequem handeln lässt – zu immer noch günstigeren Konditionen, als deutsche Aktien bei deutschen Brokern, nebenbei bemerkt.
Stora Enso hat fünf Geschäftsbereiche: Endkundenverpackungen, Verpackungslösungen, Biomaterialien, Holzprodukte und Papier. Zu den Kunden gehören Verpackungshersteller, Markenartikelhersteller, Papier- und Kartonhersteller, Verlage, Groß- und Einzelhändler, Druckereien, Weiterverarbeiter sowie Tischlerei- und Bauunternehmen.
Spannend ist der Bereich Holzprodukte, in dem alle Bereiche des Bauwesens abgedeckt werden, inklusive Massivholzelemente, Holzbauteile und Schnittholz. Hier ist man mit modernen Technologien CLT (Cross Laminated Timber) oder LVL (Laminated Veneer Lumber) beim kosteneffizienten Holzhausbau vorne mit dabei. Aus den Abfallprodukten werden Pellets für nachhaltiges Heizen hergestellt. Die Kunden sind hier vor allem Groß- und Einzelhändler, Tischlerei- und Bauunternehmen.
Aber auch innovative Bereiche wie Biomaterialien holt man sich mit Stora Enso ins Depot. Biobasierte Materialien, wie mikrofibrillierte Cellulose, sind erneuerbare und biologisch abbaubare Materialien, die aus Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern gewonnen werden. Diese Materialien konkurrieren deshalb flächenmäßig nicht mit dem Nahrungsmittelanbau und können zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen, indem sie fossile Materialien in Anwendungen wie Verpackungen, Barrierefolien, Spezialpapieren oder sogar Lacken und Klebstoffen ersetzen.
Bei Stora Enso wird man derzeit mit einem günstigen Einstiegskurs bei einer anständigen Dividendenhalteprämie von 4,2 % p.a. belohnt. Angesichts der seit Jahrzehnten steigenden Preise für Papier und Zellstoff sind wir zuversichtlich, dass wir mit diesem Unternehmen noch viele Jahre unsere Freude haben werden.
3. Match Group, USA
Die Match Group, Inc. ist ein führender Anbieter von Dating-Produkten, die in über 40 Sprachen in erster Linie über Webseiten und Apps erhältlich sind. Das Unternehmen verfügt über ein überwältigendes Portfolio von Dating-Marken wie z.B. allen voran natürlich das weltberühmte Flaggschiffprodukt Tinder, gefolgt von Match, PlentyOfFish, Meetic, OkCupid, OurTime, Pairs und Hinge, sowie eine Reihe anderer Marken. In Deutschland dürfte vor allem LoveScout24 bekannt sein.
Tinder wurde 2012 eingeführt und ist seitdem schneller als jedes andere Produkt in der Online-Dating-Kategorie auf heute über 4,3 Millionen Abonnenten angewachsen. Die unverwechselbare „swipe“-Funktion von Tinder hat zu einer deutlichen Akzeptanz bei der Millenial-Generation geführt, die bisher mit Online-Dating-Angeboten unterversorgt wurde. Tinder verwendet ein Freemium-Modell, durch das Benutzer viele der Kernfunktionen von Tinder kostenlos nutzen können. Um jedoch Premium-Features wie die unbegrenzte Nutzung der „swipe“-Funktion nutzen zu können, muss ein Tinder-Nutzer entweder Tinder Plus, das Anfang 2015 eingeführt wurde, oder Tinder Gold, das im Spätsommer 2017 eingeführt wurde, abonnieren. Tinder-Nutzer und -Abonnenten können auch für bestimmte Premium-Funktionen wie Super Likes und Boosts auf Pay-per-Use-Basis bezahlen.
Wir denken, dass das Geschäft mit dem Online-Dating eines der lukrativsten und stabilsten Einkommensquellen ist, die man sich nur vorstellen kann. Zumal in einer sich immer weiter individualisierenden Gesellschaft. Tinder steht für etwa 50 % des Umsatzes, weshalb man auf die Beschreibung der weiteren dutzenden Marken weitgehend verzichten kann. Ganz frisch ist auch die Meldung, dass Tinder nunmehr die meistheruntergeladene Non-Gaming-App ist – vor Netflix. Dennoch soll noch ein Wort dazu verloren werden, nämlich dass die Match Group sämtliche vorstellbaren Dating-Bereiche abdeckt, was z.B. intraethnisches Dating anbelangt, oder auch altersgruppenspezifisches Dating wie z.b. für Senioren.
Der Kurs hat einen ziemlich Dämpfer bekommen, als Facebook ankündigte, selbst Dating-Funktionen einführen zu wollen. Uns hat das eher noch zum Nachkaufen veranlasst, da wir für Facebook mittel- bis langfristig wenig Perspektiven sehen, was zumindest organisches Nutzerwachstum anbelangt. Die Werbeumsätze mögen mit den Leuten, die die Plattform nutzen, explodieren, fraglich bleibt jedoch, ob Nutzer eines sozialen Netzwerks dauerhaft mehr Werbung sehen wollen, als nutzergenerierte Inhalte aus dem Bekanntenkreis. Um es ganz hart zu sagen, halten wir Facebook für eher auf dem absteigenden Ast. Neben der Tatsache also, dass man für das Dating lieber zu einem spezialisierten Anbieter (mit intuitiver Bedienbarkeit wie bei Tinder) ohne große Datenskandale geht, wäre weiterhin fraglich, ob Nutzer im Falle von Facebook genauso gerne bereit wären, für dieses Angebot auch tatsächlich zu bezahlen.
Einen kleinen Nachteil hat die Aktie, denn die Dividende, die im letzten Jahr ausgeschüttet wurden, kam wohl maßgeblich auf Druck des Mutterkonzerns IAC (ebenfalls ein interessanter Konzern) zustande. Unseres Erachtens sollte das Geld nicht sinnlos rausgezogen werden aus der Gesellschaft, nur weil der Gesellschafter es wünscht; im Zweifel hätte es eine maßvolle und nachhaltige Dividendenpolitik auch getan.
Dennoch: wir sehen – sehr wahrscheinlich noch einige Zeit nachhaltige – Wachstumsraten von ca. 25 % p.a. beim Umsatz sowie über 30 % p.a. beim EBITDA. Wir sind absolut überzeugt vom Geschäftsmodell und freuen uns auf viele schöne Jahre mit der Match Group.
Match Group Investor Relations
4. Erlebnis Akademie, Deutschland
Die Erlebnis Akademie haben wir schon ein paar Mal erwähnt. Es handelt sich um den Marktführer im Bereich Baumwipfelpfade in Holzbauweise. So amüsant das auch klingen mag, die innere wirtschaftliche Logik überzeugt auf ganzer Linie. Stand 2018 verfügte die Erlebnis Akademie über acht Baumwipfelpfade mit fast 2 Millionen Besuchern in Europa, so viel wie kein anderer Naturerlebnisanbieter.
Es ist ein Geschäftsmodell, das auf einen Bierdeckel passt. Die Eintrittspreise pro Besucher betragen über den Daumen gepeilt 10 Euro. Bei 2 Millionen Besuchern kommt man so auf ganz ordentliche jährliche Einnahmen. Ein Baumwipfelpfad kostet in der Herstellung aber nur einen niedrigen bis mittleren Millionenbetrag und verursacht im Anschluss unterproportional hohe Kosten. Sobald die ersten Baumwipfelpfade vollständig abgeschrieben sind, werden die Ergebniskennzahlen einen Sprung machen, weil die wirtschaftliche Nutzungsdauer wesentlich länger sein dürfte und die dann anfallenden Erhaltungsaufwendungen diesen Effekt nicht überkompensieren sollten.
Darüber hinaus expandiert die Erlebnis Akadamie weiter: es werden neue Baumwipfelpfade in ganz Europa, aber auch weltweit, z.B. in Kanada, geplant. Daneben werden bestehende Pfade kontinuierlich ausgebaut, um Besuchern immer neue Attraktionen bieten zu können, wie Gastronomie, Spielplätze oder Rutschen. Da das ganze auch einen starken pädagogischen Einschlag hat, bieten sich Baumwipfelpfade vor allem für Familien und Schulgruppen an, aber auch für Team-Events oder Seniorengruppen. Wir sehen hier also eine sehr breite Zielgruppe.
Dividenden wird es bis auf Weiteres aufgrund der Expansion erst einmal nicht geben. Im Gegenzug bekommt man als Investor bei diesem doch immer noch recht kleinen Unternehmen einen freiwillig aufgestellten Konzernabschluss und eine für die Größe vergleichsweise vorbildliche Aktionärskommunikation. Ein Unternehmen, an dem wir uns gerne beteiligen.
Erlebnis Akademie Investor Relations
5. Tonnellerie François Frères, Frankreich
Die Investition in den Weltmarktführer für den Wein- und Whiskyfassbau wurde maßgeblich durch Max Otte inspiriert. Die TFF-Gruppe ist in über 80 Ländern präsent und hat einen Weltmarktanteil von über 25 %. Die Gruppe ist der Hauptakteur in der gesamten Wertschöpfungskette der Holzprodukte in der Weinindustrie: Forstwirtschaft, Fassbinderei, Küferei, Großbehälter und Holzbearbeitungsprodukte für die Önologie, aber auch bei Edelstahltanks.
Etwa 2/3 des Geschäfts kommt vom Wein, der Rest von Spirituosen, im Kern Whisky. Beide Bereiche sind nach wie vor stark gefragt, seitdem die Chinesen gerne französischen Wein trinken und der Whisky seinen Siegeszug durch Europa angetreten hat. Zu den Zahlendetails können wir die Finanzberichterstattung (weiter unten verlinkt) empfehlen.
Für uns ist wichtig, dass sowohl beim Wein als auch beim Whisky Holzfässer für die Reifung verwendet werden müssen, um überhaupt ernstgenommen zu werden. Das wird sich nicht ändern und führt zu einem stabilen Geschäftsmodell. Auch wenn der Alkoholkonsum in der Grundtendenz in den entwickelten Nationen eher zurückgeht, bleibt es doch dabei, dass das „gute Glas Wein“ der Klassiker ist – wie auch bei Fever-Tree der Gin Tonic einer der Klassiker unter den Cocktails bleiben wird.
Vor allem spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass kaum jede Whisky-Distille ihre eigenen Holzfässer herstellen könnte, oder jedes Weingut. Folglich gibt es einen Markt und einen Bedarf nach Holzfassanbietern. Größenvorteile können hier in Form von Kostenersparnissen an die Abnehmer weitergegeben werden. Unseres Erachtens gewinnt in diesem (stabil wachsenden) Markt Größe und deshalb haben wir den Marktführer auch im Atypisch-Still-Portfolio.
Frankreich ist natürlich aktientechnisch immer so eine Sache nach der vermurksten Quellensteuerreform unter Macron. Allerdings gibt es auch in Frankreich einige echte Qualitätsunternehmen, wie etwa der valueandopportunity-Blog ja eindrucksvoll unter Beweis stellt. Uns gefällt das Geschäftsmodell jedenfalls so gut, dass wir es auch trotz der Steuerschlechterstellung einkaufen.
Was hältst Du von unseren 5 „Spezialwerten“? Welche unbekannteren Aktien hältst Du für unterrepräsentiert in der deutschen Finanzpresse? Schreib uns im Kommentarbereich! 🙂
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Wie waere es den mit transurban group aus Australien, ein langweiliger Maut Betreiber.
Bitte noch mehr so unbekannte Aktien vorstellen.