Seit drei Jahren prüft Olaf Scholz nun die Abschaffung der Abgeltungsteuer, die die schwarz geführte SPD-Regierung im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Ein Hinweis im neuen Jahressteuergesetz gibt Anlass zur Sorge, dass dies nun tatsächlich umgesetzt werden könnte.
Denn im Jahressteuergesetz wird laut FAZ festgelegt, dass die deutschen Banken ab 2023 in vielen Fällen Kapitalerträge direkt ans Finanzamt melden sollen. Daraus kann in einer möglichen Deutungsweise geschlossen werden, dass die technische Infrastruktur umgesetzt wird, um Finanzämtern eine Veranlagung der Kapitalerträge zum persönlichen Steuersatz zu ermöglichen. Wie die FAZ berichtet, könnte Scholz im Wahljahr 2021 vor allem mit dem Thema Steuergerechtigkeit – ein Begriff, der inhaltlich so unbestimmt ist wie „soziale Gerechtigkeit“ oder nur „Gerechtigkeit“ – um die Blöcke ziehen. Indem er 12 Jahre nach der Einführung durch Parteigenossen Steinbrück einen Schlussstrich unter die Begünstigung der „Reichen“ zieht, würde er sich als Steuer-Robin-Hood gerieren, der den „Reichen“ nimmt und den – ja, wem eigentlich? – gibt.
Das im Wesentlichen sozialdemokratische Märchen geht so: während der Steuersatz auf Arbeitseinkommen bis zu 45 % reicht, werden Kapitalerträge nur mit 25 % besteuert. Hieraus wird pauschal geschlossen, dass Kapitaleinkünfte niedriger besteuert werden, als Arbeitseinkünfte. Des Weiteren wird pauschal geschlossen, dass folglich „die Reichen“ profitieren. Wir fragen uns natürlich nach wie vor, was konkret „die Nichtreichen“ davon abhält, selbst Aktien und Immobilien statt Lebensversicherungsansprüche und Flachbildfernseher zu erwerben, wenn doch von beiden Anlageklassen bekannt ist, dass „Reiche“ diese halten und gut damit fahren.
Wir wissen nicht, ob diese pauschale Fehlbeurteilung absichtlich erfolgt oder ob sie aus Nichtwissen und Nichtverstehen resultiert. Beides stellte den betreffenden Politikern kein gutes Zeugnis aus. Medien tragen hier selbstverständlich eine Mitverantwortung, wenn sie derlei Humbug unwidersprochen stehenlassen, was erfreulicherweise in einigen, aber bei weitem zu wenigen Fällen nicht passiert.
Zwar mag die vermeintliche Niedrigbesteuerung im Falle von Zinseinkünften (und weiteren, noch wesentlich unbedeutenderen Kapitalertragskategorien) zutreffen. Aber wo gibt es denn heutzutage substantiell Zinsen, die man substantiell besteuern könnte? Folglich ist diese vermeintliche Begünstigung überhaupt gar nicht mehr praxisrelevant und wenn überhaupt ein absolut gerechtfertigter Ausgleich für das fortgesetzte gesetzgeberische Unterbinden des selbstgesteuerten Vermögensaufbaus. Deutschland liegt im europäischen Vermögensvergleich bekanntlich weit hinten und es gibt in Deutschland zwar viel Vermögen, aber die Deutschen verfügen darüber mehrheitlich nicht, auch zu einem guten Teil aufgrund der selbstverschuldeten Unmündigkeit, aus der man sich nicht befreien möchte, siehe oben Stichworte Aktien und Immobilien. Des Weiteren ist die Frage, ob man nominelle Zinsen überhaupt besteuern sollte, wenn die Realzinsen aufgrund der Inflation üblicherweise bei Null liegen. Besteuert werden dürfte bei Zinsen also wenn überhaupt der im Zins enthaltene Gewinnmargenanteil, der das eingegangene Risiko abdeckt, und nicht auch der Geldentwertungsausgleichsanteil. Aber lassen wir die Zinsen mal Zinsen sein.
Denn zumindest Dividendenempfänger mit börsennotierten Streubesitzanteilen sind de facto die höchstbesteuerte Gruppe der Bundesrepublik. Denn man muss schon den Apfel mit dem Apfel vergleichen, um zu einem richtigen Ergebnis zu kommen. Gründet ein Einzelunternehmer ein Einzelunternehmen, versteuert er seine gewerblichen Einkünfte mit seinem persönlichen Steuersatz. Er kann sich aber auch dazu entscheiden eine Personengesellschaft, beispielsweise eine GmbH & Co. KG dafür zu gründen. Das Besteuerungsobjekt, nämlich gewerbliche Einkünfte, bleibt dasselbe, nur das Rechtskleid ist offensichtlich ein anderes. Nichts anderes gilt, wenn keine Personengesellschaft gewählt wird, sondern eine Kapitalgesellschaft wie eine UG oder eine GmbH. Besteuerungsobjekt bleiben die gewerblichen Einkünfte, die sich im Falle der Kapitalgesellschaft allerdings als zweistufiges Besteuerungsverfahren darstellen: eine vergleichsweise niedrige Flat-Tax-Besteuerung im Unternehmen und eine weitere Flat-Tax-Besteuerung der Ausschüttung (namens Abgeltungsteuer). Gerade die aus der genannten Zweistufigkeit resultierende Trennung der Besteuerungssphären machen wir uns ja bei der Sparschwein-UG zunutze.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass aus dem grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz kein allgemeines Gebot zur rechtsformneutralen Besteuerung abgeleitet werden kann. Dennoch stehen gewichtige Stimmen mit guten Gründen hinter einer rechtsformneutralen Besteuerung, die die Rechtsformwahl eben gerade nicht mehr von steuerlichen Erwägungen abhängig macht.
Während beim persönlichen Steuersatz der Spitzensteuersatz bei 45 % zzgl. Soli liegt, reicht die Belastung bei Abgeltungsteuerdividenden von 22,8 % bis 36,1 % – im Schnitt 31,1 % – auf Unternehmensebene zuzüglich der 18,2 % Abgeltungsteuer beim Empfänger (26,375 % vom Nachsteuerergebnis). In Summe beträgt der Steuersatz auf die gewerblichen Einkünfte im zweistufigen Verfahren damit im Schnitt bei über 49 % – bis hin zu 53 % an der Oberseite. Kein Wunder, dass Anleger bei Olaf Scholz und seinen gutgemeinten Ideen regelmäßig aufschrecken wie die Kuh beim Melker mit den kalten Händen.
Dazu kommt bei der vermeintlichen Ungerechtigkeit der Abgeltungsteuer, dass sie eine Bruttobemessungsgrundlage besteuert, da Werbungskosten bis auf 801 Euro Pauschale nicht mehr abgezogen werden dürfen. Im Gegenzug ist es bei Arbeitseinkünften problemlos möglich, sämtliche Werbungskosten einschließlich der Sozialversicherungskosten von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Außerdem wird im Abgeltungsteuerbereich seit Jahren versucht, nur noch Gewinn zu besteuern und Verluste nicht anzuerkennen. Man kann im Ergebnis von einer mehrfachen Diskriminierung sprechen, die im nominellen Steuersatz allein nicht sichtbar wird.
Gerade weil also die zweistufige Besteuerung im Ergebnis so exorbitant teuer für den Dividendenempfänger ist, konnte vor Einführung der Abgeltungsteuer die Dividende eben gerade nicht mit dem Spitzensteuersatz von 45 % besteuert werden. Denn dies käme einer Gesamtbesteuerung auf Unternehmens- und Anlegerebene von 62 % gleich. Zwar sehen Politiker links der Mitte in einer solchen Zahl überhaupt gar kein Problem. Dennoch stellt sich die Frage, ab wann eigentlich Enteignung beginnt. Genau deshalb gab es vor der Abgeltungsteuer nämlich das Halbeinkünfteverfahren: nur die Hälfte der ausgeschütteten Dividende unterlag beim Anleger seinem Steuersatz, sodass rechtsformneutral maximal wieder etwas um die 50 % herauskam. So etwas ähnliches müsste es also wieder geben, wenn die Abgeltungsteuer abgeschafft wird. Wie der Gesetzgeber es also dreht und wendet: er wird bei der ohnehin schon erdrückend hohen Dividendenbesteuerung nichts für die Staatskasse holen können.
Des Weiteren bedeutet die Abschaffung der Abgeltungsteuer notwendigerweise auch die Wiederzulassung des Werbungskostenabzugs. Denn die Sonderbesteuerung für Kapitaleinkünfte fiele weg und diese würde wie vor 2009 in die sieben Einkunftsarten einbezogen, die dem persönlichen Steuersatz unterliegen. Dies ist natürlich insbesondere für uns als Wertpapierkreditnutzer interessant. Unvergessen auch die beliebten damals noch steuerlich absetzbaren Fahrten zur Hauptversammlung eines Provinzunternehmens, das seinen Sitz zufällig gerade in der Nähe der Familie hat. Eine Rechtfertigung, den Werbungskostenabzug wie aktuell weiter zu unterbinden, würden wir bei einer Abschaffung der Abgeltungsteuer nicht sehen.
Was wir dagegen definitiv nicht sehen, ist, dass die neuere Lust an der Einführung neuer Verlustverrechnungskreise bzw. Verlustverrechnungsverhinderungsmöglichkeiten abflaut. Selbst wenn die Abgeltungsteuer abgeschafft wird, dürfte beispielsweise die zwingende Verrechnung von Aktienverlusten mit Aktiengewinnen erhalten bleiben. Offen scheint derzeit noch, was mit der neuen Verlustverrechnungsbeschränkung auf Termingeschäfte passieren wird. Wie die Euro am Sonntag in der aktuellen Ausgabe berichtet, wird diese Gesetzesänderung voraussichtlich kurz vor knapp entschieden werden.
Auf der anderen Seite prüft Scholz wie einleitend dargestellt bereits seit drei Jahren, was man tun könnte. So lange dauert eine solche Prüfung eigentlich nicht. Denn in Deutschland ist es problemlos möglich, Milliarden für eine Bankenrettung in einer Woche lockerzumachen oder binnen kurzer Zeit aus der Atomenergie auszusteigen – so komplex ist die Abgeltungsteuer dann auch wieder nicht, dass das nicht ein opulent ausstaffiertes Ministerium in kurzer Zeit prüfen könnte. Folglich wird sich die Thematik für Olaf Scholz nach Antritt seines Ministerpostens wohl doch nicht als so heilsbringend herausgestellt haben, wie in Wahlkämpfen gerne glauben gemacht wird.
Da nicht zu erwarten ist, dass sich für Anleger etwas zum Besseren wendet, bleibt die einzige realistische Hoffnung, dass alles so bleibt, wie es ist und sich somit zumindest nicht noch mehr zum Schlechteren wendet. Nachdem wir nun schon unerwartet intensiv mit Joe Biden zittern mussten, um diesen vierjährigen Unfall der Politgeschichte als Resultat des modernen Medienkapitalismus zu beseitigen, müssen wir nun wiederum zittern, dass Scholz bis zur Wahl die Füße still hält. Die Hoffnung, ab 2021 einen Finanzminister zu bekommen, der etwas für eigeninitiativen steuergeförderten Vermögensaufbau zur Entlastung der Rentenkassen übrig hätte, ist wohl von vornherein zur Enttäuschung verurteilt.
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In den USA wird Janet Yellen secretary of treasury, in Deutschland „Giro“-Olaf Scholz und Robert Habeck.
Wie schön wäre doch die Vorstellung, in Deutschland könnte ein Jens Weidmann Finanzminister werden …
Hi Bastian,
ja, das ist dramatisch in Deutschland, dass Hinz und Kunz Finanzminister werden können, wo in anderen Ländern schon einmal genauer hingeschaut wird, dass derjenige auch ein Mindestmaß an Wirtschafts- und Finanzkompetenz mitbringen sollte.
Aktienkultur ist in Deutschland eben immer noch ein Fremdwort und wenn für unseren Finanzminister das Sparbuch das Mittel der Wahl für die Aufbewahrung seines Geldes ist, dann kann man schon ungefähr erahnen, welcher Art die Vorschläge sind, die aus seinem Haus kommen.
Was ich nicht verstehe ist, dass doch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, d.h. der Besitz der „Wirtschaft“ durch den Bürger, was ja eine der Ideen des Sozialismus ist, gerade durch den Kauf von Aktien möglich ist und somit durch eine kapitalistische Art und Weise die Teilhabe der Bevölkerung an den „Produktionsmitteln“ erlaubt, von der SPD derart ignoriert bzw. sogar bekämpft wird. Das wäre doch ein ideales Thema für eine sozialdemokratische Partei zur (Wieder-)belebung der sozialen Marktwirtschaft. „Schaut her, wir setzen uns dafür ein, dass auch der einfache Bürger am Erfolg der Firmen teilhaben kann.“ Stattdessen werden anscheinend wieder Vorschläge ausgebrütet, die den Vermögensaufbau mit Aktien etc. noch weiter erschwert.
Absolut, sehen wir exakt genauso!